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„Nicht noch so ein Sieg!“
„»Noch so ein Sieg, und ich bin verloren!« soll der schockierte Pyrrhus nach seinem Sieg in der Schlacht bei Asculum gesagt haben. Anders als der König von Epirus haben die westlichen Staaten im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika militärische Siege zwar schnell errungen, die Kriege aber ebenfalls nicht gewonnen. Es gelang den westlichen Interventen nicht, stabile Nachkriegsordnungen zu errichten. In Afghanistan und im Irak misslang der Wiederaufbau eines funktionierenden Staatswesens. In Libyen führte der Luftkrieg der NATO nach einem Regime Change zum Zerfall des Staates und der Gesellschaft.
Waffenlieferungen an vermeintliche ‚Stabilitätsanker‘ wie zum Beispiel Saudi-Arabien tragen ebenso wenig zu einer friedlichen Entwicklung der Region bei. Ein Treibsatz der bewaffneten Konflikte in der Region ist die Politik der ‚Unterstützung des Feindes meines Feindes‘ mit der Folge von Stellvertreterkriegen – gegenwärtig im Jemen, in Syrien und im Irak.“
Marc von Boemcke, Margret Johannsen, Janet Kursawe, Bruno Schoch, Ines-Jaqueline Werkner (Hg.): „Schwerpunkt: Deutschlands Verantwortung für den Frieden“, Stellungnahme der Herausgeber/innen, „Friedensgutachten 2015“, Münster, 2015, S. 11.
Die bundesdeutschen Friedensforschungsinstitute greifen die Grundzüge der westlichen Hegemoniepolitik seit der sogenannten „Wende“ von 1989/90 und die hauptseitig militärisch gemeinte neue „Verantwortung Deutschlands“, laut Bundesregierung, mit diesen Worten ungewöhnlich deutlich an.
Die Ursachen von Kriegen und Krisen sind nicht schwer zu identifizieren: krasse globale soziale Ungleichheit, die skrupellosen Kriege des Westens, der ökologische Raubbau und die Abschottung Europas gegen Flüchtlinge.
Die Studien in dem diesjährigen „Friedensgutachten“ belegen trotz der in diesen öffentlich schlecht finanzierten Instituten üblichen diplomatischen Zurückhaltung, daß „einfache Lösungen“, wie sie in „der Politik“ gerne vorgegeben werden, für die vielfältigen Konflikte dieser Welt nicht angemessen sind.
Besonders wenden sich die Friedensforscher gegen die EU-Politik, die befürwortet „Migranten ertrinken zu lassen, um andere abzuschrecken“.
Die Friedensforscher weisen der russischen Administration wesentliche Verantwortung für die kriegerische Eskalation in der Ukraine zu, aber kritisieren zugleich die EU-Assoziierungspolitik als Provokation Russlands und raten von einer weiteren NATO-Osterweiterung ab. Diagnose: Keine Seite hat einen strategischen Plan für ein friedliches Europa.
Generell sei von einer militärischen und (Waffen-)Export orientierten Politik zu einer stärker demokratiefördernd ausgerichteten zu finden: „Das gewaltsame Überstülpen politischer Modelle über andere Gesellschaften kann das Legitimationsproblem nicht lösen, sondern wird es oft noch verschärfen.“ Bedauert wird, daß eine Weiterentwicklung des Völkerrechts zur internationalen „Responsibility to Protect“ durch die NATO-Bombardements z.B. in Libyen schwer rückholbar geschädigt wurde. Die Notwendigkeit, nachhaltige Gesundheitssysteme ohne Militär aufzubauen, wird am Beispiel „Ebola“ demonstriert, und es wird eine entwicklungsfördernde Handelspolitik eingefordert.
Zudem drängen die Friedensinstitute zur grundsätzlichen „Überprüfung“ des Stellenwerts, den das Militär in der deutschen Politik künftig haben soll und: „Schließlich fordern wir erneut, daß die Bundeswehr auf die Entwicklung und Beschaffung von Kampfdrohnen verzichtet.“
Damit leistet die Friedensforschung mit diesem Band diskutable und informative Beiträge zur Arbeit der Friedensbewegung. Hilfreich darüber hinaus wäre, sie würde sich selbst mehr als Teil der Friedensbewegung und weniger als Berater einer zunehmend konzeptionslosen und zynischen Administration verstehen.
Damit sie das besser kann, müssen aber alle Hochschulmitglieder für eine bessere öffentlichen Finanzierung von Bildung und Wissenschaft kämpfen, damit diese wichtigen Einrichtungen unabhängig interdisziplinär forschen können und Friedensbildung eine höheren Stellenwert erhält. Eine entsprechende Kooperation aller Hochschulmitglieder – auch über die Grenzen von Fakultäten hinweg – ist da unbedingt weiterzuentwickeln.
Das mag auch bei den derzeitigen Wahlen zu den Fakultätsräten als Maßstab gelten.