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Miteinander
Lachen

„Gerade noch hatte uns Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider in einem Leitartikel erklärt, warum Olympia wichtig und richtig für uns ist. Nun hat Andreas Toba, der deutsche Held von Rio, alle Herzen dadurch erobert, dass er trotz einer schweren Knieverletzung weitergeturnt und uns allen gezeigt hat, dass er kein »Weichei« ist. Mit welchem Überlebenswillen er seine eigene Gesundheit dem Teamgeist unterordnet, ist bewundernswert. Voller Mitgefühl und mit Tränen in den Augen verfolgen wir seinen Kampf gegen die Schmerzen und für sein Ideal. Unsere Bewunderung scheint keine Grenzen zu kennen.
Aber stimmt das? Ist es wirklich so bewundernswert, wenn ein Sportler seine eigene Gesundheit massiv schädigt, um sein Team nicht im Stich zu lassen? Als Arzt könnte ich in diesem Fall auch eine massive Selbstschädigung und ein masochistisches Verhalten diagnostizieren.
Als Kinder- und Jugendpsychiater erlebe ich, wie einmal mehr unseren Jungen ein überholtes selbstschädigendes männliches Ideal vorgelebt und eine Härte idealisiert wird, in deren Namen schon immer viel Schädliches entstanden ist.“

Michael Schulte-Markwort: „Wir sollten uns von Olympia verabschieden. Warum die Idee von Wettkämpfen im Namen einer Nation am Ende ist. Ein Plädoyer für Weicheier“, Hamburger Abendblatt, 11.8.2016.

Das schreibt kein grundsätzlicher Gegner der Olympischen Praxis, des Wettbewerbs oder des Leistungssports. Jedoch: Der Professor aus dem Uni-Klinikum Eppendorf beurteilt kritisch, daß das „Höher-Schneller-Weiter“, die kommerzialisierte Konkurrenz (für IOC, Sponsoren und Pharmaindustrie) die Gesundheit, die Würde und das zivile Miteinander der Sportler_innen schädigt. Seine ambitionierten Fragen lauten daher: „Sind wir psychisch immer noch nicht so weit, dass wir gleiche Leistungen honorieren und uns trotzdem darüber freuen können, dass »unser Sportler«, »unsere Sportlerin« gleichauf mit anderen ist? Wären zwei oder gar drei Goldmedaillen in einem Wettkampf tatsächlich weniger wert?“
Die Krise des Leistungssports ist eine Metapher für ein globales Problem: Solange es um Sieger in der Konkurrenz geht, gibt es nur Verlierer. Solange es um abstrakt-individualisierten „Erfolg“ (oder: „Versagen“) im Verhältnis zu anderen geht, ist der lachende Dritte immer der schnöde Mammon.

Parallelen zum Bildungs- und Hochschulsystem sind deutlich: Wäre es das Ende der Welt, wenn Alle eine gute wissenschaftliche (Aus-)Bildung erhielten? Wenn Studierende aus Hamburg, Harvard und Haiti gleichermaßen kluge, sozial verantwortliche und demokratisch agierende Menschen sind? Wenn Rankings und Noten beurteilt werden als Mittel der Manipulation?

Der Sinn wahrhaft menschlicher Bewegung ist die kooperative Selbstschaffung des Menschen respektive des Menschlichen: Frieden, soziale Strukturen und Gesundheit im umfassenden Sinn. Lernen ist dann die Einheit der gemeinsamen demokratische Entwicklung der Persönlichkeiten und der Gesellschaft. „Erfolg“ wäre somit die Freude der Erkenntnis und an der menschenwürdigen Gestaltung der Welt.

An den Hochschulen bedeutet dies, konsequent für eine Überwindung des Konkurrenzprinzips einzutreten.
Für Alle: ausreichende Studienplätze in Bachelor/Master/Staatsexamen, eine bedarfsgerechte staatliche Finanzierung von Bildung und Wissenschaft, Lehr- und Lernformen, die Wahrhaftigkeit, Meinungsstreit, Zusammenarbeit und auch das Lernen aus Fehlern begünstigen.
Für alle: die Möglichkeit, sich im sozialen Einklang mit den Mitmenschen zu entfalten.

„Das Lachen erhält uns vernünftiger als der Verdruß.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Minna von Barnhelm“, 1767.