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Frieden bleibt notwendig
„Jeder Psychologe weiß, dass es hart und schwer ist, die Schwelle des Widerstands zu überwinden, die die Dressur in die Seele eines Individuums gelegt hat. Theoretische Schriften über den Staatsgedanken des Pazifismus, Diskussionen über dieses Thema müssen sein – sie bleiben völlig wirkungslos, wenn sie nicht in die Terminologie, in die Vorstellungswelt, in das Alltagsleben des einzelnen übersetzt werden.“
Kurt Tucholsky: Über wirkungsvoller Pazifismus, 1927.
Schon im besonderen Krisenjahr 2008 mahnte der US-amerikanische Ökonom Joseph Stiglitz deutlich, man könne keinen Krieg für 3 Billionen Dollar (2 Billionen Euro) führen, ohne daß dies auch innenpolitische Folgen hätte. Die besagte Summe hatten die USA seit ihrem Überfall auf den Irak 2003 bis dato ausgegeben.
Das internationale Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm meldet nun: Die Gesamtsumme der globalen Rüstungskosten erreichte allein im Jahr 2015 gemäß eigenen Studien fast 1,7 Billionen Dollar. Dies entspricht 2,3 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Daß die Bundeswehr bald mit mehr Geld rechnen kann, hat die Bundesregierung mit der mittelfristigen Finanzplanung vor wenigen Wochen beschlossen. Für 2017 ist ein Plus von 1,7 Milliarden gegenüber dem aktuellen Etat von 34,3 Milliarden Euro vereinbart.
Diesen großen Summen stehen – neben den kriegerischen Verheerungen, die damit weltweit angerichtet werden – rund 800 Millionen Hungernde gegenüber. Oder: in der Bundesrepublik lebt jedes siebte Kind von Hartz IV. (In Hamburg-Mitte ist es jedes fünfte.)
Sinnvoll und heilsam ist in diesem widersprüchlichen Zusammenhang nur eins: Der Stopp aller Forschung, Produktion, des Exports und Einsatzes von Waffen, der Rückzug der Bundeswehr aus allen Kriegs- und Krisengebieten, die menschenwürdige Aufnahme aller Flüchtlinge, ernsthafte gesellschaftliche Bemühungen für zivile Konfliktlösung und Entwicklung – überall.
Dazu gehört, jede militärische Agitation an Schulen und Hochschulen zu beenden, die Forschung über Kriegsursachen und Friedensquellen zu forcieren sowie gleichfalls nach Möglichkeiten der Konversion (Umwandlung von militärischer Produktion in zivile) zu suchen und diese in der öffentlichen Auseinandersetzung zu stärken.
Völkerverständigung und die Überwindung von Ressentiments und Gewalt bedürfen besserer sozialer und kultureller Bedingungen im gesellschaftlichen Alltag. Eine Erhöhung sozialer Etats – über die 0,88%-Grenze der „Schuldenbremse“ deutlich hinaus – für Bildung, Soziales, Kultur und Gesundheit trägt wesentlich dazu bei.
Mangel, Konkurrenz und Krieg sind keine Urkonstanten menschlichen Daseins. 2016 ist die gesellschaftliche Produktivität und der materielle wie kulturelle Reichtum für ein menschenwürdiges Leben Aller vorhanden.
Deshalb ist auch an den Hochschulen die Friedenswissenschaft zur Grundorientierung des gemeinsamen – auch öffentlichen – Wirkens zu machen. Wir schaffen das.
Das Engagement für eine bedarfsgerechte Finanzierung und für eine Zivilklausel im Hochschulgesetz bzw. in der Grundordnung der Universität für Wissenschaften, die allein friedlichen Zwecken dienen, gehört dazu. So gewinnen wir neue Bedeutung.