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Das „Friedensgutachten 2016“

„Wer über Fluchtursachen redet, darf über das Debakel westlicher Militärinterventionen nicht schweigen.“

Margret Johannsen, Bruno Schoch, Max M. Mutschler, Corinna Hauswedell, Jochen Hippler (Hg.): „Friedensgutachten 2016“, Münster, 2016, S. 7.

Fünf bundesdeutsche Institute haben als wesentlichen Zweck die „Friedensforschung“. Sie geben jährlich das „Friedensgutachten“ heraus. Das „Friedensgutachten 2016“ ist ein eindringlicher, analytischer, argumentativer und somit couragierter Appell, in der internationalen Politik so ziemlich alles zu ändern. Dabei agieren die Autoren als Forscher politisch; schon im Vorwort beziehen sie sich auf die 50 Jahre alte Forderung des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann: „Der Frieden ist die eigentliche Forschungslücke der Wissenschaft.“

Der Schwerpunkt dieses Jahr lautet: „Fluchtursachen in den Fokus. Verantwortung übernehmen.“ Diese Sentenz ist entgegen Horst Seehofer, Ursula von der Leyen oder Joachim Gauck ernst gemeint: Die BRD hat die Verantwortung und Möglichkeit für die Aufnahme von Flüchtlingen, bzw. für den Ausbau von Sozialstaatlichkeit und solidarische Lösungen in der EU, für sichere Fluchtrouten, legalisierte Migration, verläßliche Seenotrettung und die Beendigung von Kriegen und Konflikten auf allen Ebenen: Ökonomisch, sozial, ökologisch, kulturell und politisch. Ihre aktuelle Motivation bestimmen die Friedensforscher_innen so: „Die Enthemmung des politischen Diskurses greift auf das Establishment über (...). Diese Vergiftung der Auseinandersetzung bedroht die demokratische Kultur. Mit unserem Schwerpunkt wollen wir zur sachlichen Diskussion über die Ursachen der aktuellen Fluchtbewegungen beitragen und Vorschläge formulieren, wie sich die Folgen der humanitären Katastrophe in unserer kriegsgeschüttelten Nachbarschaft verantwortungsvoll und dem Leistungsvermögen eines reichen Landes entsprechend bewältigen lassen.“ (S. 4)

Betont wird im Weiteren, daß Interventionismus („Regimechange“) die vermeidbarste Fluchtursache ist: „Die großen, außerhalb Europas entstehenden Migrationsströme stammen vor allem aus Ländern, in die externe Mächte – westliche und östliche – direkt oder indirekt militärisch interveniert haben, nämlich Afghanistan, Irak, Libyen, Somalia, Pakistan und Syrien. Das Ergebnis: eskalierte Gewalt, Agonie, humanitäre Katastrophen und Staatszerfall.“ (S. 60) In diesem Zusammenhang wird nicht nur vor der militärischen und rüstungsmäßigen Unterstützung politischer Revolten und von Kombatanten in Bürgerkriegen gewarnt. (Auch die deutsche Bewaffnung kurdischer Peschmerga gegen den IS führe zu unkontrollierbarer Weiterverbreitung der Waffen und trage zur Gewalteskalation bei.) Das „Friedensgutachten“ verurteilt die unausgesetzten Lieferungen von Waffen an autoritäre Regimes wie Saudi-Arabien und sieht zudem keine friedensbringende Perspektive im militärischen Kampf gegen den „IS“: Im Westen seien einzig soziale Integration und polizeiliche Maßnahmen wirksam gegen das Abgleiten von Bevölkerungsgruppen in terroristische Strukturen. Ihr Terror sei nicht ursächlich auf den „IS“ zurückzuführen und gar nicht mit Krieg bekämpfbar. Der „IS“ im Orient als Produkt der US-Intervention im Irak könne zwar militärisch eingehegt werden, zerfalle dabei aber in wieder neue brutale Einheiten. Verschwinden werde er nur, wenn er auf seinem Territorium die Unterstützung der Bevölkerung verliere. Dafür sei u.a. nötig, der „naiven Vorstellung“ zu entsagen, in der „Zivilgesellschaft […] pauschal eine demokratische orientierte Alternative gegenüber dem autoritären Staat zu sehen.“ Es käme vielmehr darauf an selektiv nur solche lokalen Initiativen zu unterstützen, „die sich über konfessionelle und ethnische Grenzen hinweg für einen breiten Austausch zwischen verschiedenen Gruppen und Fraktionen und die friedliche Bearbeitung von Konflikten einsetzen.“ (S.218)

Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg und mit Waffen nicht zu erreichen.

Neunundzwanzig Autoren belegen das in siebzehn teilweise kontroversen Artikeln mit einem umfassenden Bild von den Krisen-, Konflikt- und Kriegsherden rund um Europa. Sie zeigen Alternativen für die Politik, bereichern die Friedensbewegung und lenken den Blick auf notwendige Fragestellungen für Bildung und Wissenschaft.

Das Friedensgutachten ist in Analyse und Kritik realistisch.

Daraus sind Konsequenzen zu ziehen.

Möglichkeit zur Bestellung und Textauszüge unter
www.Friedensgutachten.de