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Aufatmen?

Die Welt nach den US-Wahlen

„Biden und Harris hätten in einer schwierigen Zeit große Verantwortung von den Wählerinnen und Wählern übertragen bekommen, so Merkel weiter. Auch Deutschland müsse sich mehr anstrengen, beide Nationen ›müssen zusammenstehen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern‹. Merkel nannte unter anderem die Corona-Pandemie, die Erderwärmung und den Kampf gegen Terrorismus. Den Namen Donald Trump erwähnte sie mit keinem Wort.“

„Kanzlerin gratuliert Wahlsieger / Merkel verspricht den USA ›stärkere eigene Anstrengung‹”, „SPIEGELONLINE“, 9.11.2020.

„Spiegel: Wie ist die Polarisierung in der amerikanischen Gesellschaft entstanden? Lepore: Fangen wir andersrum an. Am wenigsten polarisiert waren die amerikanischen Wähler zwischen 1945 und 1968. Danach, parallel zur Einkommensungleichheit, wurde die Spaltung größer. Mit der US-Wirtschaft ging es nach dem Zweiten Weltkrieg bergauf. Das Land war nicht zerstört, die Fabriken, die Waffen produziert hatten, produzierten jetzt eben andere Güter; als Soldat bekam man seine Ausbildung vom Staat finanziert. Eine Mittelklasse entstand. Das änderte sich 1968, als Richard Nixon gewählt wurde. Er wandte sich ab von der Idee eines Wohlfahrtsstaates, er brauchte Geld für den Vietnamkrieg, die Globalisierung der Wirtschaft setzte ein. Nixon machte es eleganter als Trump, aber auch er spaltete. Und änderte das Profil der Republikaner.“

Jill Lepore, Professorin für amerikanische Geschichte an der Harvard Universität Cambridge, im Gespräch mit dem „Spiegel“ („Trump versucht, Realität zu erschaffen“), Nr. 40/7.11.2020, S. 134-135, hier S. 134.

„Es ist ein entsetzlicher Anblick, wenn der Irrationalismus populär wird. Man fühlt es, es muß ein Unglück geben, ein Unglück, wie die einseitige Überschätzung der Vernunft es niemals herbeiführen kann. Diese kann komisch sein in ihrer optimistischen Pedanterie und kann lächerlich bloßgestellt werden durch die tieferen Kräfte des Lebens; aber sie fordert nicht die Katastrophe heraus. Das tut nur die inthronisierte Unvernunft.“

Thomas Mann, „Schicksal und Aufgabe“, 1945.

„Dabei gibt es genug Arbeit für alle: in Bildung, Sorgearbeit und der öffentlichen Gesundheitsversorgung, in Parks und Bibliotheken, in Kunst und Kultur, in der Pflege unserer Gemeinschaften und in der Versorgung der Bedürftigen mit Essen, Wohnraum und anderen Dienstleistungen. Schafft man diese Jobs, werden sich Millionen auf sie bewerben.“

James K. Galbraith, Prof. für Wirtschaftswissenschaften an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs der University of Texas, „Joe Biden und die Gefahr des alten Denkens“, in: „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Nr. 11/2020, S. 71-88, hier S. 76.

Die Welt atmet auf. Der reaktionäre Irrwisch Donald Trump ist als Präsident der USA abgewählt. Dennoch: Die tiefgreifenden Probleme – ob mit oder ohne Trump, wenngleich besser ohne als mit ihm in dieser mächtigen Position – bleiben nach wie vor vorhanden bzw. dringend zu lösen.

Ohne die Beendigung von Kriegen, die strenge Beschränkung von Rüstungsexporten, kluge diplomatische Geduld, zivile Konfliktregulierung, den nachhaltigen Umbau der Rüstungsindustrie und eine wirklich hilfreiche Entwicklungshilfe wird es keine praktisch-kooperativen Beziehungen zwischen den Bevölkerungen der Welt geben können. Dazu gehört auch die Wiederaufnahme von internationalen sowie seriösen Verhandlungen über Rüstungskontrolle und den Abbau von destruktiven militärischen Kapazitäten. Gleichfalls ist die Stärkung der UNO bzw. besonders der WHO (Gesundheit) und Unesco (Bildung und Kultur) dringend zu unternehmen.

Der stringente Aufbau (möglichst öffentlicher!) Gesundheitssysteme ist nicht nur zur Überwindung der Corona-Pandemie sinnvoll und notwendig. Ebenso sind die Forcierung regenerativer Energiegewinnung sowie der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs für die Abwendung der Klimakatastrophe eindeutig erforderlich. Durch eine aktive Besteuerung und Investitionspolitik der öffentlichen Hand (Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Gesundheit, öffentliche Infrastruktur) sind relevante gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen, sinnvolle Arbeit zu schaffen, eine positive gesamtökonomische Entwicklung anzuregen und die Lebensverhältnisse der Mehrheit der Bevölkerung wesentlich zu verbessern.

Auf diese Weise und mit den entsprechenden Ergebnissen ist gleichfalls allen Demagogen, rechten Kräften und Verschwörungstheoretikern der faule Wind aus den Segeln zu nehmen.

Für diese sinnvollen Zwecke ist unausweichlich hilfreich, dem Bildungs- und Kulturbereich eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung entgegenzubringen. Da für diese positive Gesamtperspektive nur wenig mit den amtierenden Regierungen zu rechnen ist, kommt es dabei und dafür auf das gemeinschaftliche Engagement der Vielen an. Hierfür sind viele Erfahrungen und aktuelle Beispiele vorhanden. Richten wir uns erneut auf. Das ist menschlich.