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Progressiv

Warum nicht?

Erste Erkenntnis
„Alternativlos – das ist ein Begriff, der seine besten Tage bereits hinter sich hat. Dass es angeblich keine andere Möglichkeit gegeben haben soll, dass alles kommen musste, wie es kam, ist meist nur ein Zeichen von Zweifel und Unsicherheit derer, die diese Behauptung als unumstößliche Gewissheit verkaufen. Das gilt nicht nur in der Politik. Auch Historiker, die den Gang der Dinge für unausweichlich erklären, verstecken damit oft nur einen Mangel an Phantasie. Oder den Unwillen, sich gedanklich in eine Vergangenheit zu versetzen, in der es mehr als eine Option gab. Um es mit dem Historiker Reinhard Koselleck zu sagen: Unsere Gegenwart war einmal eine vergangene Zukunft. Sie war offen und den Zeitgenossen unbekannt.“

Peter Körte, „Das wäre wenn...“ (zur Ausstellung „Roads not Taken“ im Deutschen Historischen Museum), „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 11.12.2022, S. 44.

Kleben an einem falschen Gestern
„Dennoch frage ich mich, ob es klug ist, ausgerechnet jetzt in der Krise mit Preußen zu brechen. Wo Deutschlands Armee doch eine Renaissance erfährt und Baerbocks Parteifreund Habeck die Bevölkerung auf Selbstdisziplin, Verzicht und Sparsamkeit einschwört. Kalt duschen, kurz heizen, kaum klagen: Sind das nicht sprichwörtlich preußische Tugenden?“

Alexander Neubacher, „Preußens Ende / Die Gegendarstellung“, „SPIEGEL“ Nr. 50/10.12.2022, S. 11.

Orientierter Verstand
„Das Fräulein: Oh, mein Rechthaber, so hätten Sie sich auch gar nicht unglücklich nennen sollen. - Ganz geschwiegen oder mit der Sprache heraus. - Eine Vernunft, eine Notwendigkeit, die Ihnen mich zu vergessen befiehlt? - Ich bin eine große Liebhaberin von Vernunft, ich habe viel Ehrerbietung für die Notwendigkeit. Aber lassen Sie doch hören, wie vernünftig diese Vernunft, wie notwendig diese Notwendigkeit ist.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück“, 2. Aufzug, Neunter Auftritt, geschrieben 1763, uraufgeführt in Hamburg 1767.

Jetzt künftig
„Wer verleiht den Werken Dauer? Die dann leben werden.
Wen erwählen als Bauleute? Die noch Ungeborenen.
Frage nicht: wie werden sie sein? Sondern bestimme es.“

Bertolt Brecht, „Über die Bauart langdauernder Werke“, 1929.

Immer mal wieder aus der Mottenkiste geholt: Das Soldatische, die Armee, ist der Kern der preußischen Tugenden. Hungern und Frieren für die militärische Aufrüstung soll so das Gehorsamsgebot der Stunde sein. Es ist schon verwunderlich, was in einem als liberal geltenden Magazin an schädlicher Gestrigkeit lauert.

Die positive Beantwortung der sozialen Frage, das gesellschaftliche Allgemeinwohl, soll hinter der enorm teuren Militarisierung zurücktreten. Die adäquate Verwirklichung des Bildungs-, Sozial-, Gesundheits- und Kulturstaats mit seiner sanierungsbedürftigen Infrastruktur soll
warten. Verzicht für die Mehrheit der Bevölkerung sei die eingeklemmte gesellschaftliche Haltung. Die tatsächliche rationale Bewältigung der Klimakrise, aber auch die Überwindung des enormen Nord-Süd-Gefälles auf der Welt sind mindestens vertagt.

Dabei hält (auch die deutsche) Geschichte positive Erfahrungen, Errungenschaften und Potentiale bereit. Die Befreiung vom Faschismus (8. Mai 1945), der Sozialstaat, tarifliche Arbeitsbeziehungen, die Entspannungspolitik, ebenso die Bemühungen um verbindliche Abrüstung und zivile Entwicklung sowie die internationale Solidarität und das Engagement für ökologischen Fortschritt gehören dazu.

Das bisher Uneingelöste klopft deutlich an die Tür. Gemeinsames humanisierendes Engagement hat die zutreffende Orientierung der kritischen Vernunft. Es gibt immer eine Alternative, auch wenn sie noch nicht realisiert ist. Jeder Versuch ist es wert, führt aus der leider noch andauernden Eindämmung hinaus, läßt Gemeinsamkeiten erkennen, öffnet den Horizont, hebt die kulturelle Laune und ist ein gestaltender Faktor.

Die Wissenschaften, ihre Subjekte aller Gruppen, sollten sich in diesem Zusammenhang wieder aktualisiert ihres Aufklärungs- und Wahrheitsanspruches bzw. ihrer sozial verantwortlichen Erkenntnis- und Gestaltungsverantwortung besinnen. Ihre Gebäude stehen inmitten der Stadt, die Stadt inmitten der Welt. Eine bessere menschliche Assoziation ist notwendig, möglich, erkennbar und gestaltbar. Wir haben stets die Wahl. Progressiv ist besser als Gehorsam. Moder ist vorgestern. Rationale Courage hat ihre eigene Ästhetik.