HomePublikationen › Broschüre von Liste LINKS, harte zeiten und FSB vom

Dokumentation von Beschlüssen des Akademischen Senats und Grundsatzdokumenten aus der Legislatur 2004/2005

Demokratisches Engagement und humanistische Aufklärung

Eine politische Bilanz II


Inhalt

0. Editorial
I. Organisierte Aufklärung wider die inthronisierte Antivernunft
II. Zu den Geleiten - Grundsätzliches zum Aktuellen
III. Demokratische Einheit und kooperative Fächervielfalt - Zum Struktur- und Entwicklungsplan der Universität
IV. Für kritische Lehrerbildung!
V. Für gutes Studieren - das Studentenwerk erhalten!
VI. Die Kandidierenden


0. Editorial

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

der Akademische Senat (AS) ist das zentrale Gremium der Universität, in dem sich ihre Mitglieder kooperativ statusgruppen- und fächerübergreifend über die Grundsätze und einzelne Schritte der Universitätsentwicklung und -struktur in demokratischer Debatte verständigen. Angesichts der Politik des CDU-Senats - gerichtet auf die Degradierung von Menschen und Wissenschaften zu Werkzeugen privatwirtschaftlicher Standortpolitik - und der dafür erzwungenen Entdemokratisierung der Uni ist seine Bedeutung gewachsen. Durch das kritische Engagement linker Studierender ist hervorgebracht, daß die Mitglieder des AS weitgehend gegen das kühle Diktat des Wissenschaftssenators die kooperative Einheit der Universität und ihre von ökonomischem Dirigismus unabhängige Selbstverwaltung befürworten.
Diese Haltung muß nun gegen den wachsenden Konkurrenzdruck in der Universität für die Verteidigung und Weiterentwicklung humanistischer Maßstäbe der demokratischen Massenuniversität politisch fundiert und streitbar verallgemeinert werden. In vernunftgeleiteter, entwicklungsorientierter Verständigung der Universitätsmitglieder als tendenziell Gleicher soll die humanistische Alternative zur Politik des Teile und Herrsche zur Geltung kommen. Darauf ist das Wirken unseres Bündnisses fortschrittlicher Studierender - neuerdings erweitert um das "Fachschaftsbündnis" - gerichtet.

Ergebnisse unseres bisherigen Engagements haben wir deshalb in dieser Broschüre anläßlich der Wahlen zum AS (von Anfang Januar bis zum 20.01.2005) hier dokumentiert: "Zum Geleit" als regelmäßige Mitteilung an die Mitglieder des Akademischen Senats sowie einige in dieser, erst seit August 2004 währenden, Legislatur des Akademischen Senats gefaßten Beschlüsse zu grundsätzlichen Fragen der Universitätsentwicklung.

Vorangestellt ist dieser Dokumentation die folgende gemeinsame Erklärung von Fachschaftsbündnis, Jungen Sozialisten und Liste LINKS:


I. Organisierte Aufklärung wider die inthronisierte Anti-Vernunft: Senat gegen Senat

„Es ist ein entsetzlicher Anblick, wenn der Irrationalismus populär wird. Man fühlt, es muß ein Unglück geben, ein Unglück, wie die einseitige Überschätzung der Vernunft es niemals herbeiführen kann. Diese kann komisch sein in ihrer optimistischen Pedanterie und kann lächerlich bloßgestellt werden durch die tieferen Kräfte des Lebens; aber sie fordert nicht die Katastrophe heraus. Das tut nur die inthronisierte Anti-Vernunft.“

Thomas Mann, Schicksal und Aufgabe , 1944.

Seit drei Jahren wird Hamburg rechtskonservativ regiert. Mit harter Hand und Heckenschere wird seither die soziale und kulturelle Herabsetzung der Bevölkerungsmehrheit betrieben; handelskammergesteuert pflegt der CDU-Senat die gewinn-großen Unternehmen. Seine „Wachsende Stadt“ folgt dem strikten Dogma neoliberaler Ideologen, der Mensch habe dem gottgleichen Unternehmertum zu dienen - jeder - und nicht etwa dem Maßstab, alle Bereiche der Gesellschaft der Entfaltung Aller förderlich zu entwickeln.
Hieraus folgt die Mißachtung demokratischer Voten und sozialer Errungenschaften, gewollte Verarmung, die Zerstörung von Arbeitsplätzen, Kommerzialisierung und Privatisierung, die Verunglimpfung von Kritikern und sozial Degradierten. Die inhumane soziale und kulturelle Wirkung ist auch mit kulturpolitischem Marketing und dem Grinsen des Freiherrn von Beust nicht zu verbergen.
Mit von Contra angestrengtem Lächeln will der Wissenschaftssenator eben dieses Dekultivierungsprogramm den Hamburger Hochschulen verordnen; sie gelten als ausschlaggebend für die „Wachsende Stadt“.
Die wirtschaftskonforme Normierung von Menschen und Universität wendet sich gegen die demokratische Kultur verantwortlicher Wissenschaften nach 1945 und 1968. Forschung und Lehre für Rüstung, für neoliberale Standortpolitik, für autoritäre Herrschaft und für die mechanistische Optimierung des „Werkzeuges Mensch“ steht den kooperativ hervorgebrachten, genutzten und verbreiteten befreienden Erkenntnissen aller Fachbereiche für die humane Entwicklung der Kultur und sozialen Verhältnisse unversöhnlich gegenüber.
Soll die Universität dem Kommando privater Ökonomie folgen?
Oder soll sie den - kritisch qualifizierten und engagierten - Menschen zum Ausgangspunkt und Ziel all ihrer gemeinsamen Bemühungen machen?
In dieser Kontrahenz wirkt der Akademische Senat der Universität als Forum gesamt-universitärer, statusgruppenübergreifender Willensbildung gegen die Bestrebungen des politischen Senats, die Universität in Teil-Hochschulen zu zerstückeln. Er reguliert die Konkurrenz zwischen den Fächern und werdenden Fakultäten und kämpft für die souveräne Selbstverwaltung der Universität.
Der Fatamorgana konservativer Modernität folgend (wohinter sich pure ökonomische Zwecksetzungen verbergen), sind einige seiner Mitglieder wie einige Bereiche der Universität von den hegemonialen Anforderungen hart angefochten.
Dagegen wird weiter die kultivierte Debatte für vernünftige, der humanistischen Einheit der Universität dienenden, Entscheidungen zu fördern sein. Das ist die Verantwortung aller Universitätsmitglieder.
Aus der kollegialen Fundierung des Wirkens für Wissenschaften, die ganz im Dienste der Verbesserung der menschlichen Verhältnisse stehen, muß die Universität couragierte Vernunft und neue Konsequenz gegen die Zumutungen des Rechtssenates entwickeln.
Das gesellschaftlich Mögliche ist eine Frage der tätigen Erkenntnis.


II. Zu den Geleiten - Grundsätzliches zum Aktuellen

Gleichheit oder Ungleichheit? Kooperation oder Konkurrenz? Entfaltung oder Erniedrigung? Vorwärts oder Rückwärts? - Immer können und müssen die Mitglieder des Akademischen Senats diese grundsätzlichen Fragen in ihren Debatten und Entscheidungen beantworten. Mit den regelmäßigen Thesenpapieren "Zum Geleit" nehmen wir zu den aktuellen universitären Auseinandersetzungen Stellung, indem wir ihren historisch-konkreten, gesellschaftspolitischen Kontext thematisieren. So werden die positiven Möglichkeiten der Tätigkeit des AS aufgezeigt, die durch entschlossenes zur Geltung bringen der Erkenntnisse und Maßstäbe humanistischer Aufklärung entwickelt werden können. Dies möge wider die Gehetztheit durch die politisch forcierte Konkurrenz und Dekultivierung die vernünftige und konsequente gemeinsame Position der Universität als Ort streitbarer Aufklärung stärken.

Zum Geleit I - vom 14. August 2004

Die geplante Verleihung der Ehrendoktorwürde an Rußlands Präsidenten Putin hat uns veranlaßt, zu betonen, daß die Abwicklung sozialistischer Staaten zugunsten brachialer neoliberaler Marktdiktatur kein der Ehrung werter menschheitsgeschichtlicher Fortschritt, sondern ein massiver zivilisatorischer Rückschritt ist. Positive Gegenbeispiele lassen sich finden und in der Person des Humanisten und mit der Bruno-Snell-Plakette der Universität ausgezeichneten Rhetorikprofessors Walter Jens würdigen. Die humanistische Transformation der Gesellschaft sei der positive Gehalt der Wissenschaften!

Rolle vorwärts oder Rolle rückwärts?

Klärende Anmerkungen zum Transformationsverständnis

„Ich habe keinen Zweifel, daß Welt und Menschenleben sich nolens volens und unaufhaltsam in eine Lebensform hineinbewegen, für die das Epitheton ‚kommunistisch’ noch das zutreffendste ist, das heißt in eine Lebensform der Gemeinsamkeit, der gegenseitigen Abhängigkeit und Verantwortlichkeit, des gemeinsamen Anrechtes auf den Genuß der Güter dieser Erde, einfach infolge des Zusammenwachsen des Erdraumes, der technischen Verkleinerung und Intimisierung der Welt, in der alle Heimatrecht haben und deren Verwaltung alle angeht.“

Thomas Mann, „Schicksal und Aufgabe“, 1944.

0) Turbulenzen

Die menschliche Welt ist in tiefer Unruhe.
Krieg und Hochrüstung, soziales Elend und kulturelle Simplifizierung, Verzweiflung und Orientierungslosigkeit traktieren die Mehrheit der Menschen in einer eigentlich materiell und an Erfahrungen sowie Hervorbringungen reichen Welt.
Die Erkenntnisse, Errungenschaften und humanistischen Maßstäbe der Antike, der Renaissance, der Aufklärung und der modernen progressiven sozialen Umwälzungen, auch die hoffnungsvollen Ansprüche infolge der positiven historischen Zäsur von 1945, gehören zum menschlichen Kulturerbe und bedürfen der aktuellen wie perspektivischen Verwirklichung. In diesem Zusammenhang steht der Streit um die Bestimmung des Transformationsbegriffes.
Ist die Einführung der „Marktwirtschaft“ in (z.B.) Rußland begrüßenswert?
Ist die „Agenda 2010“ eine positive Reform?
Ist die Einführung von Studiengebühren für die Studierenden ein Segen?

1) Die gewollte progressive Transformation: „Perestroika“ und „Glasnost“ („Ost“)

„Mehr Sozialismus bedeutet mehr Demokratie, Offenheit und Kollektivismus im Alltag, mehr Kultur und Humanität in der Produktion, soziale und persönliche Beziehungen zwischen den Menschen, mehr Würde und Selbstachtung für das Individuum.“

Michail Gorbatschow, „Perestroika“, 1987, S. 43.

Stagnation und Erstarrung in der gesellschaftlichen Entwicklung hatten die sozialistischen Länder in ein tiefe existentielle Krise geführt. Das Programm der „Perestroika“ war der ernste Versuch, diese Krise produktiv zu wenden. Im Vordergrund dieser Bemühungen standen der sowjetische Dreistufenplan von 1986 zur Beseitigung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2000,die Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, die Motivierung und Beteiligung der Bevölkerung an der gemeinsamen Entwicklung und die offene Auseinandersetzung über die gesellschaftlichen Probleme.
Die „Perestroika“ kam zu spät. Ihre Ansprüche und Erfahrungen sind dennoch aufhebenswert.

2) Aufklärung, Humanität und sozialer Fortschritt: Kritisches Engagement („West“)

„Den Weltformeln einer sich selbst genügenden Theorie in gleicher Weise skeptisch gegenüberstehend wie der nicht über die Spezialisten-Genügsamkeit hinausgelangenden Beschränkungen (und Beschränktheit) von Forschern, die eben deshalb nur all zu leicht Sirenenklängen verfielen, suchte Bruno Snell, skeptisch, witzig, unfeierlich (und dabei hochgelehrt), jenes dialektische Verhältnis von Theorie und Praxis neu zu bedenken, das, vernünftig vorgetragen, mithelfen könne, daß die Universität, jenseits der Wolkenkuckucksheim-Träume und der Selbstaufgabe in erniedrigender: weil fremdbestimmter Praxis einen Weg findet, dessen konsequente Verfolgung zu jenem abgesicherten und wohl begründeten Entwurf für eine humane Gesellschaft führen müsse, den konventionelle Annahme des Gegebenen aus den Augen verlöre.“

Walter Jens, Dankrede aus Anlaß der Verleihung der Bruno-Snell-Plakette im Hamburger Rathaus am 12.12.1997. html

Wissenschaftliches Forschen und Lehrtätigkeit, schriftliche Publizistik und außerordentliche Vorträge, Theorie und Praxis, politisches Engagement und Persönlichkeit bilden bei Walter Jens eine beeindruckende Einheit.
Friedenspolitisches Handeln, ein unbedingter Antifaschismus, das feurige Plädoyer für die Verteidigung und Erweiterung der Demokratie, wahre Wortwahl und Wortwitz sind typisch für den Träger der Bruno-Snell-Plakette. Humor und Fortschritt gehen so zusammen. (Auch die Namen Lessing und Luxemburg stehen für dieses „Programm“.)
Dieses Wirken steht ebenso für die kritische Praxis Vieler, die durch progressiven Einsatz der Gesellschaft ein menschliches Antlitz geben wollten und wollen. Aus der Geschichte ist zu lernen.
Der Preisträger ehrt die Universität und die verwandten Tätigkeiten anderer Menschen.

3) Der friedliche Wettbewerb der Systeme oder „Wandel durch Annäherung“ („West/Ost“)

„Nicht die Qualität der Waffen, sondern die Qualität der Politik entscheidet über Sicherheit und Stabilität in der Welt. Dieser Einsicht zum Durchbruch zu verhelfen, sie in praktische Politik umzusetzen, bedarf es des Engagements aller Menschen. (...)
Der Systemstreit, wenn er einhergeht mit der Verringerung der Rüstungen, kann den sozialen Fortschritt in beiden Systemen fördern und beschleunigen.“

„Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“, Gemeinsame Erklärung der Grundwertekommission der SPD und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED vom 27. August 1987. html

Das Prinzip des „Wandels durch Annäherung“ war Pate bei der Gründung (1971) des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.
Die nachhaltige Einsicht, daß Krieg im Nuklearzeitalter kein Mittel der Politik mehr sein dürfe, war Leitlinie zur Verständigung zwischen den beiden gesellschaftlichen Systemen.
Weitgehende Abrüstung, stete Verständigung, die Schaffung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung, die Bekämpfung des Hungers auf der Welt, das Bemühen um die Überwindung der ökologischen Krise waren die Leitpunkte bzw. Zentralvorhaben dieser Politik, die von den gemeinsamen, global verantwortlichen Aufgaben verschiedener Akteure unterschiedlicher Gesellschaftssysteme mit divergenten Weltanschauungen ausging.
Die Systemkonfrontation ist nicht mehr präsent, die globalen Aufgaben sind geblieben.

4) „Fürst“ Putin oder die regressive Transformation

„Eine der aufsehenerregendsten Errungenschaften der sozialistischen Bewegungen, die sich seit einem Jahrhundert und zumindest bis jetzt mit der Linken identifiziert haben, ist die Anerkennung der sozialen Rechte neben den Rechten der Freiheit, auch wenn diese Anerkennung heute in Frage gestellt wird.“

Norberto Bobbio, „Rechts und Links/Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung“, 1994, S. 82.

Die Lebensbedingungen in der ehemaligen Sowjetunion sind, seit die Strukturen der sozialistischen Gesellschaft zerfallen sind, nicht sozialer, demokratischer, ziviler und humaner geworden.
Mafiotische Tendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft, gesteigerte Armut von vielen Menschen bei enormem Reichtum weniger, der Verfall von Betrieben, Infrastruktur und öffentlichen Einrichtungen, der despotische Charakter der Regierungspolitik, die militärischen Interventionen in benachbarte Länder der einstigen UdSSR charakterisieren den mainstream russischer Politik.
Diese Umwandlung ist wissenschaftlich nicht zu ehren; siehe 1), 2) und 3).

Ausblick

„Schüler: Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.“

J.W. v. Goethe, Faust I.

Die gute alte Aufklärung und das Wohl der Menschheit sind nach wie vor die ersten allgemeinen Aufgaben (nicht nur) der Wissenschaften und aller Handelnden in diesem gesellschaftlichen Bereich. So macht die positive Transformation einen erträglichen Sinn.
Lob und auch Tadel, die von verantwortlichen Tätigkeiten ausgehen, sollten im Einklang mit dieser Orientierung stehen.
Casus malus: Ehrungen sind eine Ware.
Casus bonus: Ehrungen sind ein Ansporn zum Guten.

Zum Geleit II - vom 15. September 2004

Sozialstaatlichkeit, die demokratische Freiheit von Lehre und Forschung, die Ablehnung von Rüstung und Krieg sind praktische Lehren aus Faschismus und Krieg. Sie sind eng verknüpft mit der positiven historischen Zäsur von 1945 und dem zivil couragierten Engagement von Abertausenden gegen die bestialische Zerstörung der Nazi-Herrschaft. Aus ihrem Mut, ihrer weitsichtigen, klaren Kritik und ihrer humanistischen Überzeugung läßt sich heute lernen, wenn die sozialen und demokratischen Errungenschaften der Nachkriegszeit zum Beispiel vom Rechtssenat in Hamburg angegriffen werden. Wider die Verharmlosung heißt es hier: Wehret den Anfängen!

Klee, 1933 und die zukunftsvolle Gegenwart

"auch ›ER‹ Dictator!", Paul Klee, 1933

"Kriechender", Paul Klee, 1933

0) „Der Gegenpfeil“

„Die Sache war aufregend. Klee, der Blatt für Blatt vorlegte, verschwand sozusagen aus dem Raum, und die Striche und Punkte, die Flächen und Zeichen schienen einen verrückten Tanz aufzuführen. Als mein Begleiter (Walter Kaesbach, damaliger Leiter der Kunstakademie in Düsseldorf) von der Menge des Gesehenen erschöpft die Betrachtung einstellte und Klee die Mappe schloß, wirkte der Künstler wie ein Zauberer, der seine Zauberformel noch nicht zurückgenommen und seine Opfer mit einem leisen Lächeln noch im Bann hat. Klee hatte die Blätter unter viel Mühen gemacht und das erste Mal anderen gezeigt. Das Zeigen allein war in jenen Tagen der geheimen Staatspolizei gefährlich. Und die Wirkung der Zeichnungen so gegen alles Nationalsozialistische, daß von den damaligen Machthabern, wenn sie die Blätter hätten ablesen können, bei Klee mehr als nur Haussuchungen durchgeführt worden wären.“

Alexander Zschokke (Bildhauer und Professor seines Faches), „Begegnung mit Paul Klee“, Erstveröffentlichung in der Schweizerischen Monatszeitschrift „Du“, 1948, in: „Paul Klee 1933“, Ausstellungskatalog, 2003, S. 309.

Paul Klee (1879-1940) wurde von den Machthabern des deutschen faschistischen Regimes drangsaliert, denunziert und verfolgt. Der als „kulturbolschewistisch“ abgewertete Künstler wird vom kurz zuvor berufenen Amt als Professor der Kunstakademie Düsseldorf im April 1933 fristlos entlassen. Im Dezember des Jahres verläßt er Deutschland in die Schweiz.
Als engagierte Verarbeitung dieser umfassenden gesellschaftlichen Bedrohung entstehen _ 1933 über 200 Bleistift und Fettkreidezeichnungen, die spöttisch und ironisch die Autorität, den Militarismus, den Antisemitismus und das Kunstverständnis des Regimes thematisieren.
Dieser Schaffenszyklus galt lange als verloren, wurde 1984 wiederentdeckt und in einer Ausstellung der Hamburger Kunsthalle („Paul Klee 1933. Der Gegenpfeil“, 12.12.’03-7.3.04) - ergänzt mit thematisch assoziierten farbigen Arbeiten - gezeigt.
Der präsentierten Auswahl von etwa 80 Blättern sind die umseitigen beiden Exemplare reproduktiv entnommen.

1) „auch ›ER‹ Dictator!“

„Gibs auf!
Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, daß es schon viel später war, als ich geglaubt hatte, ich mußte mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: ‚Von mir willst du den Weg erfahren?‘ ‚Ja‘, sagte ich, ‚da ich ihn selbst nicht finden kann.‘ ‚Gibs auf, gibs auf‘, sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.“

Franz Kafka.

Zum Bild:
Die Figur ist ohne Zweifel gebieterisch. Sie kennt kein Fragezeichen. Hier werden Folgsamkeit und Unterordnung gefordert. Das Parodistische entsteht durch die Vogelartigkeit der steif stolzierenden Person, die mit dem übergroßen Kopf, der Hakennase, dem vorgeschobenen Kiefer, der geblähten Brust rechterhand, langen Arms und gestreckten Zeigefingers auf das imperative Zeichen weist. Das streng Gebieterische kann verlacht werden.

2) „Kriechender“

„Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt. Ungern verließ er im Winter die warme Stube, im Sommer den engen Garten, der nach den Lumpen der Papierfabrik roch und über dessen Goldregen- und Fliederbäumen das hölzerne Fachwerk der alten Häuser stand.“

Heinrich Mann, „Der Untertan“, 1918.

Zum Bild:
Die rund gebeugte Kreatur bewegt sich ohne sichtbare äußere Einschüchterung auf allen Vieren fort. Der verinnerlichte Gehorsam ist zur evident erniedrigten Haltung geworden. Das ängstliche Gesicht mit den groß geöffneten Augen, der spitzen Nase und dem leidend zerfurchten Mund schaut leer verzweifelt duldend in die Kriechrichtung. Schemenhaft löst sich linksseitig ein zweites, rundes Gesicht. Die Drastik des Bildes wird gebildet durch die starke Eindeutigkeit der Positur. Der Widerspruch zu dieser psychischen Versklavung entsteht im empörten Auge des Betrachters. Man möchte diesem Menschen unbedingt aufhelfen.

3) Die zukunftsvolle Gegenwart

„An die leitenden Gestalten des Kaiserreichs („Der Untertan“) ging ich erst im Sommer 1918, wenige Monate vor seinem Zusammenbruch - dessen Zeitpunkt bis zuletzt unbestimmt war. (...)
Früh war ich nicht aufgestanden, meine Eingebung hatte nichts von Prophetie. Allerdings begann ich, als die Tatsachen noch dämmerten. Als Sonnen sind sie nicht gerade aufgegangen. Litt ich an meinen Erkenntnissen, die zu der gleichen Zeit ein jeder hätte empfangen können? War ich ein Kämpfer? Ich gestaltete, was ich sah, und suchte mein Wissen überzeugend, wenn es hoch kam, auch anwendbar zu machen.“

Heinrich Mann, „Ein Zeitalter wird besichtigt“, 1944, S. 245 (Fischer Tb).

Soziale Verantwortung beginnt damit, die erkannte, erfahrene, tradierte oder empfundene Wahrheit nicht zu leugnen, sondern anzuerkennen, zu begründen und zu verbreiten. Verbündete werden sich finden.
Krieg ist nicht Frieden, Elend nicht Wohlfahrt, Autorität nicht Wohltat, Täuschung nicht Klugheit, Taktik nicht Mut ...
Die couragierte Position an jedem Ort verlangt die Reflexion der Folgen eigenen Handelns.
Der Sinn der Vernunft ist besonders die bewegende Verbreitung befreiender Einsichten.

Zum Geleit III - vom 20. Oktober 2004

Bis ins Detail will „Wissenschafts“-Senator Dräger die Uni kontrollieren: Alle demokratischen Errungenschaften, kritischen wissenschaftlichen Tradierungen und engagiert-augeklärten Kooperationszusammenhänge sollen geschliffen werden. Menschen und Wissenschaften will er zu willfährigen Instrumenten seiner privat-wirtschaftlich dominierten Politik gezwungen wissen. Das macht niemand freiwillig mit. Daher greift er zum Diktat und begibt sich in die Nähe des Verfassungsbruchs. Die Universität prüfe, wie sie ihre demokratische Autonomie verteidige!

Die Freiheit der Verantwortung
Einige Gedanken zu einem Verfassungsgebot

0) Der Akademische Senat

„Mein persönliches Bekenntnis zur Demokratie geht aus einer Einsicht hervor, die gewonnen sein wollte und meiner deutsch-bürgerlich-geistigen Herkunft und Erziehung ursprünglich fremd war: die Einsicht, daß das Politische und Soziale ein Teilgebiet des Menschlichen ausmacht, daß es der Totalität des humanen Problems angehört, vom Geiste in sie einzubeziehen ist, und daß diese Totalität eine gefährliche, die Kultur gefährdende Lücke aufweist, wenn es ihr an dem politischen, dem sozialen Element gebricht.“

Thomas Mann, „Kultur und Politik“, 1939.

Jeder Senat ist ein politisches Gremium. Die Repräsentativität der dort versammelten gewählten Mitglieder bedeutet eine hohe allgemeine persönliche Verantwortung für die vertretene Gemeinschaft. Die Universität ist die Republik der Wissenschaften. Die gute Debatte bildet die notwendige Substanz der Beschlüsse.

1) Drägeriaden

„Die Republik muß weise sein. Von dem scharfen Instrument des Ausnahmezustandes mache sie niemals ohne letzte Not Gebrauch. Jede Maßnahme, die irgendwie an die Methoden des alten Systems erinnert, läßt weite Kreise des Volkes an der Demokratie zweifeln, schafft Erbitterung und Gleichgültigkeit. Nichts Schlimmeres könnte der Republik widerfahren als eine Verdrossenheit gerade der Volksschichten, die sie zu ihrer Verteidigung braucht und die nach ihrer ganzen Denkungsart zu ihr gehören.“

Carl von Ossietzky, "Der Aufmarsch der Reaktion", "Berliner Volks-Zeitung", 31. Januar 1920.

Hinter dem dünnen Schleier der Hochschulautonomie wird angeordnet: Fakultätenbildung, gestufte Abschlüsse, Zerschneidung der Geistes- und Kulturwissenschaften, Verbot von demokratischen Strukturen der akademischen Selbstverwaltung etc. Hier lauert der Zentralismus von Befehl und Gehorsam oder straffer Unternehmensführung. Just in time, Augen gerrradeaus...! Es grüßt technisch kühl die verwachsende Stadt.

2) Die Freiheit von, die Freiheit für

„Ich traute nicht diesem Preußen, diesem langen, frömmmelnden Kamaschenheld mit dem großen Maule und mit dem Korporalstock, den er erst in Weihwasser taucht, ehe er damit zuschlägt. Mir mißfiel dieses philosophisch christliche Soldatentum, dieses Gemengsel von Weißbier, Lüge und Sand.“

Heinrich Heine, „Französische Zustände“, Vorrede, Paris 1832.

Die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Wissenschaft ist grundrechtlich garantiert. Im Potsdamer Abkommen vom August 1945 wurden die Leitlinien und Grundsätze für das von Faschismus und Krieg befreite Deutschland durch die Anti-Hitler-Koalition gefaßt: völlige Abrüstung und Entmilitarisierung; die Beseitigung von Organisationen und Doktrinen des „Nationalsozialismus“ und des Militarismus; die Ausgrenzung von Nazi-Funktionären aus öffentlichen und wichtigen nichtöffentlichen Funktionen; die Bestrafung der Kriegsverbrecher; die Demokratisierung des öffentlichen Lebens; die Beseitigung der Rüstungsindustrie; die Einschränkung und Kontrolle der Schwerindustrie und die Beseitigung von wirtschaftlichen Konzentrationen bzw. Monopolen.
Viele dieser sozialen humanistischen Optionen fanden Eingang in die Programme der Parteien und die allgemeinen Hoffnungen einer neuen Entwicklung. Sogar im „Ahlener Programm“ der CDU von 1947 war von „Sozialisierungen“ die Rede.
In abgeschwächter Form kommen diese Grundsätze auch im 1949 verabschiedeten Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck: in den Grundrechten; in der Sozialpflichtigkeit des Eigentums; im Sozialstaatsprinzip; in der Möglichkeit von Sozialisierungen; im Asylrecht; in dem Verbot der Todesstrafe; im Verbot des Angriffskrieges; in der Minimierung der Präsidialmacht; im föderalen Staatsaufbau ...
Verfassungsnorm und Verfassungsrealität sind nicht kongruent. Es darf ein bißchen mehr sein. Die „Freiheit von Forschung und Lehre“ ist in den historischen Kontext der Verfassungsnorm einzuordnen. Die Drägeriaden unterschreiten konkret den prinzipiellen Impetus der Verfassung. Die Opposition gegen diese Einschränkungen hat die Chance zur Verwirklichung der Trias von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ (Solidarität). Das Bild der Freiheit hat diesen Rahmen.

Zum Geleit IV - vom 17. November 2004

Der Druck von Rechts auf die demokratische Massenuniversität ist hoch. Die Möglichkeiten, sich nicht zu beugen, sondern die soziale Offenheit, die kollegiale Zusammenarbeit und die kritische Inhaltlichkeit einiger Wissenschaften für ein wirksames Contra produktiv zu machen auch. Kleine Erfolge der Verallgemeinerung humanistischer Maßstäbe der Universität - zum Beispiel durch lebendige, gleichberechtigte Kooperation in den Gremien und Wissenschaften entgegen der beabsichtigten Hierarchisierung oder durch ein klares Nein zu Studiengebühren - können hohe Dynamik haben, wenn daran deutlich wird, daß nicht ewig jede Veränderung eine Verschlechterung sein muß. Damit haben Gremien wie der Akademische Senat eine gesteigerte Verantwortung. Wird aus der teilweise verwirklichten formalen Gleichberechtigung der Universitätsmitglieder echte produktive Gleichheit? Oder gewinnt der Marktwert auch in der Kultur zwischen Kollegen und Kommilitonen die Oberhand? Manchen, auch im AS, ist diese Herausforderung eine Überforderung; die Restriktionen des Rechtssenats werden einfach „nach unten“ weitergereicht; errungene Rechte wie die gleichberechtigte Teilnahme von AS-Mitgliedern und Stellvertretern werden leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Das erfordert prinzipielles Contra:

1) Der Verfassungsrahmen

„Zwanzig Jahre lang habe ich geglaubt, es sei Spaß. Es ist Ernst? Könnt ihr haben.“

Kurt Tucholsky, „Schnipsel“, 1930.

Die unveräußerlichen Grundrechte (siehe Artikel 19) des Grundgesetzes schließen die Würde des Menschen (Artikel 1), die Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), das - mittlerweile stark eingeschränkte - Asylrecht (Artikel 17) und sogar die Vergesellschaftung von Grund, Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln (Artikel 15) ein. Eine bestimmte Wirtschaftsordnung ist nicht definitiv festgelegt.
Die positive historische Zäsur von 1945 bildete die Grundlage für die volle Konstituierung der bürgerlichen Rechte, die unter dem barbarischen Nazi-Regime mit Stiefeln getreten wurden.
Freiheit und Gleichheit sind aktuell gesellschaftlich umstritten.
Die Verfassungsnormen bedürfen der sozialen Konsequenz und Praxis.

2) Wer darf alles unter Brücken schlafen?

„Elsaß und Lothringen kann ich freilich dem Deutschen Reiche nicht so leicht einverleiben, wie ihr es tut, denn die Leute in jenen Ländern hängen fest an Frankreich wegen der Rechte, die sie durch die französische Staatsumwälzung gewonnen, wegen jener Gleichheitsgesetze und freien Institutionen, die dem bürgerlichen Gemüte sehr angenehm sind, aber dem Magen der großen Menge dennoch vieles zu wünschen übriglassen.“

Heinrich Heine, Vorwort zu „Deutschland - Ein Wintermärchen“; Hamburg, den 17. September 1844.

Zwischen Gloria von Thurn und Taxis und Erna Meier bestehen immer noch gewisse Unterschiede. Der Bundeskanzler läßt sich vom „Arbeitgebertag“ belobigen. Die Massenerwerbslosigkeit sinkt nicht. Die Verzweiflung steigt mit der Hetze. Die Kultiviertheit der Gesellschaft ist nicht befriedigend. Die sozialen Barrieren vor Bildung, Kultur und Gesundheit werden erhöht. Wer sich umdreht oder lacht, dem wird der Garaus gemacht.
Zufrieden?

3) Auf gleicher Höhe

„Me-ti sagte: Erst wenn die Gleichheit der Bedingungen geschaffen ist, kann von Ungleichheit gesprochen werden. Erst wenn die Füße aller gleich hoch stehen, kann entschieden werden, wer höher ragt als andere.“

Bertolt Brecht, „Me-ti/Buch der Wendungen“.

Wer sich als gleich begreift, kann allgemeine Voraussetzungen schaffen, die Gutes bewirken.
Staunen, Lernen, Horizonte schaffen, Zusammenwirken überschreitet Hadern, Hecheln,
Heucheln, Hangeln und Bangeln.
Neugierig?

4) Der Mut zur berechtigten Kontrahenz

„Zum Schluß möchte ich noch einmal betonen, dass ich als Schriftstellerin das Recht habe, meine Ansichten und Überzeugungen zu äußern. Als freie Bürgerin Indiens habe ich das Recht an jeder friedlichen dharna, jeder Demonstration und jedem Protestmarsch teilzunehmen. Ich habe das Recht, jedes Urteil jedes Gerichts zu kritisieren, wenn ich es für ungerecht halte. Ich habe das Recht, mit den Menschen gemeinsame Sache zu machen, mit denen ich übereinstimme.“

Arundhati Roy, „Über das Bürgerrecht auf freie Meinungsäußerung“, 2001.

Die nunmehr blaue Polizei bewacht das Lächeln des Bürgermeisters.
Die soziale Ungleichheit wächst unter der Doktrin der "wachsenden Stadt". Mit dem stummen Zwang der Geschäfte im Nacken werden Wissen und Freude klein geschrieben.
Die Universität soll zerschlagen werden.
Hier lohnt sich sehr die Opposition.
Einverstanden?

Zum Geleit V - vom 9. Dezember 2004

Wie (un-)wirksam der politische Senat in der Durchsetzung seiner Politik ist, hängt davon ab, wie sehr sich dagegen die Universität auf Grundlage ihrer aufklärerischen Tradition mit der Absicht, für eine menschenwürdige Transformation der Gesellschaft zu wirken, entfaltet. Die Freiheit der mündigen, gleichen, einander nützenden Bürger ist gegen die Ellenbogen-„Freiheit“ des Konkurrenzkampfes in gemeinsamer Verantwortung zu schaffen. Gute Absichten müssen zu erfreulichen Taten werden!

1) Die praktische Relevanz der Maßstäbe

„Die Sinngedichte an den Leser
Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? - Nein.
Wir wollen weniger erhoben
Und fleißiger gelesen sein.“

G.E. Lessing, „Sinngedichte“, 1753-1771.

In ihrem Leitbild hat die Universität Marksteine für ihre eigene, in der Gesellschaft verankerte und wirkende Entwicklung gesetzt: Eine gerechte, demokratische und friedliche Welt; entwicklungsfreudige und sich einmischende Wissenschaften; internationale Offenheit und freimütiger Zugang zu den Lerngebieten; verantwortungsvolle Mittlerin zwischen Theorie und Praxis; dienend dem Wohl der Menschen, in der Erfüllung öffentlicher und gesellschaftlicher Aufgaben - in der Einheit ihrer Vielfalt der Fächer sei die Universität „Tor zur Welt der Wissenschaft“.
Ist dies unter der Drägerknute dem bänglichen Vergessen anheimgestellt?
Kommt in turbulenten Zeiten die Humanität in die Schublade?
Mag das Gute (von 1998!) „schon ganz mit historischem Edelrost überzogen“ sein?

2) Die Bedeutung der Welt

„Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten.
Es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker birschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen
Und sprach: der Zehente ist mein.“

Friedrich Schiller, „Die Teilung der Erde“.

Die Welt hält viele zu lösende Probleme bereit.
Das Glück wohnt nicht auf den Spitzen der Börsenkurse.
Der Alltag kennt keine wahren Fluchtreviere.
Vor die Wahl sind Alle gestellt: Teil des Problems oder Teil der Lösung?
Humanität ist grenzenlos.

3) Getätigte Aussichten

„Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren.
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.“

Friedrich Schiller, „Hoffnung“.

Die Überwindung des gegenwärtigen Wahns lagert, keimhaft, im jeweils eigenen Unbehagen, das nicht ruht.
Nein zu sagen ist der Beginn der Alternative.
Jede Äußerung in diesem Sinne ist relevant.
Die Konsequenz des Wortes ist die Tat.
Wahlverwandtschaften werden zunehmend deutlich und Erfahrung.
Die Erinnerung an bessere Zeiten (in memoriam)
oder gewonnene Einsichten
oder bewegende Taten
oder verkniffene Wahrheiten
oder verpatzte Einsätze
oder bessere Zeiten (in spe)
ist ein befreiendes Ereignis.

4) Die Kraft der Aufklärung

„Nur das geistige Gewissen hält Stand - wenn ein gefühls- und gewohnheitsmäßiges Pflichtgefühl schon längst nachläßt.“

Heinrich Mann, „Die Macht des Wortes“, 1935.

Die Krise der Zivilisation verlangt geistige und demokratische Souveränität.
Die Wissenschaften sind ein Terrain geistig-kulturellen Erbes und mögliches Fundament für positive Zukunftsentwürfe, die ein Contra bilden zu dem fatalistischen mainstream, der hinter den gleißenden Verheißungen einer hetzenden Welt vernehmlich murmelt.
Die Einsicht in Zusammenhänge, Ursachen, Verlaufsformen, Widersprüche und alternierende Möglichkeiten der Entwicklung einer problematischen Welt ist die erste - auch demokratische - Aufgabe einer geistigen Institution. Einmischung kann bewegen und der Vielzahl nützlich sein.
Wer für diese Einrichtung politisch gewählt worden ist, hat dafür eine besondere Verantwortung.
Ist die Entscheidung dafür getroffen, ist Zeit dafür immer vorhanden.


III. Demokratische Einheit und kooperative Fächervielfalt - Zum Struktur- und Entwicklungsplan der Universität

Nach geltendem Hochschulgesetz liegt die Kompetenz der Aufstellung eines Struktur- und Entwicklungsplanes der Universität beim Uni-Präsidium. Der Hochschulrat - das zur wirtschaftskonformen Kontrolle der Universität von „Wissenschafts“senator Dräger erzwungene neue Gremium - muß diesen Plan genehmigen. Der Akademische Senat hat die Pflicht zur Stellungnahme, diese muß der Hochschulrat berücksichtigen. Durch den vehementen Kampf für den Erhalt der demokratischen und kollegialen Selbstverwaltung der Universität ist es gelungen, das Präsidium zu relativ enger Kooperation mit dem AS und seinen Ausschüssen in diesen grundsätzlichen Entwicklungsangelegenheiten zu bringen. Der Akademische Senat als gesamtuniversitäres Gremium bringt in seiner Stellungnahme zum Ausdruck, daß er eine wesentliche Veränderung der Hochschulpolitik des politischen Senats sowie die bewußte Aufhebung der demokratischen Geschichte und der humanistischen Werte der Universität für ihre gesellschaftlich nützliche Entwicklung für unabdingbar hält. Scharfe Kritik äußert er an der beabsichtigten Zerstückelung der Universität, den geplanten Fächerstreichungen sowie an der Unterfinanzierung, an der Entdemokratisierung und an der Verflachung des Studiums. Auszüge aus der vom AS einstimmig verabschiedeten Stellungnahme vom 23. September 2004 seien hier zitiert:

„Der Akademische Senat der Universität Hamburg begrüßt es, dass der vom Präsidium dem Hochschulrat vorgelegte Entwurf einer Struktur- und Entwicklungsplanung (STEP) sich in vielen Teilen an Beschlüssen über Grundsätze und Entwicklungsperspektiven der Universität orientiert, die im Akademischen Senat gefasst worden sind. Verwiesen sei hier insbesondere auf das Leitbild der Universität sowie den Beschluss des Senats vom 27. Mai 2004 ‚Entwicklungsperspektiven der Universität Hamburg‘

In den vorliegenden Beschlüssen der Universität wird betont, dass sie als Einheit mit gemeinschaftlicher Verantwortung über ihre verschiedenen Bereiche erhalten bleiben will.

Wegen seiner aktuellen und grundsätzlichen Bedeutung sei hier der Konsens hervorgehoben, dass die Universität die Vielfalt ihrer Fächer als eine ihrer besonderen Stärken ansieht, die sie pflegen und weiterentwickeln will. Der Akademische Senat fordert deshalb eine Übereinstimmung zwischen den genannten Grundsätzen und den konkreten Maßnahmen für die Hochschulentwicklung.

Konsens besteht ferner darüber, dass die Universität eingedenk ihrer besonderen Geschichte als demokratische Gründung an ihrer Tradition festhalten will, ihre Planung und Gestaltung in Kooperation und im Diskurs ihrer Mitglieder zu entwickeln. Die Universität will dies in ihrer Grundordnung sichern. Lehre und Studium sollen im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen, Veränderungen in der Arbeitswelt und Implikationen technologischer Innovationen weiterentwickelt werden. Dies wird am ehesten durch Beteiligung aller Gruppen an der akademischen Selbstverwaltung gewährleistet.

Es versteht sich von selbst, dass die Universität anstrebt, beste Leistungen in der Forschung und in der Lehre zu erbringen. Dieses Ziel kann aber nur realisiert werden, wenn dafür geeignete, verläßliche hochschulpolitische und materielle Rahmenbedingungen vorhanden sind. Dies jedoch ist gegenwärtig nicht der Fall. Die strukturelle Unterfinanzierung der Universität ist bekannt und empirisch belegt. In verschiedenen Stellungnahmen hat die Universität auf etliche Aspekte hingewiesen, in denen die vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg am 17. Juni 2003 verabschiedeten ‚Staatlichen Leitlinien‘ ungeeignet bis kontraproduktiv dafür sind, Qualitätsverbesserungen zu erreichen (siehe hierzu z.B. Zukunftsprojekt ‚Exzellenz durch vernetzte Vielfalt‘). Hingewiesen wurde etwa darauf, dass empirisch gänzlich ungesicherte Unterstellungen über die Erfolgsquoten Studierender den Personalplanungen zugrundegelegt werden. In Verbindung damit sind Annahmen über die ‚Verbesserung‘ der Studiensituation bei gleichzeitigem Personalabbau vollkommen spekulativ. Ein anderes Beispiel betrifft die Annahme, dass es sich auf Absolventenquoten positiv auswirke, wenn die Hochschulen selbst eine Auswahl der Studierenden vornehme. Positive Effekte sind aber nur dann zu erwarten, wenn sorgfältig entwickelte und geprüfte Verfahren eingesetzt werden und die materiellen Rahmenbedingungen für ihren Einsatz gegeben sind. Dies aber trifft mindestens für die Fächergruppen, in denen große Zahlen Studierender wissenschaftlich auszubilden sind, gegenwärtig nicht zu. Der mit der ‚Berechtigung‘ der Universität zur Auswahl von Studierenden verbundene beträchtliche zusätzliche Aufwand, den die Fächer mit großen Studierendenzahlen zu erbringen haben, ist in keiner Weise in den Personal- und Budgetplanungen berücksichtigt.
Entsprechende Budget- und Personalmittel sollten auch für die fachliche Förderung der Studierenden im Studienverlauf bereit gestellt werden, weil dies für die Studienerfolgsquote von noch größerer Bedeutung als die Studierendenauswahl ist.

Im Entwurf der Struktur- und Entwicklungsplanung des Präsidiums wird solche Kritik zum Teil nicht genügend deutlich. Der Akademische Senat weist darauf hin, dass zahlreiche Formulierungen im Entwurf des STEP nur als Absichtsbekundungen verstanden werden dürfen, die nur realisiert werden können, wenn geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. (...)

Der Akademische Senat hält insbesondere die von der ‚Dohnanyi-Kommission‘ zugrunde gelegte Ausrichtung der Universitätsentwicklung allein am - zudem wissenschaftlich unseriös - prognostizierten Qualifikationsbedarf der Stadt weder für verfassungsrechtlich zulässig noch für gesellschaftlich verantwortbar. Die Studiennachfrage ist als Ausdruck grundrechtlich verankerter Freiheitsverwirklichung in besonderer Weise zu berücksichtigen. Die durch die ‚Leitlinien‘ festgelegten Studienplatzkapazitäten lehnt der Akademische Senat ab. (...)

Der Akademische Senat weist darauf hin, dass die Vorgaben der politischen ‚Leitlinien’ zur Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger und Absolventinnen und Absolventen falsch sind und ihre Änderung unbedingt anzustreben ist. Dabei sind auch die Studienwünsche der Studierenden zu berücksichtigen.

Bei der Umstellung auf B/M-Studiengänge ist zu bedenken, dass die Akzeptanz des BA-Abschlusses auf Seiten der Arbeitgeber bislang keineswegs gesichert ist. Auch stellen nicht alle Bundesländer ihre Studiengänge konsequent um. Die Beobachtung und Gestaltung der entsprechenden Entwicklungen und die Pluralität der Studienabschlüsse sind daher unerlässlich für die Zukunftsplanung der Studienangebote. Für Bereiche, in denen dies zweckmäßig ist, sollte die Möglichkeit offengehalten werden, die bisherigen Studiengänge beizubehalten.

Der Akademische Senat weist im übrigen darauf hin, dass die Umstellung der Studiengänge, die studienbegleitenden Prüfungen und das Leistungspunktesystem erheblich Arbeitskräfte bindend sind, ohne dass dadurch zwangsläufig die Betreuung der Studierenden verbessert werde. Dies muss bei der Bereitstellung der Kapazitäten berücksichtigt werden. (...)“


IV. Für kritische Lehrerbildung!

Der Rechtssenat plant insbesondere mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen für Lehrämter die inhaltliche Verflachung der Lehrerausbildung und ihre Festlegung auf das dreigliedrige Schulsystem. Dieses ist wesentlich verantwortlich für die starke Abhängigkeit des Bildungserfolgs von Schülerinnen und Schülern von ihrer sozialen Herkunft. Gegen diese Absichten wendet sich die Universität in aller Schärfe und zeigt dabei exemplarisch, aus welchem Reichtum wissenschaftlicher Erfahrung sich Kritik und Aussicht gegen den Rechtssenat entwickeln lassen. Der Beschluß wurde am 26. August 2004 einmütig gefaßt:

„»Habitus forschendes Lernen

Die Universitätsausbildung vermittelt nicht lediglich Fachwissen oder Methodenkompetenz, sondern grundlegender einen Habitus, der sich mit Jerome Brunder als forschendes Lernen bezeichnen lässt. Diese Haltung ist als Kernbeitrag der Universität zur Lehrerbildung zu verstehen, auf den die anderen Phasen aufbauen müssen. Die Studierenden sollen lernen, sich theoretisches Wissen nicht nur rezeptiv und lediglich für den Zweck der Ausbildung anzueignen, sondern dieses Wissen reflexiv auf Praxis, das heißt auf empirisch vorfindliche Situationen und Probleme ihres Berufsfeldes, zu beziehen. Diese Situationen und Probleme sind nicht einfach nur Anwendungsfälle des vorab konstituierten Wissens, vielmehr kommt es darauf an, das vorhandene Theoriewissen zur Analyse und Gestaltung des Berufsfeldes nutzbar zu machen.

Das kann enger oder weiter verstanden werden. Von vorrangiger Bedeutung wäre etwa die Nutzung des Ausbildungswissens, darunter nachdrücklich auch das der Fachwissenschaften, zur fortlaufenden Innovation des Schulwissens, eine Aufgabe, die in der heutigen Ausbildung vernachlässigt wird. Kaum weniger wichtig ist es, die Erwartungen im Blick auf Unterrichtsmethoden zu korrigieren. Die Situationen und Probleme der Berufspraxis müssen in ihren allgemeinen Strukturen verstanden und in ihrer jeweiligen Besonderheit erschlossen werden, ohne die Sichtweise auf die Handlungsstrategien der einzelnen Lehrkraft zu verengen. Die Sicherheitsbedürfnisse von Novizen müssen angemessen behandelt werden, aber das darf nicht dazu führen, die Komplexität des Berufsfeldes und insbesondere die inhaltlichen Anforderungen auf den Gebrauch von Unterrichtsmethoden zu reduzieren. Die Ausbildung muss den Nutzen wissenschaftlichen Wissens für die Gestaltung des Berufsfeldes kenntlich machen, was nur dann möglich ist, wenn eine forschende Haltung zur eigenen Berufstätigkeit entwickelt wird. Der Lehrberuf muss als Lern- und Entwicklungsaufgabe konzipiert sein, die sich ohne Forschungsbezug nicht verwirklichen lässt. Das schließt die Bereitschaft und Fähigkeit zu experimentierendem Handeln und dessen Evaluation mit ein.«

Aus: Reform der Lehrerbildung in Hamburg (Abschlussbericht der Hamburger Kommission Lehrerbildung): Keuffer und Oelkers (Hrsg), 2001; S. 32ff.

In Hamburg wurde 1999 mit der Einsetzung der Hamburger Kommission Lehrerbildung ein umfassender, weitreichender und fundierter Prozess der Reform der Lehrerbildung begonnen. Der Abschlussbericht dieser Kommission stellte fest, dass sich die Lehrerbildung in Hamburg positiv auszeichnet durch:

— die Integration der Fachdidaktiken in den Fachbereich Erziehungswissenschaft,
— die Konzentration der Lehrerausbildung für Sonderschulen im Fachbereich Erziehungswissenschaft,
— den vergleichsweise guten Ausbaustand von Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik,
— den vergleichsweise hohen Stundenanteil der schulpraktischen sowie erziehungswissenschaftlichen/fachdidaktischen Studien am Gesamtvolumen der Ausbildung sowie
— die angenäherte Gleichbehandlung der Schulform- und Stufen übergreifenden Ausbildungen.

Auf dieser Grundlage wurden seit 2001 zahlreiche Reformschritte zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung im Sinne forschenden Lernens umgesetzt, um so die Einheit des fachwissenschaftlichen, vermittlungswissenschaftlichen und erziehungswissenschaftlichen Studiums als Voraussetzung für ein tatsächlich wissenschaftliches, die sozio-kulturellen Voraussetzungen der Lehrerbildung reflektierendes und auf die demokratische und entfaltungsorientierte Erweiterung bestehender Bildungsmöglichkeiten gerichtetes Studium zu realisieren. Nach diesen Maßstäben ist der begonnene Reformprozess fortzusetzen.

Jüngst hat eine Kommission der OECD festgestellt, dass die deutsche gegliederte Schule zu einem »vergangenen gesellschaftlichen und sozialen System« gehört. Breite Übereinstimmung herrscht in Fachkreisen darüber, dass eine der problematischen Systembedingungen die Selektionsorientierung ist, die sich u.a. in unterschiedlichen Schulformen manifestiert. Renommierte Schulforscher sehen die Notwendigkeit, das deutsche Schulsystem zu einem Gesamtschulsystem zu entwickeln und dort nach Schulstufen und nicht nach Schulformen zu untergliedern. Dafür ist die gegenwärtige Struktur der Lehrerbildung in Hamburg besonders gut gerüstet.

Deshalb nimmt der Akademische Senat wie folgt zu den Eckpunkten der Einführung des Bachelor/Master-Systems in der Hamburger Lehrerausbildung Stellung:

1. Der Akademische Senat begrüßt die in den ‚Eckpunkten‘ zum Ausdruck kommende Haltung der Behörde für Bildung und Sport und der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit zu dem seit 2001 stattfindenden Reformprozess der Lehrerbildung in Hamburg. Er sieht in dieser Position eine positive Wertung der bisher geleisteten Reformarbeit und eine Aufforderung, die Reformbemühungen unter Erhaltung der bisher erreichten und bundesweit anerkannten Standards auch künftig unter den neuen strukturellen Rahmenbedingungen der Lehrerausbildung fortzusetzen.

2. Der Akademische Senat hält es für richtig, dass mit den ‚Eckpunkten‘ der Versuch unternommen wird, den derzeit stattfindenden Reformprozess der universitären Studiengänge mit dem Reformprozess der Lehrerausbildung zumindest zeitlich miteinander zu verknüpfen. Da die ‚Eckpunkte‘ aber deutlich erkennen lassen, dass der Reformprozess der Lehrerausbildung von anderen Zielvorstellungen als die Reform der universitären Studiengänge ausgeht, hält er es für notwendig, die Prämissen und Ziele der beiden Reformprozesse aufeinander zu beziehen.

3. Der Akademische Senat hält es auch für richtig, dass die ‚Eckpunkte‘ ein konsekutives Modell mit der strikten Trennung in eine fachwissenschaftlich orientierte Bachelorphase und eine erziehungswissenschaftlich/fachdidaktisch orientierte Masterphase ablehnen. Insofern begrüßt der Akademische Senat, dass die Entscheidung über die Gestaltung der Bachelor/Master-Struktur hinsichtlich der Anteile und der zeitlichen Aufteilung der konstitutiven Elemente der Lehrerausbildung (Fachwissenschaften, Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft) offen gehalten worden ist und gemeinsam mit den an der Lehrerausbildung beteiligten Einrichtungen getroffen werden soll.

4. Der Akademische Senat sieht in dem Wechsel der Lehrerausbildung von der Schulstufenbezogenheit auf die Schulformbezogenheit das Bestreben, den bereits mit der Lehrerprüfungsordnung von 1982 erreichten Ausbildungsstandard aufzugeben. Dies stellt einen gravierenden Rückschritt in den bisherigen Reformbemühungen dar. Dieser Wechsel ist geeignet, eine im internationalen Vergleich besonders deutlich hervorgetretene Schwäche des deutschen Schulsystems, die durch die Trennung in Schulformen früh angelegte soziale Selektion, nun sogar strukturell zu verstärken. Die Behörden werden dringend gebeten, diese Entscheidung zu revidieren.

5. Der Akademische Senat kann keinen vernünftigen Grund erkennen, warum mit der vorgesehenen Differenzierung der Dauer der Lehramtsstudiengänge das bisher bewährte Prinzip der gleichen Dauer und somit der Gleichwertigkeit der Lehrämter hinsichtlich ihres wissenschaftlichen Anspruchs und der geforderten schulpraktischen Befähigungen aufgegeben wird. Er weist auf die schwerwiegende Folge hin, dass künftig eine Gruppe von erheblich kürzer und somit deutlich schlechter ausgebildeten Lehrkräften an den Hamburger Schulen unterrichten wird. Dieses Qualifikationsdefizit trifft gerade jene Schulstufen, in denen vermittlungs- und berufswissenschaftlich besonders qualifizierte Lehrkräfte benötigt werden. Der Akademische Senat fordert die Behörden auf, für alle Lehramtsstudiengänge eine Studiendauer von 3 + 2 Jahren vorzusehen.

6. Der Akademische Senat erklärt die Bereitschaft der Universität Hamburg, sich an der Einführung eines Bachelor/Master-Systems für Lehramtsstudiengänge in Hamburg aktiv mit dem Ziel zu beteiligen, die Chancen des Bachelor/Master-Systems für eine qualitative Verbesserung der Lehrerbildung optimal zu nutzen. Die Universität betrachtet dabei als Grundlage ihrer Mitwirkung, dass die folgenden Prämissen von den beiden Behörden geteilt werden:

— Alle Lehramtsstudiengänge müssen als gleichwertige universitäre Studiengänge erhalten bleiben.

— Die Lehramtsstudiengänge müssen weiterhin aus zwei Unterrichtsfächern, der Erziehungswissenschaft, der Fachdidaktik und allgemeinen Qualifikationsanteilen bestehen, die während des Studiums synchron und aufeinander bezogen entwickelt werden. Die Studienanteile für Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik sollten dabei nicht verringert werden.

— Für Studierende, die erst nach einem fachwissenschaftlichen Bachelorabschluss, der nicht kompatibel ist mit einem Lehramtsbachelor, das Ziel Lehramt Oberstufe an allgemein bildenden Schulen anstreben, soll es die Möglichkeit zu einem Quereinstieg im Rahmen des Master-Studienganges geben.

— Die Relationen zwischen den Studienanteilen (Unterrichtsfächer-Erziehungswissenschaft-Fachdidaktik-Allgemeine berufsqualifizierende Kompetenzen) sind einvernehmlich zu klären.

— Die bisher erarbeiteten Kerncurricula sollen die Grundlage für die Studiengänge bilden.

— Die prioritären Themen (Neue Medien als Mittel und Gegenstand von Lehren und Lernen, Schulentwicklung und Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität) sollen in den neuen Studiengängen angemessen berücksichtigt werden.

— Die Studiengänge sollen möglichst frühzeitig begleitete Praxis vorsehen.

— Das Verhältnis zwischen den akademischen Studienabschlüssen (Bachelor, Master) und dem Staatsexamen ist zu klären. Doppelte Prüfungen (z. B. erst Master-Abschluss aufgrund von studienbegleitenden Modulprüfungen und dann punktuelles Staatsexamen traditioneller Art) erscheinen nicht sinnvoll. Der staatliche Einfluss (durch die Behörde für Bildung und Sport) auf die Gestaltung der Curricula, Prüfungsordnungen und Prüfungen muss im Einvernehmen mit der Universität geklärt werden.

7. In diesem Sinne bittet die Universität Hamburg die Behörden, möglichst sofort in die behördlichen Überlegungen zur Gestaltung des Bachelor-Master-Studiensystems in den Lehramtsstudiengängen einbezogen zu werden.“


V. Für gutes Studieren - das Studentenwerk erhalten!

Um die Kommerzialisierung der Universität vollständig durchzusetzen und den sozialen Druck auf die Studierenden empfindlich zu erhöhen, damit diese sich seinen inhaltlichen Anforderungen eher fügen, beabsichtigt der politische Senat die schrittweise Privatisierung des Studentenwerks, also des öffentlichen Trägers von Wohnheimen, Mensen, Beratungen und anderen sozialen Leistungen. Der Akademische Senat lehnt dies mit einem einmütigen Beschluß am 28.10.2004 ab:

„Stellungnahme der Universität Hamburg zum Entwurf
»Eckpunkte für eine Novellierung des Gesetzes über das Studentenwerk Hamburg«

I. Präambel

Die Universität betont ihre Verantwortung für das Studium als Ganzes und ihr Eintreten für gute soziale und kulturelle Bedingungen ihrer Mitglieder. In Leitbild und Grundordnung sind als Maßstäbe dafür u.a. soziale Offenheit, die Bildung mündiger Bürger und ihr Beitrag zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft als Aufgabe und Verpflichtung ihrer Mitglieder verankert. Diese Verantwortung umfasst die Beratung und Auswahl der Studierenden beim Übergang von der Schule zur Hochschule ebenso wie alle Prozesse, die mit dem Lernen und Lehren verbunden sind, sowie den Übergang in das Berufsleben gestalten. Auch die Felder, die für die Lebensgestaltung der Studierenden von Bedeutung sind und derzeit vom Studentenwerk betreut werden, fallen in diesem Sinne in den Verantwortungsbereich.
Um dieser Verantwortung nachkommen zu können, hat sich innerhalb der Universität und in Kooperation mit externen Einrichtungen, wie Arbeitsamt, Studentenwerk etc., ein dichtes institutionelles Netz herausgebildet. Dieses System geht von der Grundlage aus, dass die Aufgaben von derjenigen Institution wahrgenommen werden, die auf dem jeweiligen Gebiet die höchste Kompetenz aufweist. Diese partnerschaftliche Aufgabenteilung hat sich über viele Jahre hinweg sehr gut bewährt. Es wird deshalb keine Notwendigkeit zu einer grundlegenden Änderung der herausgebildeten Struktur gesehen. Dem Studentenwerk obliegt dabei die Aufgabe, daß die Studierenden unabhängig von ihren Einkommensverhältnissen gute Studienbedingungen in den Bereichen Wohnen, Essen, BAFöG und Kulturelles vorfinden. Unter dieser Prämisse teilt die Universität die Auffassung, dass im Rahmen einer kritischen Überprüfung der Aufgabenerledigung auch Bereiche identifiziert werden können, die einer vertieften Kooperation und klaren Absprache bedürfen. Dafür sind die Gremien des Studentenwerks und der Hochschulen, in denen alle Gruppen vertreten sind, der geeignete Ort.
Universität und Studentenwerk sind in ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Gesamtprozeß Studium mit ausreichenden Ressourcen durch den Staat auszustatten. Eine Übertragung der Verantwortung des Staates an Hochschulen und Studentenwerk unter gleichzeitiger Kürzung finanzieller Zuwendungen, wie in den Eckpunkten vorgesehen, wird abgelehnt.
Die Ergebnisse der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, die ein drastisches Bild der schlechten sozialen Lage der Studierenden zeichnet, unterstreichen die Notwendigkeit zu einer erweiterten staatlichen Finanzierung.

II. Stellungnahme zu einzelnen Eckpunkten

1. Rechtsstellung, Trägerschaft
Die Universität hält es für richtig, das Studentenwerk als rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts unter der Rechtsaufsicht der BWG zu belassen. Sie sieht auch in Zukunft keine Notwendigkeit für einen Wechsel von der staatlichen Trägerschaft in die Trägerschaft der Hochschulen und lehnt deshalb die für die Phase 2 geplante Überführung ab. Schon allein die Vielfalt der hamburgischen Hochschullandschaft erschwert die Zuordnung des Studentenwerks zu einzelnen Hochschulen bzw. die Einrichtung als "hochschulübergreifende" gemeinsame Einrichtung aller Hochschulen.
Die Universität sieht auch keinen überzeugenden Grund, von der bisher ausgeübten Praxis des Kontrahierungszwanges mit Ausnahmen abzuweichen. Die Komplexität der Mensabetriebe und der Wohnheimbewirtschaftung sowie die Notwendigkeit von Mischkalkulationen erfordern einen Kontrahierungszwang. Anderenfalls bestünde die große Gefahr, dass viele Standorte aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden müssten. Erhebliche soziale Härten und starker Attraktivitätsverlust von vielen Standorten wären die Folge, unter denen auch das Profil der Universität zu leiden hätte.

2. Betreuungsbereich/Aufgaben
Die Universität unterstützt die in diesem Eckpunkt dargestellte Intention der Ausweitung der Beratungs- und Serviceleistungen auf Grund ihrer Bedeutung für den Studienerfolg. Sie begrüßt die vorgenommene positive Bewertung der bisherigen Aufgabenwahrnehmung auf der Grundlage einer bewährten Arbeitsteilung zwischen Universität und Studentenwerk.
Die Universität hält die soziale, gesundheitliche und kulturelle Förderung der Studierenden zum Ausgleich sozialer Unterschiede für notwendig. Die Beschränkung auf eine reine Bereitstellung unsubventionierter Serviceleistungen würde dem sozialen Auftrag des Studentenwerks nicht gerecht.
Die soziale Lage der Studierenden steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem erfolgreichen Studium. Die Erweiterung der Service- und Beratungsaufgaben unter der Voraussetzung entsprechender Kürzungen im Mensabereich gefährdet in unverantwortlicher Weise die erfolgreiche Entwicklung von Studentenwerk und Hochschule sowie ein gutes Studium.
Die Aufgaben- und Arbeitsteilung zwischen Hochschulen und Studentenwerk sollen wie bisher in Kooperation geklärt werden.

3. Zusammenarbeit Studentenwerk - Hochschulen
Eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit dem Studentenwerk wird auch von der Universität angestrebt. Hierzu bedarf es aber weder der Übertragung der staatlichen Steuerung auf die Hochschulen noch des Abschlusses von Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Die bisherigen Organe des Studentenwerks bieten ausreichend Möglichkeit, die - häufig divergenten - Interessen der Hamburger Hochschulen gegenüber dem Leistungsangebot des Studentenwerks auszugleichen und zu realisieren.
Soziale Leistungen sollen ein allgemein nützliches Studium und persönliche Entfaltung ermöglichen. Der Studienerfolg darf nicht umgekehrt zur Voraussetzung für den Erhalt sozialer Leistungen gemacht werden, sonst verdrängen existentielle Sorgen die wissenschaftlichen Motive des Studiums. Die Universität lehnt deshalb den Vorschlag des CHE Gutachtens 56 und der Eckpunkte ab, dass die Hochschulen zukünftig über das Angebot sozialer Leistungen des Studentenwerks um ihre Studierenden konkurrieren sollen. Die Lebensbedingungen aller Studierenden müssen über das Studentenwerk staatlich gefördert werden.

4. Organe des Studentenwerks
Als positives Erbe der Selbsthilfe und als Ausdruck des demokratischen und sozialen
Anspruchs ermöglicht die mitgliedschaftliche Organisationsstruktur des Studentenwerks Mitarbeitern, Studierenden und Hochschulverwaltungen in demokratischen Gremien von der Wohnheimsselbstverwaltung bis zum Studentenwerksvorstand die weitgehend eigenverantwortliche Entwicklung des Studentenwerks. Die Eckpunkte würden die Mitglieder (Studierende, Mitarbeiter und Hochschulen) des Studentenwerks durch Hierarchisierung der Entscheidungsfindung und eine Beschneidung ihrer Rechte von der demokratischen Beteiligung an der Entwicklung des Studentenwerks ausschließen.
Alle Mitgliedergruppen des Studentenwerks sollten weiterhin über den Verwaltungsrat das Haushaltsrecht wahrnehmen können und dort wie bisher vertreten sein.

5. Wirtschaftsführung
Bei Aufrechterhaltung des staatlichen Finanzierungsniveaus hält die Universität die Gründung von Unternehmen durch das Studentenwerk zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht für erforderlich. Die angekündigte Reduzierung des staatlichen Finanzzuschusses führt zu einer deutlichen Senkung der sozialen Standards.
Kündigungen, Reduzierung der tariflichen Entlohnung um ein Drittel, Wegfall der Sonderleistungen und längere, unregelmäßige Arbeitszeiten stehen vielen Mitarbeitern des Studentenwerks bevor. Die Universität ist sich ihrer solidarischen Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern des Studentenwerks bewußt und lehnt Entlassungen und soziale Verschlechterungen ausdrücklich ab.

6. Finanzierung
Die Universität hält für die Erhöhung der Bildungsbeteiligung die bedarfsgerechte Erhöhung der direkten staatlichen Finanzierung der Hochschulen und des Studentenwerks für erforderlich, damit sie in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben auch weiterhin zu erfüllen. Eine Finanzierung des Studentenwerks indirekt über die Hochschulen, die Studierenden (z.B. über Studiengebühren oder Preissteigerungen) oder die Mitglieder (z.B. über Lohnsenkungen) lehnt die Universität ab.“