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Neoliberalismus als Neurose
oder
Der Schlüssel

„Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: »Meinen Schlüssel.« Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.« Finden Sie das absurd? Wenn ja, suchen auch Sie am falschen Ort. Der Vorteil ist nämlich, daß eine solche Suche zu nichts führt, außer mehr desselben, nämlich nichts. […]“

Paul Watzlawick, „Anleitung zum Unglücklichsein“, 1988.

In der letzten Akademischen Senatssitzung (4.7.) wurde mit professoraler Mehrheit beschlossen: Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) soll die Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften verlassen, die Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft soll in zwei Fakultäten gespalten werden: in „E“ und „PB“. Außerdem sollen die BWL-Profs sich künftig aussuchen können, ob sie in der Sozialökonomie (tendenziell sozialkritisch) oder in der BWL (tendenziell konform) wirken wollen. Das „Zerrüttungsausmaß“ in den betreffenden Fakultäten ließe keine produktive Zusammenarbeit mehr zu.

Diese Spaltung ist falsch und wird so nicht kommen.

Erstens ist sie falsch, weil die kritische Kooperation von Sozial- und Wirtschaftswissenschaft ebenso wie aller Humanwissenschaften für eine menschenwürdige Perspektive von Wissenschaft und Gesellschaft aktueller denn je ist. Zweitens ist eine Mehrheit der Betroffenen (Studierende, Verwaltungs- und wissenschaftliches Personal, die zuständigen Fakultätsräte und Dekanate) dagegen. Drittens sind die Kosten, die Folgen für die Struktur- und Entwicklungsplanung, für die Lehre, gemeinsame Forschungsprojekte und Studiengänge sowie die Verwaltung unübersehbar und unbedacht geblieben. Und viertens ist die Forcierung der Konkurrenz innerhalb der Universität ein selbstschädigender Anachronismus. Allein die wachsenden gemeinsamen Bemühungen um Verbesserungen für alle schaffen hingegen Perspektive.

Separatismus dient zudem der Ablenkung von notwendig zu lösenden Problemen: Erstens der Unterfinanzierung, Zweitens dem Demokratiedefizit und drittens der Überwindung der Krise der Wissenschaften, die sich an das neoliberale Leitbild des „homo oeconomicus“ angepaßt haben.

Da der Mensch aber ein kulturelles, soziales und kooperatives Wesen ist, gewinnen die kollegialen bzw. solidarischen Aktivitäten in Universität, Stadt und Welt zunehmend positive Relevanz. Hier ist der Schlüssel – bei Lichte besehen – zu finden.

(Die Ergebnisse der Fakultätsratswahlen mit einer Stärkung des Engagements der „Kritischen Studierenden“ in allen Fakultäten bei wachsender Wahlbeteiligung bestätigen dies.)
Es ist offenkundig, daß Absonderung keine Freiheit ist.

„Das einzig zweckmäßige Verhalten bei drohender Gefahr wäre nämlich die kühle Abschätzung der eigenen Kräfte im Vergleich zur Größe der Drohung und darauf die Entscheidung, ob die Flucht oder die Verteidigung, möglicherweise selbst der Angriff größere Aussicht auf einen guten Ausgang verspricht.“ (Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, „Allgemeine Neurosenlehre“, „Die Angst“ (1917), Frankfurt a.M. 1991, S. 376)

Produktiv und vernünftig ist: die Entwicklung der Universität als Ganzes zum kooperativen Prozeß zu machen, den kulturellen Zusammenhang von Fächern, von Studium, Lehre und Forschung, von Selbstverwaltung und Verwaltung zu stärken, das gemeinsame Dritte – die Emanzipation – bewußt zu verfolgen und wirkliche Problemlösung zu beginnen.

Das können alle begrüßen.