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Politik: Wer vertritt das allgemeine Wohl als eigenes Bedürfnis?
„(30) Trost
Nie verläßt uns der Irrtum, doch zieht ein höher Bedürfnis
Immer den strebenden Geist leise zur Wahrheit hinan.“
Friedrich Schiller, „Tabulae Votivae“, Gedichte 1795-1802.
Der guten Absicht müssen auch gute Taten folgen, sonst verkümmern selbst die besten Anliegen zu einer faden Sonntagswolke.
Das gläubige Mitwirken an allem, was von oben kommt, birgt keine Aussicht auf Besserungen. Die Universität ist damit bereits tief in die Krise hineingeraten.
Das derzeitige Präsidium und der Akademische Senat richten sich dennoch weiter nach vulgären Marketing-Leersätzen und den Geboten der konservativen Behördenleitung.
Besonders deutlich machte dies der unsouveräne Umgang beider Organe mit den Forderungen der protestierenden Studierenden im Dezember 2009. Sämtliche waren durch das Präsidium realistisch zu erfüllen. Keine wurde erfüllt. Mindestens wäre ihnen begründet zu widersprechen gewesen.
Die Forderungen waren u.a.: Die Niederschlagung sämtlicher Mahn- und Vollstreckungsverfahren aus Studiengebühren; die Durchführung einer öffentlichen Studienreformkonferenz als Beginn einer demokratischen Studienreform „von unten“; aktives Engagement der Uni-Leitung für die Aussetzung der Anwesenheitspflicht; Verweigerung der „Flexibilisierung“ (Verlängerung) der Arbeitszeit für Hochschullehrende; Engagement für den Ausstieg aus den neoliberal manipulativen Hochschulrankings von CHE/Bertelsmann; Veröffentlichung der Gremienprotokolle über die Einsetzung von Dieter Lenzen und das öffentliche Engagement gegen die polizeiliche Räumung von besetzen Uni-Gebäuden in der Republik.
Der Akademische Senat erwies sich im Dezember als konflikt- und politikunfähig genug, die Forderungen nicht einmal zu diskutieren. Das Präsidium hatte zuvor eine ernsthafte Prüfung sämtlicher Punkte zugesagt, hatte angekündigt offenzulegen, welche rechtlichen Fesseln und behördlichen Anordnungen seiner Auffassung nach einer konstruktiven Lösung der Gebührenkonflikte im Wege stehen und hatte Sympathie für eine Distanzierung vom den CHE-Rankings signalisiert. (Zahlreiche Universitäten in der Republik sind diesen Schritt schon gegangen.) Vergessen! Selbst die sofort zugesagte Studienreformkonferenz gerät in dieser Manier zur Farce: „Was wollen wir eigentlich? – Was in Bachelor und Master besser werden soll und wie wir es erreichen können.“ (Aus: Präsidiale Einladung an alle Studierenden zum „Studienreformtag“ am 5.2.2010 ab 11 Uhr im Audimax.)
Und wenn nun Studierende nicht „in“ Bachelor und Master herumdoktern wollen? Wenn nun das Pauken auf Leistungspunkte, das Hamster-Rennen nach Noten, die Willkür, die Kontrolle, die vorgeschriebene Zerhackung des Studiums in Module sowie rigide Zeitvorgaben für’s Lernen in Gänze abgelehnt werden? Sind dann Polizeieinsatz und Platzverweis ein Mittel zum Schutz systemrelevanter Studiengänge?
Es ist besser, das Bewußtsein gemeinsamer sozialer und kultureller Interessen neu zu entwickeln und sie politisch zu vertreten.
Bildung und Wissenschaft – ebenso wie Gesundheit, Kultur, Soziales und vernünftige Infrastruktur – brauchen hinreichend öffentliche Mittel, die die Allgemeinheit in unterschiedlichen Graden – je nach Vermögen – aufzubringen hat.
Wir brauchen keinen Kaiser. Devotion und Andacht sind schon seit je unmenschlich und seit der Aufklärung anachronistisch. Konkurrenz und kultivierte Kooperation sind Gegensätze.
Wer mit dem Strom schwimmt, verliert sich bald im offenen Meer.
Emanzipation verbindet Geist und Tat zu einer vernünftigen Einheit; so finden auch Politik und Wissenschaft sinnvoll zueinander.
(Das Präsidium sollte Versprechungen einhalten.)