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Wer, wenn nicht wir?

„Gehe hindurch und blähe deine Nasenlöcher wie Pferdenüstern: Das ist der Geruch des Lebens! Windeln, Kohl, Plüschsofa, Zwiebeln, Benzin, Mädchenträume, Tischlerleim, Kornkaffee, Katzen, Geranien, Schnaps, Autogummi, Lippenstift – Blut und Schweiß – Geruch der Stadt, Atem des Lebens: Mehr, mehr als ein Haufen Steine! Das ist Tod und Leben, Arbeit, Schlaf, Wind und Liebe, Tränen und Nebel! Das ist unser Wille, zu sein: Hamburg!“

Wolfgang Borchert: Hamburg, aus: Gesamtwerk, 1991 [1949].

Die Bundesregierung liebt die Wahrheit nicht. Das ist bekannt.

Der Versuch des Schwarz-Geld-Bündnisses, im neuesten Reichtums- und Armutsbericht, die von den Autoren formulierte Kritik an eklatant zugespitzter sozialer Ungleichheit, sinkenden Reallöhnen und einer weiteren Ausdehnung des Niedriglohnsektors zu streichen und durch ideologische Schönfärberei zu ersetzen ist öffentlich geworden. Alles Verdrängte kommt flugs wieder ans Licht; das ist die gute Seite der Krise.

Das gilt auch für den Hamburger Bürgermeister, der in Bezug auf die HSH Nordbank erklärte, „dass wir jetzt ein Risiko an Schulden und Milliardenverpflichtungen haben, die auf uns zukommen, wo wir nur hoffen können, dass alles gut geht.“ (Die Welt, 24.11.2012)

Aber Hamburg ist keine Bürgschaft für die Bänker, sondern das sind Menschen mit berechtigten Bedürfnissen. Da also auf marktkonforme Demokratie inklusive dazugehöriger „Eliten“ keine Zuversicht zu gründen ist, müssen Alternativen entwickelt werden. Erforderlich ist dafür besonders eine kritische, öffentliche Diskussion: Wie gelingt ein solidarisches Gemeinwesen?

Dafür sind jüngst in Hamburg rund 3.000 Menschen aus Kitas, Schulen und Hochschulen, sozialen Einrichtungen und Verbänden sowie Gewerkschaften auf die Straße gegangen. Demonstriert wurde anläßlich der für den 11.-13. Dezember in der Bürgerschaft angesetzten Debatte über den geplanten Kürzungshaushalt gegen die Schuldenbremse und für eine Steigerung der öffentlichen Ausgaben für Arbeit, Bildung und Kultur für Alle!

Diese Bewegung muß nun fortgesetzt und erweitert werden, und die Hochschulen können zur Klärung der Frage nach den Grundlagen einer menschenwürdigen Perspektive für Alle erheblich beitragen. Die Erkenntnis, daß der wirkliche Reichtum nicht Ergebnis geschäftstüchtiger Bürgerlichkeit, sondern von (auch wissenschaftlicher) Arbeit, Aufklärung, organisierter sozialer Bewegung und ihrer Errungenschaften ist, kann von hier aus auf vielfältige Weise vertieft und verbreitet werden. Wissenschaft kann solidarisch sein.

Zuallererst beginnen Verbesserungen damit, auszusprechen, wie es wirklich ist. Das Leben – produktiv, teilnahmsvoll, gesund und froh – folgt nicht dem kalten Mechanismus von Zins und Zinseszins und nicht den Anordnungen von Bilanzen und Bewertungen. Möglichkeiten, Anregungen und Strukturen einer alternierenden, fortschrittlichen Haltung und Handlungsweise sind in Künsten, Wissenschaft, Geschichte und (auch universitärer) Gegenwart zu entdecken.

Es ist Zeit für Verbesserungen aller Art.