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Wer systematisch munkelt, dem traut man nicht...

Eine Episode der sogenannten Wissenschaftspolitik

„...Der Blick des Forschers fand
Nicht selten mehr, als er zu finden wünschte.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Nathan der Weise“, 1779.

Im Akademischen Senat wurde jüngst folgende Begebenheit berichtet: Auf Einladung der Wissenschaftsbehörde traf diese sich mit VizepräsidentInnen der Hochschulen sowie mit der Handelskammer. Anlaß war deren Beschwerde über die Einführung einer „Transparenzklausel“ im Regierungs-Entwurf für ein neues Hamburgisches Hochschulgesetz, das im Juni beschlossen werden soll. Diese Klausel lautet: „§ 77, (8) Das Präsidium unterrichtet die Öffentlichkeit in geeigneter Form über Forschungsvorhaben mit Mitteln Dritter, insbesondere über deren Gegenstände, den Umfang der Mittel Dritter sowie über die Person des jeweiligen Dritten. [...].“

Das hatte den Unmut der Kapitalvertretung mobilisiert. Sie residiert im Börsengebäude hinterm Rathaus. Sie fürchtet, daß private Sponsoren ethisch zweifelhafter Forschung – beispielsweise für Pharma-, Geräte-, Luftfahrt- oder Rüstungsindustrie – auffliegen könnten. Dann würden die entsprechenden Projekte im Lichte der Öffentlichkeit kritisiert – wie jüngst an vielen Hochschulen bei vom Pentagon geförderten Projekten geschehen. Dann würden sie eventuell beendet respektive gar nicht erst begonnen. Das schade dem Standort. Wem?
Das Treffen in der Wissenschaftsbehörde diente nun der Beruhigung der besorgten Unternehmer. Mit juristischer „Expertise“ wurde sorgsam nachgewiesen, daß „in geeigneter Form“, „Gegenstände“ und „Personen des jeweiligen Dritten“ hinreichend schwammige Begriffe seien, um der Öffentlichkeit – am besten verspätet – Harmlosigkeit vorzugaukeln. Das berechtigte Allgemeininteresse am Bildungsauftrag der Universitäten wurde so kräftig durch den Kakao gezogen. (Nebenbei sollte dies wohl der Unterweisung der Präsidien dienen, wie sie sich an der Verschleierung kapitaler Einflußnahme beteiligen sollen.)

Der Öffentlichkeit wird diese „Transparenz-Klausel“ bisher als ernstzunehmende Alternative zu einer „Zivilklausel“, die von Studierenden, Gewerkschaften und Friedensbewegung bundesweit gefordert wird, präsentiert. Auch das Studierendenparlament der Uni Hamburg und der AStA der HAW machen sich für die „Zivilklausel“ stark. Und die sozialdemokratische Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat in ihrem Entwurf für ein neues Landeshochschulgesetz dieser Forderung entsprochen: „§3, Aufgaben […] (6) Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen und friedlichen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach. Das Nähere zur Umsetzung dieses Auftrags regelt die Grundordnung.“ (PDF)

Wahrheit und Humanität, also Frieden, Aufklärung, sozialer Fortschritt und Nachhaltigkeit sind der gemeinsame Gegenstand der Hochschulen. Ihre Mitglieder sind nicht blöde. Regierende Heimlichtuerei im Dienste der Gewinn-Großen fordert die kollektive Skepsis heraus. Wie immer: Demokratische Bildung, kritische Wissenschaft, kollegiale Zusammenarbeit und Engagement für eine auskömmliche öffentliche Finanzierung sind in die eigenen Hände zu nehmen – ganz ohne staatliche und privat-ökonomische Dirigismen.
Auch das Beispiel vom Rhein zeigt wieder: Es kann gelingen. „Verbesserungen beginnen...“