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Von der Lächerlichkeit der Exzellenz
„Die Exzellenzinitiative für die Forschung an deutschen Universitäten beruht, wie moderne Hochschulpolitik insgesamt, auf der tieferen Einsicht, daß Konservative wie Liberale an Universitäten auf etwas noch viel responsiveres reagieren als auf Befehle oder Bücher - auf Geld. (...) Was immer von der Exzellenzinitiative sonst noch zu halten sei, so könne ihr eine Mobilisierungswirkung nicht abgesprochen werden.“
Jürgen Kaube, „Die allgemeine Mobilitätsfreude“, F.A.Z., 10. März 2010.
„DIE NACHTIGALL UND DIE LERCHE.
Was soll man zu den Dichtern sagen, die so gern ihren Flug weit über alle Fassung des größten Teiles ihrer Leser nehmen? Was sonst, als was die Nachtigall einst zu der Lerche sagte: Schwingst Du Dich, Freundin, nur darum so hoch, um nicht gehört zu werden?“
Gotthold Ephraim Lessing, „Fabeln“, 1759.
Die „Exzellenzinitiative“, in der die Hochschulen bundesweit um begrenzte staatliche Förderung konkurrieren, geht bald in eine neue Runde. Dies hat die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften veranlaßt, eine Studie über das Mißlingen der ersten Runde zu veröffentlichen: Die Förderung von besonders forschungsstarken Einrichtungen behebt nicht die Unterfinanzierung der Universitäten, Chancengleichheit zwischen den Hochschulen hat es faktisch nicht gegeben, der Zugriff der Politik auf die Unis und die Macht der Präsidenten/Rektoren wird größer, die Naturwissenschaften werden gegenüber Geisteswissenschaften übervorteilt, die knappen Mittel werden bei den „Exzellenzbereichen“ auf Kosten der Fächervielfalt bzw. kleinen Fächer konzentriert, einer Überspezialisierung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird Vorschub geleistet und die Lehre wird nicht besser. Trotz diplomatischer Zurückhaltung der etablierten Wissenschaftler der Akademie ist dies ein vernichtendes Urteil.
Nunmehr wird deutlich: Ob nun „Exzellenz“ oder „Elite“ - hier sollen Hochschulen und Wissenschaftler darauf gerichtet werden, sich für etwas besseres zu halten. Also werden andere abgewertet. Das marktmäßige Verteilen von Mitteln wird politisch zu einer Kontrollinstanz darüber aufgebaut, welche Theorien, Methoden, Erhebungen und Analysen bestehen und weiterentwickelt werden dürfen. Die meist unartikulierten neoliberalen Fehlannahmen von der Ewigkeit des Mangels, der Natürlichkeit individueller Vorteilsnahme und der Mißachtung humanistischer Fortschrittsziele sollen in diesem System letztlich unhinterfragt bleiben und bedient werden. Somit wird nur ökonomisch genehme „Wissenschaft“ gefördert und gefordert. Das sei dann Realismus - das große Muß.
Relevante Aufgaben, wie die der Zivilisierung internationaler Konflikte, der Humanisierung der Arbeit, der Entwicklung der Produktivkräfte zum allgemeinen Wohl und ohne Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen können deshalb nur in Gegnerschaft zu diesen apologetischen Behauptungen und gegen dieses Verteilungs- und Lenkungssystem bearbeitet werden. Die Zurichtung der (wissenschaftlichen) Arbeit durch Mittelknappheit und die Förderung einer Unkultur der Konkurrenz behindert bedeutsame Erkenntnisfortschritte.
Die konstruktiven Potentiale der Wissenschaften werden entwickelt, wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen menschlich gestaltet werden.
In diesem Sinne: Gut ist, wenn Wissenschaft Wahrnehmung bedeutet; schön ist, wenn Kooperation nicht als Schande gilt.
„Exzellenz“ ist dann nicht mehr nötig.