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Bewußt vorwärts und das Neue begründen.

Zum 74. Jahrestag der Reichspogromnacht

„Die Nazis wissen, was sie wollen. Die loyalen Deutschen wissen nicht, was sie tun.“

Sebastian Haffner, „Germany: Jekyll & Hyde 1939 – Deutschland von innen betrachtet“, 1940/1996/1998, S. 110.

Es war in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938, als nahe der Universität die Bornplatz-Synagoge (heute Joseph-Carlebach-Platz) geschändet wurde. (Danach wurde die Synagoge auf Kosten der jüdischen Gemeinde zerstört.) Dieser Anschlag war Teil eines Pogroms, im Zuge dessen etwa vierhundert Menschen ermordet, knapp 30.000 Menschen verhaftet und mißhandelt wurden und zigtausende „jüdischer“ Geschäfte und Wohnungen, Synagogen und Kultureinrichtungen von Nazis geschändet und zerstört wurden.

In diesem Fanal spitzte sich die zynische Einheit von Raub, Mord und Schweigen zu, die den Faschismus kennzeichnet und Europa und die Welt an den Rand des Abgrunds brachte. Die gesellschaftliche Ursache dieses Absturzes war die politische Negation von Aufklärung, humaner Vernunft und sozial engagierter Demokratie – also auch all dessen, was spätestens seit der Revolution in Deutschland 1918 und der Gründung der Universität 1919 deren aufhebenswertes Erbe ausmacht.

Ein weltweites Bündnis der Humanität hat die Barbarei überwunden: Hoffnung ist immer eine Produktion, zu der alle beitragen können.

Die aufklärerischen Wurzeln dieser Bildungsstätte sind beispielhaft symbolisiert im Denkmal des Frühaufklärers Johann Georg Büsch an der Ostseite des Hauptgebäudes. Hier erinnert sie an ihre couragiert demokratischen und vertriebenen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Die Universität zwischen Humanismus und Barbarei – eine Alternative, die verpflichtet, sich im Fortgang der gemeinsamen Geschichte für die irreversible Vermenschlichung aller Verhältnisse zu positionieren.

Bedeutsam und erfreulich ist deshalb, daß durch gemeinsames Wirken von Universitätsmitgliedern und Bürgern die Universität nicht prestigesüchtig und kostspielig in die Elbe verlagert wurde, wie noch bis 2010 geplant. Dieser Erfolg solidarischen und kulturkritischen Engagements sollte, ebenso wie die erkämpfte Abschaffung von Studiengebühren, ermutigen, dem Zynismus der Geschäftswelt und Wettbewerbsgesellschaft zu widersprechen und zuwiderzuhandeln.

Denn Frieden, Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Aufklärung und eine solidarische Kultur im Alltag sind für alle nötig und gut. Die Universität kann dazu erheblich beitragen, wenn sie im historischen Bewußtsein von Zerstörungen, Kämpfen und auch Wohltaten sowie deren jeweiliger Gründe und Akteure gesellschaftlich eingreift. Diese Quellen wissenschaftlicher Ambition und Lernfreude, von Demokratisierung und Weltoffenheit sind produktiv. Als Alternative zu moderner Unterdrückung, zum Elend militanter Bankenrettung und „Austerität“, haben sie ein dynamisches Eigenleben. Teilhabe entsteht durch Teilnahme.

Mahnwache

anläßlich des 74. Jahrestags der Reichspogromnacht
am Freitag, 9. November 2012, von 1500–1630 Uhr
auf dem Joseph-Carlebach-Platz (Grindelhof).
An diesem Ort wurde im faschistischen Deutschland am 9. November 1938 die Bornplatz-Synagoge geschändet.
Veranstalter: Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA); Jüdische Gemeinde Hamburg; Universität Hamburg.