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Dokumentation von Beschlüssen des Akademischen Senats (AS) aus dem Jahre 2011

Kampf um die Zukunft ist Emanzipation

„Was ist aber diese große Aufgabe unserer Zeit?
Es ist die Emanzipation. Nicht bloß die der Irländer, Griechen, Frankfurter Juden, westindischen Schwarzen und dergleichen gedrückten Volkes, sondern es ist die Emanzipation der ganzen Welt, absonderlich Europas, das mündig geworden ist, und sich jetzt losreißt von dem eisernen Gängelbande der Bevorrechteten, der Aristokratie. Mögen immerhin einige philosophische Renegaten der Freiheit die feinsten Kettenschlüsse schmieden, um uns zu beweisen, daß Millionen Menschen geschaffen sind als Lasttiere einiger Tausend privilegierter Ritter; sie werden uns dennoch nicht davon überzeugen können, solange sie uns, wie Voltaire sagt, nicht nachweisen, daß jene mit Sätteln auf dem Rücken und diese mit Sporen an den Füßen zur Welt gekommen sind.“

Heinrich Heine, „Reisebilder“, 3. Teil – Italien, Kapitel XXIX, 1830.



Inhalt

0. Editorial

I. Ein Umbruch
I.1. „Wider die Verneinung der Kultur“ – Rede von Olaf Walther bei der Demo „Bildung und Kultur für alle“ am 16. Dezember 2010
I.2. Prüfsteine zur Bürgerschaftswahl – Beschluß vom 20. Januar 2011
I.3. Auswertung des Besuchs von Vertreterinnen der aussichtsreich
kandidierenden Parteien

II. Statt Kürzungen: Geschichte machen!
II.1. Anforderungen der Universität an den neuen Senat der Freien
und Hansestadt Hamburg – Beschluß vom 12. Mai 2011

II.2. „Eine Zäsur: Neue Perspektive für den Fortschritt“ (Flugblatt)
II.3. Auszüge aus der Antwort der Senatorin auf die Anforderungen der UHH
II.4. Stellungnahme des Akademischen Senats zu dem Brief der Senatorin – Beschluß vom 8. September 2011
II.5. Aktionswoche – Beschluß vom 8. September 2011
II.6. „Hochschulvereinbarung“ – Pakt für Entwicklung?
II.7. „Mehr Solidarität schaffen – Antworten zur Hochschulvereinbarung“ (Flugblatt)
II.8. „Es geht voran“ Auswertung des Besuchs der Wissenschaftssenatorin im AS am 27. Oktober 2011 (Flugblatt)

III. Solidarität
III.1. Stellungnahme von Olaf Walther und Golnar Sepehrnia zum „Zukunftskonzept Universitätsentwicklung“
III.2. Antwort des Akademischen Senats an die Kolleginnen und Kollegen der PriMa – Beschluß vom 27. Oktober 2011

IV. Für die Zukunft planen und bauen
IV.1. Fernmeldeamt in der Schlüterstraße für die Universität nutzen! – Beschluß vom 15. Dezember 2011

V. Mehr Vernunft! – Zur „Reform der Studienreform“


0. Editorial

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir können auf ein bewegungsreiches Jahr 2011 zurückblicken, denn mit dem erfreulichen „Kampf um die Zukunft“ – nicht nur gegen Kürzungen, sondern für eine humanistische Wende in der (Wissenschafts-) Politik – haben wir gemeinsam eine neue solidarische Haltung mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Ambitionen entwickelt. Sie ist die Grundlage für eine Erweiterung und Verstetigung dieser Aktivitäten.

Dafür dokumentieren wir hier entsprechende Beschlüsse und Diskussionen des Akademischen Senats (AS), des höchsten demokratisch gewählten Gremiums der Universität. Sie gehen sämtlich auf Initiativen des „Bündnisses für Aufklärung und Emanzipation (BAE!)“ und kritisch engagierte Studierende zurück und dienen der Herausbildung von menschenwürdigen Maßstäben und Orientierung in der Krise.

Weltweit versucht die sogenannte Elite die Kosten der Bankenrettungen auf die ganz große Mehrheit der Bevölkerung abzuwälzen. Im reichen Hamburg hat unter diesem negativen Vorzeichen der Regierungswechsel mitnichten einen Politikwechsel gebracht. Für die Überwindung der inhumanen Reichtumssteigerung muß die solidarische Bewegung wachsen. Zwar versucht die neue Regierung einige Schäden neoliberaler Politik zu minimieren. Aber der Stadt würde zugleich ein 10 Jahre währender sparsamer „Schuldendienst“ verordnet. Denn obwohl die Preissteigerung kontinuierlich über 2 % liegt, soll der Hamburger Haushalt jährlich nur noch um 0,88% wachsen. Das würde erheblichen Stellenabbau im öffentlichen Dienst und fortgesetzte Einschnitte bei Bildung, Sozialem und Kultur bedeuten. Hochschulpolitische Zuspitzung dessen war das – nunmehr durch die Proteste stark relativierte – Vorhaben, den Hochschulen 6-10 % ihres Etats sofort zu streichen

Das barbarische Paradoxon besteht darin, daß angeblich für die Zukunft „gespart“ wird, aber ohne Bildung und Wissenschaft als mehrheitliche Emanzipation keine einzige der Herausforderungen der Gegenwart – von der Entwicklung der industriellen Produktion bis zur Überwindung der großen Zivilisationsprobleme durch Krieg, Ressourcenverschleiß und soziale Spaltung – zu bewältigen ist. Kurz: Die „Schuldenbremse“ ist eine Emanzipationsbremse. Programmatische Grundlage des „Kampfes um die Zukunft“ aus den Hochschulen sind die folgenden Beschlüsse des AS, die auf dem Leitbild der Uni Hamburg basieren und das gemeinsame, wissenschaftlich-politische Engagement für eine menschenwürdige Gesellschaft zum Inhalt haben. In 2012 wird es also darum gehen, diese Orientierung weiterzutragen und intensiv die öffentliche Diskussion über die Beiträge der Universität zu Frieden, Demokratie und sozialem Fortschritt zu führen. Dabei soll auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Bachelor-Master-System im Mittelpunkt stehen, wofür wir aus dem AS einen Studienreformbericht angestoßen haben, der den Gremien nun vorliegt und im Frühjahr 2012 in einem dies academicus und einer universitären Studienreformtagung ausgewertet werden soll.

Für diese Entwicklung wünscht eine anregende Lektüre

Das Bündnis für Aufklärung und Emanzipation (BAE!):
Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten & fachschaftsaktive, das Fachschaftsbündnis und andere Aktive


I. Ein Umbruch

Zur AS-Sitzung am 16. Dezember 2010

Im Dezember 2010 hatte Hamburg noch einen schwarz-grünen Senat, doch Neuwahlen waren bereits angesetzt. Denn die rechte Regierung war über den engagierten Widerstand der Hamburger Öffentlichkeit gegen die geplanten schweren Kürzungen in Kultur, Bildung, Wissenschaft und Sozialem gestürzt. Die Uni Hamburg, besonders die Studierenden, haben sich aktiv in diese Auseinandersetzung eingemischt und mit vielen Bündnispartnern in der Stadt für eine Rekonstruktion humanistischer Politik gekämpft.
Ein Beispiel:

I.1. „Wider die Verneinung der Kultur“

Rede des studentischen AS-Mitglieds Olaf Walther bei der Demonstration „Bildung und Kultur für Alle – Geld ist genug da!“ am 16.12.2010

„Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger – Mephistopheles, der Teufel, verkleidet sich in Goethes Dichtung als der Gelehrte Faust und tritt so in schlechter Absicht dem Schüler mit folgendem Vorhaben entgegen:

»Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab‘ ich dich schon unbedingt –«

Dem verkleideten Teufel gelingt auf diese Weise, den gutwilligen Schüler vom Studium abzuhalten. Derart betrogen zieht er ab.
Politisch teilen sich zur Zeit drei Personen die Rolle des Teufels: Herr Ahlhaus, der emsige Rechtsaußenverteidiger; Frau Gundelach, die die strenge Bachelortante aus dem Passivhaus gibt; Herr Stuth, die Fliege mit der „Vision der Elbphilharmonie“ und der erstaunlichen Ignoranz für alle anderen kulturellen Einrichtungen.
Alle Drei eint in ihren unterschiedlichen Rollenfacetten das folgende Bekenntnis des Mephistopheles:

»Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.«

Rabiate Kürzungspolitik (nicht bei der HSH-Nordbank, möglicherweise bald Deutsche Bank), stur fortgesetzte Studiengebühren (geringe Steuern, bei denen, die es haben), Strangulierung wertvoller kultureller Einrichtungen (große Operntöne am Hafen) – bilden das eigentliche Element a-sozialer Politik und Un-Kultur der verantwortlichen Konservativen in dieser Stadt.
Der Teufel ist von Natur aus schwarz.
Dagegen stehen die berechtigten Ansprüche des Schülers, der Bevölkerung:
Der Schüler will – und er soll es können – lernen. Er will sich gemeinsam mit anderen schlau machen und das Erworbene zum allgemeinen Nutzen anwenden.
Der Schüler will – und er soll es können – sich bilden. Er braucht Kindergärten, Häuser der Jugend, Schulen, Hochschulen, Theater, Museen und offene Sportstätten. Koof mich hat hier nichts zu suchen.
Bildung und Kultur sind Lebensmittel für den Menschen, daran bemißt sich nicht zuletzt die Qualität einer Gesellschaft. Dafür ist zu kämpfen.
In „Faust Zwei“ heißt es:

»Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.«

Auf diese Weise ist das Theater gut mit dem Leben verbunden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.“


I.2. Prüfsteine des Akademischen Senats zur Bürgerschaftswahl

Schon im Herbst 2010 hatte der Akademische Senat mit Rekurs auf das humanistische Leitbild der Universität eine Erhöhung ihrer Grundfinanzierung und eine weitreichende demokratische Reform der Hochschulen gefordert. Auf dieser Basis wurden im Januar 2011 hochschulpolitische Prüfsteine zur Bürgerschaftswahl aufgestellt.

Beschluß des Akademischen Senats vom 20. Januar 2011

Wahlprüfsteine zur Bürgerschaftswahl am 20. Februar 2011

Die Universität Hamburg ist durch permanente Unterfinanzierung und durch zahlreiche Bestimmungen des geltenden Hochschulgesetzes in der Weiterentwicklung von Forschung, Lehre und Bildung behindert worden. Der Akademische Senat hat sich mit seinen Beschlüssen mehrfach dagegen gewendet und für einen Kurswechsel plädiert. Vor diesem Hintergrund formuliert der Akademische Senat der Universität Hamburg anlässlich der Bürgerschaftswahlen folgende Fragen:

Studiengebühren
— Werden Sie die Studiengebühren in der nächsten Legislaturperiode abschaffen?
— Falls Sie die Studiengebühren abschaffen werden, werden Sie die ausfallenden Mittel durch öffentliche Mittel ersetzen?

Finanzierung der Hochschulen
— Werden Sie die Finanzierung der Hamburger Hochschulen mindestens auf das Niveau des bundesdeutschen Durchschnitts heben?
— Werden Sie den Charakter einer Volluniversität für die Universität Hamburg durch die Finanzierung sicherstellen?

Hochschulstruktur
— Planen Sie strukturelle Veränderungen für die Hamburger Hochschulen?
— Wie soll das HmbHG dahingehend überarbeitet werden, dass kollegiale Zusammenarbeit und demokratische Partizipation ermöglicht und gefördert werden?
— Unterstützen Sie die Forderung, tarifliche Angelegenheiten (vom Personalamt) auf die Hochschulen zu übertragen?

Studienbedingungen
— Wie sieht Ihr Modell des Hochschulzugangs aus?
— Soll der Master-Abschluss zum Regelabschluss werden?
— Soll gesetzlich ermöglicht werden, die BA/MA-Abschlüsse durch andere Abschlüsse zu ersetzen?

Hochschulbau
— Wie sieht Ihr Plan für die bereits beschlossene Sanierung und Erweiterung der Universität aus?
— Wie viel Geld wollen Sie dafür zur Verfügung stellen?
Wissenschaftsentwicklung
— Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das Konzept der Nachhaltigkeit der Universität Hamburg zu unterstützen?*

* Anm. d. Red.: Die Antworten der Parteien können auf unserer Homepage unter www.bae-hamburg.de/antraege.html dort im Kapitel „Beschlüsse aus dem Jahr 2011“ und dort unter „I. Zur Bürgerschaftswahl“ nachgesehen werden.


I.3. Auswertung des Besuchs von Vertreterinnen der aussichtsreich kandidierenden Parteien

„Lernen.
Eine AS-Sitzung zur Bürgerschaftswahl“ (Flugblatt)

„Was bin ich? Was soll ich tun? Was kann ich glauben und hoffen? Hierauf reduziert sich alles in der Philosophie. Es wäre zu wünschen, man könnte mehr Dinge so simplifizieren; wenigstens sollte man versuchen, ob man nicht alles, was man in einer Schrift zu traktieren gedenkt, gleich anfangs so entwerfen könnte.“ (81)

Georg Christoph Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkungen“, 1765-1770.

Für die Wissenschaft ist nicht jede Politik gleich gut und günstig. Die Unterschiede sind beträchtlich.
Am vergangenen Donnerstag kamen in gut besuchter öffentlicher Sitzung des Akademischen Senats die Politikerinnen Dora Heyenn (Die LINKE), Dorothee Stapelfeldt (SPD), Eva Gümbel (GAL), Herlind Gundelach (CDU) und Sylvia Canel (FDP) zur Diskussion. In zügiger Debatte traten grundlegende Differenzen zu Tage.
Am Beispiel des Desasters von Bachelor und Master wurde dies deutlich: Während die FDP meint, daß das autoritäre Schnellstudium „für [noch] mehr Berufsfähigkeit“ qualifizieren müsse und die CDU-Senatorin runterrattert, wie sie mit der derzeitigen „Reform der Reform“ alles im Griff habe, erkennt die GAL, das Studium habe „nicht allein“ wirtschaftlichen Interessen, sondern mehr individueller Entfaltung zu dienen. Die Vertreterin der SPD stellt fest, daß „Bologna“ gute Ziele, aber keine Verbesserungen gebracht habe und wünscht für die Studienreform mehr Ruhe. Die LINKE versteht sich als oppositionelle Kraft zur Beschleunigung der Heilung jener Wunden, die mit primitiver kommerzieller Ideologie bzw. politischer Anordnung den Unis zugefügt wurden: „Ba/Ma ist nicht reformierbar“.
Betreffs der Hochschulfinanzierung sehen FDP und CDU keine Schwierigkeiten. Die GAL gäbe gern „mehr Geld“, die SPD verspricht es und Die LINKE erläutert, wo es z.B. durch einen wachsamen Steuervollzug bei den Reichsten und Gewinngrößten sofort zu holen ist.
Schwarz-Gelb steht „voll hinter Studiengebühren“, Frau Gümbel hält die Gebühren für „eine wichtige Zukunftsausgabe“ (sic!) und meint wohl deren Abschaffung. Frau Stapelfeldt will sich „mit hoher Priorität“ dafür einsetzen, daß die Gebühren noch dieses Jahr verschwinden. (Die SPD verspricht dies programmatisch nur „in dieser Legislatur“.) Die LINKE weist nach, daß die Belastung der Studierenden mit pro Semester über 630 Euro (Gebühren, „Verwaltungkostenbeitrag“, Semesterticket etc.) ein Zynismus ist, der mit entsprechenden Beschlüssen einer Rot-Rot-Grünen Mehrheit schon seit 2008 hätte beendet werden können und müssen. Sie drängt auf Taten.
Konzeptionell werben die Liberalen mit „Erfolg“ durch „Eigenständigkeit“ im „Wettbewerb“. (Bei frischem Wind auch umgekehrt.) Die CDU, ganz beleidigte Autorität, ordnet die Welt nach Geld, direktem Nutzen und rigidem Management. Die Grünen wähnen sich als „glühende Demokraten“, wenn sie zur Wahlbeteiligung aufrufen. Die SPD will eine demokratische Ausbildungsstätte („pragmatisch“, „verläßlich“, „verantwortungsvoll“ – Warum? Für wen? Und wohin?). Die LINKE begreift die Emanzipation aller Menschen als gemeinsame Aufgabe von Politik, Bildung und Wissenschaft.

Eine Frage der Hochschulöffentlichkeit war: Was lernt „die Politik“ von den Hochschulen?
Dora Heyenn (pars pro toto): „Ba/Ma“ gehört zugunsten demokratischer Bildung abgeschafft.
Dorothee Stapelfeldt (allgemein wahr): Politik muß in allen Feldern von der Wissenschaft lernen.
Eva Gümbel (grüner Stillstand): Politiker lernen das, was sie können.
Herlind Gundelach (ohne Ehrgeiz): _ _ _
Sylvia Canel (frei, auch von Gespür für Anlaß, Probleme und Umstände): Ich habe viel gelernt.
Uni Präsident Lenzen resümierte lakonisch: „Lernen ist unvermeidlich.“

Eine gute Leitlinie für Gesellschaft, Bildungspolitik und gemeinsames Engagement ist also: Alle können das, was sie lernen. Wohlan: Bildung für Alle!


II. Statt Kürzungen: Geschichte machen!

Nach dem Bekanntwerden der fortgesetzten Kürzungsvorhaben der neugewählten Landesregierung formierte sich in kürzester Zeit die solidarisch-oppositionelle Bewegung aus den Hochschulen. Wesentlich für die Orientierung der folgenden Kämpfe, der Demonstrationen, Vollversammlungen, der Unterschriftenaktion, Aktionswochen und Veranstaltungen war der nachstehende programmatische Aufschlag des Akademischen Senats.¹

II.1. Anforderungen der Universität an den neuen Hamburger Senat

Beschluß des Akademischen Senats vom 12. Mai 2011

Die Universität Hamburg ist durch permanente Unterfinanzierung und durch zahlreiche
Bestimmungen des geltenden Hochschulgesetzes in der Weiterentwicklung von Forschung,
Lehre und Bildung behindert worden. Der Akademische Senat hat sich mit seinen Beschlüssen
mehrfach dagegen gewendet und für einen Kurswechsel plädiert. Im Folgenden formuliert
die Universität ihre Erwartungen an den neu gewählten politischen Senat in Hamburg.

Studiengebühren

Der Akademische Senat spricht sich für die baldigst mögliche Abschaffung der Studiengebühren aus. Dabei ist unerlässlich, dass die bis dahin von den Studierenden eingeholten Einnahmen der Hochschulen in vollem Umfang staatlich kompensiert werden.
Die Studiengebühren sind zum WiSe 2011/12 abzuschaffen. Das stärkt die studentische Beteiligung an der Studienreform. Studiengebühren stehen einer demokratischen Studienreform entgegen, weil sie sozialen Druck und damit Mangel an Zeit bedeuten sowie ein Kunden/Dienstleisterverhältnis konstituieren sollen.

Finanzierung der Hochschulen

Die Unterfinanzierung der öffentlichen Hochschulen ist Ausdruck des Widerspruchs zwischen einerseits der wachsenden gesamtgesellschaftlichen Bedeutung wissenschaftlicher Bildung und Forschung und andererseits der politischen Entscheidung für eine restriktive Haushaltspolitik. Seit den frühen 1990er Jahren ist die Universität Hamburg mehrfach durch sogenannte Sparrunden in der Erfüllung und Erweiterung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung stark eingeschränkt worden. Die Fächer und die Studienplätze haben darunter gelitten.
Im Leitbild der Universität sind als Maßstäbe einer gesellschaftlich notwendigen Entwicklung die Kooperation zwischen den Fächern und die Förderung der Internationalität, die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre, die Bildung mündiger Menschen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Zuwendung der Wissenschaften zu gesellschaftlichen Aufgaben formuliert. Die Universität will damit einen Beitrag zur zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung der Gesellschaft leisten.
Für die verantwortungsvolle Verwirklichung der gesellschaftlichen Aufgaben der Universität, wie sie im Leitbild gefasst sind, ist die Überwindung ihrer Unterfinanzierung unerlässlich. Der Akademische Senat unterstützt den Präsidenten der Uni Hamburg in der Forderung, den Etat der Universität dauerhaft gegenüber den Ansätzen der vergangenen Jahre um errechnete 50 Mio. Euro aufzustocken und das strukturelle finanzielle Defizit zu beheben.

Hochschulstruktur

Ausgangslage
Angesicht der im Rahmen der Evaluation von mehreren Hochschulen dargelegten Probleme ergeben sich erhebliche Defizite in der Kommunikation, Transparenz und Arbeitsfähigkeit in den Hochschulen. Dies erfordert Verbesserungen bei den Mitwirkungsverfahren der Hochschulangehörigen, die eine Beteiligung an Entscheidungen der Hochschule vorsehen und die Entwicklung der Wissenschaft, und dafür auch die Entwicklung der Hochschule, in die Hände ihrer Mitglieder legen.

Transparenz und Partizipation
Eine künftig gestärkte Beteiligung der Mitglieder an der Entwicklung der Hochschulen darf sich nicht auf Bestätigungs- und Auskunftsrechte beschränken, sondern sollte Entscheidungsbefugnisse einschließen. Die Einrichtung von Organisationseinheiten (unterhalb der Fakultäten) muss im Gesetz soweit geregelt werden, dass dort geregelte Willensbildungsprozesse unter Beteiligung aller Gruppen möglich sind.
Das HmbHG sieht z.Zt. eine Auffangzuständigkeit von Präsidium/Dekanat vor; damit werden die Gremien (Hochschulsenat/Fakultätsrat) zu Organen von minderem Rang. Dies ist im HmbHG zu ändern, indem Aufgaben, die nicht explizit einem Organ zugeordnet sind, von beiden Organen zu entscheiden sind.

Wahl der Leitungsgremien
Der Akademische Senat befürwortet die Verlagerung der Entscheidung zur Wahl der Leitungsorgane auf die Gremien. Deren volles Wahlrecht sollte nicht durch eine mögliche Findungskommission auf die Wahl nur einer/s möglichen Kandidatin/en beschränkt werden.

Hochschulrat
Der Hochschulrat ist in ein Beratungsgremium umzuwandeln.

Ziel- und Leistungsvereinbarungen
Wenn Ziel- und Leistungsvereinbarungen innerhalb der Hochschulen getroffen werden, dürfen diese nicht Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane aufheben oder umgehen.
Zudem müssen die durch die Ziel- und Leistungsvereinbarungen regelbaren Fragen enger gefasst werden, so dass keine zu detailtiefe Steuerung möglich wird.
Hochschulverträge müssen gleichberechtigt verhandelt werden; eine ersatzweise einseitige Festlegung von Zielen und Leistungen seitens der Behörde wird daher abgelehnt.
Für gleichberechtigte, kooperative Verhandlungen zur Entwicklung der Hochschule ist eine bedarfsdeckende Finanzierung der Hochschulen erforderlich.

Studienbedingungen

Die derzeitigen Probleme mit den Bachelor- und Masterstudiengängen machen eine umfassende Studienreform erforderlich. Der Senat sollte die Bedingungen dafür schaffen, dass die folgenden Vorhaben umsetzbar sind:
— Der Master muß zum Regelabschluß werden. Jeder Bachelor-Absolvent muß die Möglichkeit erhalten, in seinem Fach/einem verwandten Fach einen Masterstudiengang ohne weitere Eingangsprüfung/Zulassungsbeschränkung zu belegen. Dafür sind die notwendigen Kapazitäten zu schaffen.
— Die Hochschulen müssen wieder über die Struktur der Studiengänge souverän entscheiden können, anstatt durch Ziel- und Leistungsvereinbarungen und andere behördliche Vorgaben in diesem Recht eingeschränkt zu werden. Damit sollen die Hochschulen auf Grundlage von § 52 i.V.m. § 67 HmbHG wieder die Möglichkeit erhalten, Studiengänge auch in der klassischen Struktur und mit den tradierten Abschlüssen anzubieten, wenn dies wissenschaftlich geboten ist.
— Die Gremien auf der zentralen Hochschulebene erhalten wieder entscheidende Rechte in Bezug auf die Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen bzw. in der „Qualitätssicherung“. Die Akkreditierungspflicht ist abzuschaffen. Die Verantwortung für die wissenschaftliche Entwicklung der Studiengänge muß auf der wieder einzurichtenden Gremien-Ebene der Fachbereiche/Departments liegen. Dort müssen regelhaft Studienreformausschüsse/Ausschüsse für Lehre und Studium vorgesehen sein.
— Die Regelstudienzeiten müssen an die durchschnittliche Studiendauer angeglichen werden. Sie müssen von einer Normgröße für das Studierverhalten wieder zu einer Normgröße für das von den Hochschulen zu gewährleistende Studienangebot werden.
— Die „Berufsqualifizierung“ als Kennzeichen von Studienabschlüssen, insbesondere der Bachelorabschlüsse, ist zu streichen.

Hochschulbau

Der Akademische Senat begrüßt, dass die Bürgerschaft die bauliche Entwicklung der Universität mit hohen Summen unterstützen wird. In der Debatte zu dieser Entwicklung ist der wissenschafts- und bildungspolitische Bedarf der Universität statt stadtentwicklungspolitischer Erwägungen an die erste Stelle zu rücken.
Die aufgeklärt bürgerliche Gründungsgeschichte, ihre widersprüchliche Entwicklung im jüdischen Viertel und ein demokratischer Aufbruch mit der Ambition, Humboldt’sche Bildungsansprüche gesellschaftlich zu verallgemeinern, prägen die Entwicklung der Universität und kommen auch baulich zum Ausdruck. Der bewusste Umgang mit dieser Geschichte ist die Basis einer souveränen Entwicklung der Universität in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Universität ist in Stadt und Stadtteil gut gewachsen. Sie liegt zentral, ist hervorragend regional und überregional erreichbar, belebt den umgebenden Bezirk ökonomisch, kulturell und sozial und gedeiht durch die gesellschaftliche Integration ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen. Diese Elemente sind bei der baulichen Entwicklung der Hochschule zu wahren und weiterzuentwickeln.

Erfordernisse, die für die Bauentwicklung zu berücksichtigen sind

Die angestrebte Verstärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung und Lehre setzt eine große räumliche Nähe der beteiligten Akteure voraus. Eine wichtige Zielsetzung der Universität ist die Intensivierung der Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die zu relevanten Teilen bereits in ihrer Nähe sind.
Für den Alltag von Studierenden und Universitätsmitarbeitern/innen sind soziale und kulturelle Infrastruktur auf dem Campus bzw. in direkter räumlicher Nähe zum Campus (Grünanlagen, Sportanlagen, Kita, Kultureinrichtungen, etc.) nötig, sowie gute regionale und überregionale
Verkehrsanbindungen, Ruhe, gute Luft und Erschütterungsarmut. Die dringend erforderlichen Baumaßnahmen sollten insgesamt in einem solchen finanziellen Rahmen liegen, dass sie auch tatsächlich umgesetzt und abgeschlossen werden können. Sie sollten, um den Betrieb möglichst wenig zu belasten, binnen zehn Jahren realisiert werden. Eine weitere Verzögerung des Baubeginns ist für die Universität nicht hinnehmbar.
Der Akademische Senat der Universität Hamburg fordert die Bürgerschaft und den Senat der FHH deshalb auf, zügig politisch und finanziell den Weg für die dringend notwendigen Sanierungen sowie für eine bedarfsgerechte und geschichtsbewusste Erweiterung der Universität
in Eimsbüttel frei zu machen.
Dabei soll die weitere Zusammenführung von universitären Einrichtungen gefördert und Rücksicht auf die Belange der Anlieger genommen werden. Die BWF möge sich deshalb insbesondere dafür einsetzen, dass das alte Fernmeldegebäude in der Schlüterstraße für universitären Gebrauch erschlossen werden kann. Der Bezirk Eimsbüttel möge eine zügige Baurealisierung nach allen Kräften unterstützen. Die Gremien der Universität sollten dabei kontinuierlich einbezogen werden.

Wissenschaftsentwicklung

Die Universität Hamburg bekennt sich zu einem Zukunftskonzept für eine nachhaltige Universität in allen Dimensionen. Diese reichen von den Forschungsgegenständen über die Forschungsmethoden, die Nachhaltigkeit von Lehren und Lernen bis hin zu neuen Formen partizipativer Entscheidungsfindungen. Der Wissenschaftsrat hat dieses Konzept als „mutig und visionär“ charakterisiert, sich indessen wegen des auf Spitzenforschung orientierten Wettbewerbs nicht entschließen können, eine Förderung zu empfehlen. Gleichwohl fühlt sich die Universität ermutigt, beispielsweise durch den ausdrücklichen positiven Hinweis auf das Konzept
einer nachhaltigen akademischen Lehre, den Weg fortzusetzen und die beabsichtigten Einrichtungen und Prozesse ins Leben zu rufen. Dazu gehören Formen der Governance, die Fokussierung auf Forschungsthemen der Nachhaltigkeit, die Gründung einer zentralen Einrichtung für akademische Lehre und ihrer Erforschung sowie die Etablierung von zentralen Angeboten für die Graduiertenausbildung und die Förderung von post docs.
Die Universität ist – teilweise bereits erfolgreich – bemüht, für diese aus dem Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder nicht finanzierten Organisationsformen Mittel Dritter zu akquirieren. Dieses ist bereits in erheblichem Umfang für den Bereich nachhaltigen Lehrens und Lernens bei Stiftungen der Stadt erfolgreich gewesen. Eine umfangreiche Bewerbung im
Rahmen des Qualitätspakts Lehre des Bundes befindet sich im Entscheidungsverfahren.
Für eine Reihe der vorgesehenen Aufgaben, insbesondere aber auch für Stipendien, wird es der Natur der diversen Stiftungszwecke nach keine Förderungsmöglichkeiten durch Dritte geben. Der Akademische Senat fordert deshalb das Land auf, die im Rahmen des Zukunftskonzepts der Bundesexzellenzinitiative beantragten, und noch nicht durch Dritte finanzierten Maßnahmen aus Mitteln des Landes sicher zu stellen.

1 Alle Resolutionen, Aufrufe und Beschlüsse des AS, von bereichsweisen oder uniweiten Vollversammlungen, Aktionen und Demonstrationen sind weiterhin auf der Uni-Homepage einsehbar unter: www.uni-hamburg.de/Kampf_um_die_Zukunft/index.html


II.2. Neue Perspektiven für den Fortschritt

Nach diesem Aufschlag wurde eine Unterschriftenkampagne „Kampf um die Zukunft – Hamburger Hochschulen retten!“ ins Leben gerufen. (Mittlerweile konnten 51.800 Unterschriften für eine bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung der Hochschulen dem Rathaus übergeben werden.) Es folgte am 7. Juni ein hochschulübergreifender „Sternmarsch für die Zukunft – Aufbruch statt Abbruch!“ an dem knapp 20.000 Mitglieder aller Hochschulen (inkl. der Präsidien) teilnahmen. Es folgten Aktionswochen, Demos, Vollversammlungen. Das nachstehende Flugblatt von Anfang Juli 2011 vermittelt einen Eindruck dieses Aufbruchs:

„Eine Zäsur: Neue Perspektive für den Fortschritt“ (Flugblatt)

„Die Reichen werden reicher – überall auf der Welt. [...] In Deutschland gibt es mittlerweile 924.000 Millionäre, deren Vermögen abgesehen von ihrem Eigenheim umgerechnet mehr als 1 Million Dollar ausmacht. Deutschland liegt – trotz des rasanten Wachstums der asiatischen Mittel- und Oberschicht – immer noch auf Platz 3 der internationalen Vermögensrangliste [...]. Vor allem große Diamanten erzielten im vergangenen Jahr auf den Weltmärkten Rekordpreise wegen der hohen Nachfrage aus der Oberschicht.“

„Mehr Vermögen als vor der Finanzkrise“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Juni 2011.

„Hört Ihr das Glöckchen klingeln? Kniet nieder – Man bringt die Sakramente einem sterbenden Gotte.“

Heinrich Heine, „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“, Drittes Buch, 1834.

Der Grund des Burn-Out: Banken retten, Haushalte konsolidieren, Verwaltung verschlanken, Steuern senken, Märkte erschließen, Exzellenz verehren, Leistung steigern – Zähne zeigen. Weltweit summieren sich die großen Privatvermögen auf 40,7 Billionen Dollar. Diese mächtige Vermögenskonzentration ist die Kehrseite der Möglichkeit von Frieden, Arbeit, Bildung und Kultur für alle. Der Konflikt zwischen Ausplünderung oder Emanzipation und Wohlbefinden der Menschheit ist weltweit auf einer neuen Stufe. Mit den Protesten in ganz Europa, den USA und Lateinamerika gegen die Fortsetzung neoliberaler Bankenpolitik wird wieder Geschichte gemacht. In dieser Lage kämpft nun auch die Universität Hamburg für ihre humanistische Neupositionierung in der Gesellschaft und die dafür erforderlichen öffentlichen Mittel. Bei der Vollversammlung am 30. Juni, an der über 1.000 Uni-Mitglieder aller Gruppen teilnahmen, wurde sich in diesem Sinne verständigt.

Uni Präsident Lenzen forderte eine wissenschaftspolitische Umkehr nach nunmehr 40 Prozent Budgetverlust in 35 Jahren. Er warnte vor „Hochschulstrukturplänen“, die Kürzungen vertuschen sollten, kritisierte die politisch geschaffene Überlastung der Universität und kündigte an, sich weiterhin nicht ans Streichen zu machen. Die Universität, ihre Mitglieder sowie die Wissenschaften bräuchten Zeit und Unabhängigkeit. Eine Wende sei nur über die öffentliche Debatte zur Rolle der Universität in der Gesellschaft zu erkämpfen. Die Kontroverse zwischen Uni als Ausbildungsort zur notdürftigen Stabilisierung bestehender Verhältnisse oder als Stätte der wissenschaftlichen Persönlichkeitsbildung für gestaltendes Eingreifen sei dafür zentral. – Aufklärung wirkt!

Die Vorsitzende des Personalrats des TVP illustrierte die destruktive Beanspruchung ihrer Gruppe nach 10 Jahren ökonomisierender Lenkung. Der Personalrat des wissenschaftlichen Personals attackierte die geplanten Kürzungen, die wie eine Bestrafung engagierter Arbeit wirkten, und hob die neue Solidarität als überzeugend und wohltuend hervor. Der AStA moderierte die Veranstaltung. Die gemeinsame Positionsbildung mündete im Beschluß einer Resolution. [Vgl. www.uni-hamburg.de/KudZ]

In studentischen Beiträgen wurde die Herkunft der Universitätskrise aus handelskammergewollter Politik nachgewiesen. Diese hatte an die Stelle von Aufklärung und Emanzipation die Bedienung privatwirtschaftlicher Interessen und deren staatliche Administration gesetzt. Dagegen hat sich die Universität jetzt aus dem „Klima der Angst“ zu neuer kritischer Souveränität herausgearbeitet. Dieser Weg sollte nachdrücklich gegenüber Kapital, Rathaus und etablierter Niveaulosigkeit solidarisch fortgesetzt werden.

Regelmäßige Dienstagsproteste, eine uniweite Aktionswoche nach den Orientierungseinheiten und eine Politisierung der „Nacht des Wissens“ werden nun geplant. Alle sollten sich – auch in der vorlesungsfreien Zeit – engagiert an der Vorbereitung beteiligen. Der Weg ist begonnen. Neue Möglichkeiten sind eröffnet.


II.3. Auszüge aus der Antwort der Senatorin auf die Anforderungen der UHH

Die Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt antwortete auf dieses kollektive Engagement bemüht, aber ohne die Grundlinie des Senats in Frage zu stellen:

Aus dem Brief der Wissenschaftssenatorin an die Mitglieder der Uni Hamburg vom 27. Juni 2011:

„Ich habe volles Verständnis dafür, dass Hochschulen für ihre Interessen und eine möglichst gute Ausstattung kämpfen. Das ist legitim, und ich nehme gute Argumente auch sehr ernst. Angesichts der öffentlichen Diskussion der vergangenen Wochen möchte ich aber betonen, dass die Hochschulen über jedenfalls solide Etats und genügen Liquidität verfügen. [...] Um die Staatsverschuldung nicht weiter auszudehnen, haben Bund und Länder die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Ab 2020 dürfen die Bundesländer keine neuen Schulden mehr machen. [...]
Die angestrebte Begrenzung der Ausgabensteigerung ist nur umsetzbar, wenn grundsätzlich alle Ressorts diese Rahmenbedingungen und Handlungsnotwendigkeiten ernst nehmen.“


II.4. Stellungnahme des Akademischen Senats zu dem Brief der Senatorin

Darauf erwiderte für die Universität der Akademische Senat mit einer Stellungnahme vom 8. September 2011

Stellungnahme des Akademischen Senats zum Schreiben der Senatorin für Wissenschaft und Forschung vom 27. Juni 2011

Am 29. Juni 2011 erhielten der Akademische Senat sowie die Dekanate stellvertretend für die Mitglieder der Universität einen Brief der Senatorin für Wissenschaft und Forschung zur Haushaltsbegründung. Der Akademische Senat hat diesen Brief eingehend diskutiert und kommt zur folgenden Einschätzung.

Der Akademische Senat stellt fest, dass die von den Hochschulen vorgetragenen Argumente, Absichten und Vorschläge weder berücksichtigt noch gar widerlegt werden. Die hochbrisante finanzielle Situation der UHH wird verharmlost, zum Teil unter der Hinzuziehung stark vereinfachender und irreführender Argumentationen.

Der Akademische Senat sieht sich daher bestätigt, dass die viel zu niedrigen Etatplanungen für die Universität inakzeptabel sind. Eine erhebliche Aufstockung der finanziellen Mittel ist notwendig.

Die weiteren Ausführungen zu diesen Einschätzungen sind wie folgt gegliedert:

I. Die Positionen zur notwendigen Entwicklung der Hochschulen, welche im Brief übergangen werden.
II. Die Brisanz der finanziellen Lage, die im Brief als „solide“ verharmlost wird.
III. Die kritische Bewertung des scheinbaren Arguments „Schuldenbremse“.
IV. Die Richtigstellung der haushaltsbezogenen Fakten.
V. Zusammenfassung.

I. Notwendige Entwicklungsvorhaben müssen berücksichtigt werden.

Für eine konstruktive Diskussion ist erforderlich, dass der Senat sich auf zentrale Entwicklungsanliegen der Hochschulen bezieht.

Der Akademische Senat bekräftigt, dass die Universität einen Beitrag zur zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung der Gesellschaft leisten und somit ihrer öffentlichen Verantwortung aktuell gerecht werden will. Die Universität will sich der Herausforderung stellen, Perspektiven für gestaltendes Eingreifen in gesellschaftliche Entwicklungen zu eröffnen, anstatt lediglich bestehende Gegebenheiten nachzuvollziehen.

Die Qualität der Forschung und Lehre muss sichergestellt werden, um die Identifikation mit der Universität und die individuelle Motivation zur Gestaltung und Mitwirkung an Entwicklungsprozessen sowie die innere Stabilität und den Zusammenhalt zu stärken.

Eine umfassende Studienreform mit dem Master als Regelabschluss, ausreichende und vernünftige Arbeitsräume, die dauerhafte Aufstockung des Jahresetats der Universität für mehr Personalstellen zumindest auf das finanzielle Niveau des bundesweiten Durchschnitts – all das sind notwendige Reformen, um allen Hochschulmitgliedern die unbedrängte Aneignung und Entwicklung von gesellschaftlich förderlichen Erkenntnissen zu ermöglichen. Auch mit dem Brief der Senatorin bleibt der Senat die Antwort schuldig, wie diese notwendigen Reformen unter den Bedingungen der finanziellen Beschränkungen verwirklicht werden sollen.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass die überfälligen Baumaßnahmen sowie die spätere Abschaffung der Studiengebühren angekündigt werden. Beide Versprechungen schlagen sich jedoch nicht in der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2011/2012 nieder.

II. Die über Jahrzehnte betriebene Unterfinanzierung der Hochschulen wird verharmlost.

Die Universität Hamburg hat zu Beginn der 1970er Jahre die Zahl ihrer Studierenden verdoppelt. Damit stieg auch die Zahl der Beschäftigten und die Größe und Anzahl der Gebäude. Doch schon in dieser Zeit ist der Etat der Universität nicht mehr erhöht worden. Seit den frühen 1980er Jahren sind dann immer wieder erhebliche Einschnitte beim Wissenschaftsetat gemacht worden, u.a. um satte 15% Mitte der 90er Jahre. Mittlerweile summieren sich diese Kürzungsrunden auf knapp 40% des Ursprungsetats. Die Universität hat dennoch ihr Engagement in Lehre, Forschung und Selbstverwaltung ausgebaut. Verschärfend sind den Hochschulen in den letzten zwölf Jahren in immer kürzerer Folge eine Reihe grundlegender Umgestaltungen auferlegt worden (hierarchische Strukturen, Fakultätenbildung, Ba/Ma-Einführung, Umstellung des Rechnungswesens). Diese Maßnahmen haben die Arbeit erschwert und zudem zusätzliche Kosten verursacht.

Studierende, Lehrende und Beschäftigte sind daher in einer Weise belastet, die sinn- und freudvolle Lehre, Forschung und Bildung sowie produktive Verwaltung und Selbstverwaltung nur noch schwer oder auch nicht mehr möglich machen.

Hier muss grundlegend etwas geändert werden.

III. Die Schuldenbremse ist ein falsches Argument.

Hamburg ist eine der reichsten Städte der Welt und kann sich ausfinanzierte, wachsende Hochschulen leisten.

Dagegen ist der einzige in dem Brief vorgetragene Grund „die Einhaltung der Schuldenbremse“. Zum Abbau der Staatsschulden seien Kürzungen alternativlos.

Der starren Politik mit der Schuldenbremse steht der zivilisatorische Nutzen sozial offener Hochschulen, demokratischer Bildung und unabhängiger Forschung als Alternative gegenüber. Eine Ausgabensteigerung hierfür würde selbst dem wirtschaftlichen Erfordernis entsprechen, die gesellschaftliche Produktivität kulturell und materiell zu erhöhen. Und sie würde eine sozial und ökologisch verantwortliche Entwicklung der Ökonomie begünstigen und damit weiteren Krisen vorbeugen helfen.

Aus diesen Gründen ist eine haushalts- und wissenschaftspolitische Umkehr notwendig und möglich.

IV. Kürzungen sind keine Aufstockung – Richtigstellung zur finanziellen Sachlage.

Mit der wachsenden Bedeutung von Bildung und Wissenschaft für die Zukunft der Gesellschaft wachsen auch die Aufgaben und Anforderungen für die Wissenschaftsinstitutionen. Für eine transparente Klärung der finanziellen Sachlage ist also erforderlich, die Entwicklung der Hochschulbudgets ins Verhältnis zu den Aufgaben der Hochschulen zu setzen. Zudem sind Änderungen der politischen Rahmenbedingungen, insbesondere der Haushaltspolitik des jeweiligen Senats zu berücksichtigen.

In dem Brief ist zutreffend die nominelle Budgeterhöhung für die Universität von 2010 (242,5 Mio. Euro) auf 2011 (244,3 Mio. Euro) in Höhe von 1,8 Mio. Euro (0,7%) angegeben. Dem stehen im wesentlichen zwei politisch entschiedene und betriebene Entwicklungen entgegen, die zu einer faktischen Kürzung führen:

a) Neue kostenrelevante wissenschaftliche Aufgaben für die Universität in Höhe von 3,5 Mio. Euro,¹

b) Übertragung neuer finanzieller Belastungen auf die Universität in Höhe von 13,1 Mio. Euro.²

In dem Brief werden zwar die Budgeterhöhung benannt, jedoch werden die diese weit übersteigenden Mehrbelastungen verschwiegen. (Eine detaillierte Erläuterung der Mehrbelastungen kann nachgelesen werden unter: http://www.uni-hamburg.de/Kampf_um_die_Zukunft/hintergrundinfos.html)

In dem Brief ist korrekt angegeben, dass den Hochschulen aus dem sogenannten Hochschulpakt einmalig 63 Mio. Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Unterschlagen wird aber, welchem Zweck diese Mittel dienen.

Aufgrund der verkürzten Schulzeit zum Abitur auf 12 Jahre und der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht ist politisch gewollt, dass an allen Hochschulen zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Die Universität erhält also erst jetzt und viel zu spät die finanziellen Mittel für längst erbrachte zusätzliche Arbeit.

Der Brief verweist auf – der Betrag stimmt soweit – knapp 90 Mio. Euro Rückstellungen, welche die Universität gebildet hat. Was nicht erläutert wird: Vor dem Hintergrund großer Unzuverlässigkeit der staatlichen Budgetplanung, bei generell zu knappen Mitteln und unter den Bedingungen eines Globalhaushaltes sind solche Rückstellungen zwingend. Regelmäßig erforderliche Anschaffung und Instandhaltungen von Großgeräten sowie die Stellenausstattung für eine auch nur mittelfristige Planung der Personalentwicklung wären sonst nicht möglich.

Schon die Alltagserfahrung lehrt: Je weniger und unregelmäßiger Geld in einem Haushalt zur Verfügung steht, desto langfristiger müssen z.B. die Anschaffung eines Autos oder gar die Ausbildungskosten für die Familienmitglieder vorausgeplant werden. Falsch ist der in dem Brief erweckte Eindruck, die Hochschulen könnten bereits eingenommene, aber noch nicht ausgegebene Studiengebühren beliebig zum Ausgleich der Kürzungen verwenden. Die Mittel sind in der Verwendung fest gebunden und verplant.

V. Zusammenfassung

1. Der Etat der Hochschulen wird nach der derzeitigen Planung des politischen Senats faktisch erheblich eingeschränkt.

2. Die finanziell desaströse Lage an der Universität wird auf diese Weise verschärft.

3. Wenn der Etat nicht erheblich aufgestockt wird, ist den Hochschulen die Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht möglich.

Es wäre für die Versachlichung und Produktivität der Diskussion hilfreich, wenn die dargelegten Inhalte in der weiteren Argumentation durch den Senat berücksichtigt werden.

Der Senat muss für eine zukunftsorientierte Politik seine Haushaltsplanung ändern.

1 Eine neue Stelle für Katholische Religion: 515 Tsd. Euro,
Energiekosten durch Erweiterungen des „Regionalen Rechenzentrums“ (rrz), des „Deutschen Klimarechenzentrums“ (DKRZ) sowie ein neues „Zentrum für Optische Quantentechnologien“ (ZOQ): 770 Tsd. Euro,
Neubau und Zwischenunterbringung für das „Center for Free-Electron Laser Science (CFEL)“: 380 Tsd. Euro,
Interimsunterbringung für weitere Einrichtungen der Uni: 1.567 Tsd. Euro,
Prüfungsorganisation für angehende Lehrer (bisher staatlich verantwortet): 300 Tsd. Euro.

2 Gestiegene Aufwendungen für Versorgungszuschläge und bei Kosten für Leistungen bei Einrichtungen der FHH: 0,543 Mio. Euro,
Tarifsteigerung aus 2010: 7,809 Mio. Euro),
Differenz bei Inflationsausgleichen 2008 und 2009 zwischen „Warenkorb“ und real wirksamer Preissteigerung für die Universität (überdurchschnittlich gestiegene Energiekosten): 1,455 Mio. Euro,
Inflationsausgleiche 2010 und 2011: 1,722 Mio. Euro,
Wegfall der Kompensation für die Umstellung der Studiengebühren von 500,- Euro auf 375,- Euro nachgelagerte Gebühren: 1,639 Mio. Euro


II.5. Aktionswoche

Ein weiterer Beschluß des Akademischen Senats vom 8. September 2011

Der Akademische Senat begrüßt einstimmig die begonnenen Aktivitäten zur Aufklärung der Universitätsmitglieder und der Bürgerinnen und Bürger über die Budgetsituation und die künftige Entwicklung der Universität. Er empfiehlt, die zweite Vorlesungswoche zur Projektwoche zu erklären und darin einen dies academicus festzulegen, an dem eine gruppenübergreifende Vollversammlung durchgeführt werden könne, zu der der AStA und die Personalräte einladen könnten, und auf der ggf. eine Demonstration beschlossen werden könne. Der Akademische Senat empfiehlt des Weiteren, dass sich die beteiligten Kräfte absprechen und zusammenarbeiten. Der Akademische Senat bittet den Präsidenten, die Lehrenden in einem Rundschreiben aufzufordern, darauf zu achten, dass den Studierenden durch die Teilnahme am dies academicus keine Nachteile entstünden.


II.6. „Hochschulvereinbarung“ – Pakt für Entwicklung?

Trotzt dieses fortgesetzten Engagements sieht sich der Präsident der Uni genötigt, am 21. Oktober 2011 eine „Hochschulvereinbarung“ mit dem bockbeinigen Senat zu schließen.
Der kulturelle Gewinn der Solidarität im „Kampf um die Zukunft“ zeitigt selbst dabei notwendigerweise materielle Erfolge: Die Studiengebühren werden – wenn auch erst Ende 2012 – abgeschafft und weitgehend staatlich kompensiert. Die globale Minderausgabe wird ebensowenig den Hochschulen auferlegt, wie die Zinskosten für die nachgelagerten Studiengebühren. Das Studierendenwerk wird überhaupt wieder staatlich bezuschußt.
Die nun auf den Weg gebrachte „Hochschulvereinbarung“ zwischen Hamburger Senat und Präsidium der Universität wird deshalb in der Uni kritisch beleuchtet und als Zwischenbilanz und Ausgangspunkt für die Ausweitung des kritischen Engagements aufgefaßt.
Wir stellten am 18. Oktober 2011 an das Präsidium in diesem Sinne „Fragen zur Hochschulvereinbarung“:

„Dem Papst einen Bart machen, heißt das reformieren?“

Georg Christoph Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkungen“, Heft E, 1775-1776.

Sehr geehrtes Präsidium und ebenso geschätzte Mitglieder des Akademischen Senats,

im „Hamburger Abendblatt“ vom 15./16.10.2011 ist zu lesen („Hamburg befreit Uni vom Sparzwang“), daß sich Präsidium und politischer Senat auf einen „Zukunftsvertrag“ geeinigt hätten. Die Berichterstattung darüber ist positiv.

In diesem Zusammenhang sei an den Brief des AS (September 2011) an die Senatorin erinnert:

„Der Akademische Senat bekräftigt, dass die Universität einen Beitrag zur zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung der Gesellschaft leisten und somit ihrer öffentlichen Verantwortung aktuell gerecht werden will. Die Universität will sich der Herausforderung stellen, Perspektiven für gestaltendes Eingreifen in gesellschaftliche Entwicklungen zu eröffnen, anstatt bestehende Gegebenheiten nachzuvollziehen.
Die Qualität von Forschung und Lehre muss sichergestellt werden, um die Identifikation mit der Universität und die individuelle Motivation zur Gestaltung und Mitwirkung an Entwicklungsprozessen sowie die innere Stabilität und den Zusammenhalt zu stärken.“

Mit diesem Bezug fragen wir:
— Soll vorgesehen bzw. vereinbart werden, daß die jahrzehntelange Unterfinanzierung der Universität tatsächlich behoben wird? Gibt es dabei eine Zukunftskomponente?
— Soll allen Bachelor-Studierenden ein Masterplatz zur Verfügung stehen?
— Bedeutet die Verpflichtung, fünf bis zehn Prozent der Verwaltungsaufgaben zu kürzen, eine Stellenkürzung bzw. Mehrbelastung für die entsprechenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?
— Sind bei der „Personalautonomie“ hinkünftig tarifliche und Mitbestimmungsrechte verbindlich gesichert?
— Ist vorgesehen, die Universität – auf allen Ebenen – zu redemokratisieren?
— Sollen die Ba-/Ma-Studiengänge nachhaltig reformiert werden (Entschleunigung, mehr Eigenständigkeit und Wissenschaftlichkeit, Befreiung von Repressionen)?
— Ist bei der Kompensation der Studiengebühren der Anteil für das Studierendenwerk wieder „herausgerechnet“?
— Wie sollen bei der eigenständigen Bestimmung der Studierendenzahl durch die Universität die Belange der Studierenden berücksichtigt werden?

Alle Fragen haben Bedeutung.

Der „Kampf um die Zukunft“ ist nicht endlich – für die Universität, Hamburg und die Welt.

Mit kollegialen Grüßen
Golnar Sepehrnia & Olaf Walther


II.7. „Mehr Solidarität schaffen – Antworten zur Hochschulvereinbarung“ (Flugblatt)

„Liebe sprach zum Gott der Lieder,
Sie verlange Sicherheiten
Ehe sie sich ganz ergebe,
Denn es wären schlechte Zeiten.
Lachend gab der Gott zur Antwort:
Ja, die Zeiten sich verändern,
Und du sprichst jetzt, wie ein alter
Wuchrer, welcher leiht auf Pfändern.
Ach, ich hab’ nur eine Leier,
Doch sie ist von gutem Golde.
Wieviel Küsse willst du borgen
Mir darauf, o meine Holde?“

Heinrich Heine, Solidität, Romanzero, 1851.

Vergangenen Donnerstag stellte Uni-Präsident Lenzen dem Akademischen Senat (AS) seine „Hochschulvereinbarung“ mit Wissenschaftssenatorin Stapelfeldt vor. Ab 2013 soll die Uni demnach mit 280 Millionen Euro auskommen. Das ist kein Plus, sondern ein Hütchenspiel. Enthalten sind der bisherige Etat von 244 Mio. Euro sowie Mittel, die bisher aus anderen Quellen kamen: ca. 22 Millionen Euro Ersatz für Studiengebühren, die Tarif-Steigerungen diesen und des nächsten Jahres und Gelder für zusätzliche Investitionen. Von 2013 bis 2020 soll der Etat – unterhalb der durchschnittlichen Inflation von 2,5 % – um jährlich nur 0,88 % angehoben werden. Erreicht ist also, daß die Einschnitte nicht so tief sein sollen, wie bisher angedroht. Dennoch würde das Uni-Budget jährlich real um 0,7 % schrumpfen.

Damit kann niemand ehrlich einverstanden sein:
— Die jahrzehntelange Unterfinanzierung würde fortgeschrieben.
— Beim Studierendenwerk würden weiterhin 1,3 Mio. Euro gekürzt.
— Der vereinbarte 1:1-Übergang vom „Ba“ zum „Ma“ ginge leicht auf Kosten von Studienanfängerplätzen.
— Die bedarfsgerechte Öffnung der Universität, die mit räumlicher, didaktischer und personeller Verbesserung einhergehen müßte, bliebe in einiger Ferne.
— Es wurde zwar die „Revision“ der Bologna-Reform beschlossen. Ungeklärt ist aber, wie bessere Studienbedingungen finanziert und die gesetzlichen Restriktionen gelockert werden sollen.
— Eine geplante „Aufgabenkürzung“ der Verwaltung von „bis zu 10 %“ wäre unter „Spar“- Bedingungen nicht ohne Stellenabbau realisierbar.
— Mehr Demokratie (besonders bei Studienreform, Leitungswahlen sowie Struktur- und Haushaltsplanung unverzichtbar) ist nicht Teil der Verabredung.

Diese Chose ist weder befriedigend noch befreiend. Als Teil der globalen Bewegung, Wissenschaft und Bildung für sozialen Fortschritt und Frieden zu entwickeln, ist der Kampf für eine erfreuliche Zukunft ebenso wenig käuflich wie endlich: „Die Universität will sich der Herausforderung stellen, Perspektiven für gestaltendes Eingreifen in gesellschaftliche Entwicklungen zu eröffnen, anstatt lediglich bestehende Gegebenheiten nachzuvollziehen.“ (Aus: Stellungnahme des AS vom 8.9.2011.)

Privater Reichtum und allgemeiner Mangel sind ein Widerspruch, der überwunden werden muß. Die Chance des Umbruchs ist, solidarisch bessere Bedingungen zu schaffen.

Schreiten wir also gemeinsam weiter voran.


II.8. Auswertung des Besuchs der Wissenschaftssenatorin im AS am 27. Oktober 2011

Wegen dieser Unzufriedenheit beschließt der Akademische Senat, den Kampf um die Zukunft fortzuführen. In der Aktionswoche vom 21.-28. Oktober hatte sich deshalb der AS auch die Wissenschaftssenatorin zur Diskussion seiner Forderungen eingeladen.
Ein Bericht:

„Es geht voran – Vom Besuch der Wissenschaftssenatorin im Akademischen Senat“ (Flugblatt)

„Daß ich etwas, ehe ich es glaube, erst durch meine Vernunft laufen lasse, ist mir nicht ein Haar wunderbarer, als daß ich erst etwas im Vorhof meiner Kehle kaue, ehe ich es hinunterschlucke. Es ist sonderbar, so etwas zu sagen, und für unsere Zeiten zu hell, aber ich fürchte, es ist für zweihundert Jahr, von hier ab gerechnet, zu dunkel.“

Georg Christoph Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkung“, [762], Heft F, 1776-1779.

Jüngst besuchte Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt den Akademischen Senat (AS), um die Forderungen des Kampfes um die Zukunft zu diskutieren: Angesichts der globalen und der universitären Krise will die Hochschule verstärkt für eine menschenwürdige, ökologisch nachhaltige und friedliche Lösung gesellschaftlicher Probleme arbeiten. Dafür sind aber die Überwindung neoliberaler Zumutungen (nicht zuletzt Top-Down-Management und zerhackte Ba/Ma-Studien) als auch eine bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung nötig.

Die Senatorin bestritt dies nicht. Sie verspricht ein neues Hamburgisches Hochschulgesetz (HmbHG) für eine Demokratisierung bis Ende 2012. Auch größerer Wissenschaftlichkeit des Studiums ist sie zugeneigt. Aber weder eine Konzeption für die erweiterte zivilisierende Bedeutung von Bildung und Wissenschaft noch für die zügige Lösung der drängenden Probleme der Hochschule war daraus abzulesen. Allein: Die mit dem Präsidium vereinbarte „Planungssicherheit“ sei ein großer Schritt nach vorn.

Präsidium und Senat hatten Ende Oktober verabredet, einmalig den Uni-Etat von 242 Mio. Euro auf 280 Mio. Euro (in 2013) „anzuheben“. In Wirklichkeit sollen lediglich Mittel, die bisher aus anderen Quellen der Universität zugeflossen sind (Studiengebühren, Investitionsmittel, Tarifsteigerung), künftig direkt in der staatlichen Zuweisung an die Uni auftauchen. Bis 2020 würde der Haushalt dann – unterhalb der durchschnittlichen Preissteigerung – nur noch um jährlich 0,88 % angehoben werden. Bei wachsenden Aufgaben erhielte die Universität demnach also nicht mehr, aber immerhin weniger Mittel weniger als angedroht.

Aufgrund der „Schuldenbremse“, so die Senatorin, sei leider mehr nicht möglich. Zwar gäbe es eine erhebliche Diskrepanz zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut in der Stadt; dieser sei aber nur über Bundesgesetze steuerlich beizukommen, die erst mit der nächsten Bundestagswahl zu erreichen seien. Dies wurde aus dem AS und der Hochschulöffentlichkeit in Frage gestellt: So zeigt beispielsweise die breite Akzeptanz einer Finanztransaktionssteuer aufgrund wachsender sozialer Bewegungen, daß eine Umkehr zugunsten des Ausbaus sozialer und kultureller Errungenschaften unausweichlich ist. Durch gemeinsame Kämpfe ist dieser Prozeß erheblich zu beschleunigen. Scharf kritisiert wurde die Fortsetzung des Mangels an den Hochschulen, der eine unproduktive und bedrückende Konkurrenz (in Forschung, Studium und bei der Zulassung) schürt, wo eigentlich humane Produktivität dominieren müßte. Hervorgehoben wurde, daß Bildung und Wissenschaft besonderer Förderung bedürfen, damit sie Motor kritischer Erkenntnis für die grundlegende Überwindung der weltweiten Krise sind. Daß die „Schuldenbremse“ dagegen von eben jenen Politikern als „Sachzwang“ dargestellt wird, die sie vor knapp drei Jahren erst selbst ins Grundgesetz stimmten, ist schlicht selbst verschuldet.

Auswertend stellte der AS fest, daß die Senatorin sich um ein gutes Verhältnis zur Uni bemüht. Eindeutig wurde mit dem gemeinsamen Eingreifen ein leicht verbessertes Niveau der Hochschulfinanzen und eine Gesprächsbereitschaft erreicht, die nun als Grundlage weiteren solidarischen Engagements für verantwortungsbewußte Wissenschaft und Bildung in demokratischen und sozial offenen Hochschulen gelten können. Unverdrossen will der AS deshalb den Kampf um die Zukunft fortsetzen: Gespräche mit anderen Senatoren und mit Abgeordneten sollen gesucht werden. Zur weiteren universitären Positionsbildung wird eine Stellungnahme zur Hochschulvereinbarung erarbeitet.

Die Ansprüche wachsen.


III. Solidarität

Die normierende Politik der vergangenen Jahre mit Leistungszahlungen (Studiengebühren), dem selektiven gestuften Studiensystem (Bachelor/Master), Unterfinanzierung und restriktivem Top-Down-Management arbeitet mit der Angst vor „Versagen“ und Ausgrenzung. Dies war gerichtet auf eine gesteigerte Kultur von Einzelkampf und Rücksichtslosigkeit. Dagegen ist der größte Erfolg des „Kampfs um die Zukunft“ die Herausbildung einer neuen Kultur der Solidarität. Die ist auch innerhalb der Universität neu zu entwickeln. Beispielhaft mag dafür unsere Stellungnahme zum „Zukunftkonzept Universitätsverwaltung“ – einem Beratungsprozeß über die künftige Organisation, Arbeitsinhalte und -bedingungen für das Technische-, Verwaltungs- und Bibliothekspersonal der Uni sein:


III.1. Stellungnahme zum „Zukunftskonzept Universitätsentwicklung“

Studentische Stellungnahme für das Projekt „Zukunftskonzept Universitätsverwaltung“

0. Vorsatz

Im nachstehenden Text beantworten wir nur die uns gestellte Frage „Wo sehen Sie in Ihrem Bereich Probleme in/mit der Verwaltung?“ Wir beschränken uns dabei auf die größten Probleme, die wir als Studierende erleben. Und wir gehen nicht näher auf die engagierte positive Arbeit zahlreicher Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung ein, die es zweifellos gibt. Wir wollen deshalb am Anfang einmal klarstellen: Würde die Verwaltung so hierarchisch, „leistungs“- und „leitungs“-orientiert, pfennigfuchserisch und pedantisch arbeiten, wie es die Gesetzgeberin und manche inneruniversitäre Vorgesetzte insbesondere in den letzten zehn Jahren verlangt haben, wäre die Universität schon längst zusammengebrochen.

Wir verstehen Lehre, Studium, Forschung, Selbstverwaltung und Verwaltung als fünf gleichberechtigte und nur kooperativ zu realisierende Säulen der Universität. Diese Einheit ist eine Notwendigkeit sozial verantwortlicher, kritischer und demokratischer Bildung und Wissenschaft.

Sie ist ohne demokratische Strukturen und bedarfsdeckende öffentliche Finanzierung kaum zu realisieren.

Entsprechend ist dieser produktive kollegiale Gesamtzusammenhang durch die neoliberalen Hochschuldeformen der vergangenen 10-12 Jahre und die permanent verschärfte Unterfinanzierung seit über 30 Jahren erheblich gefährdet. Insbesondere die mit den Schlagworten der vorgeblichen „Verschlankung“ von Strukturen und „Deregulierung“ des Hochschulbereichs betriebene Verbetriebswirtschaftlichung von Arbeitsprozessen, Rechnungswesen, Kultur und Struktur der Universität hat zu einer bürokratischen Verselbständigung von Teilen der Universitätsverwaltung (insbesondere auf Fakultäts- und Präsidialebene) geführt, die durch permanentes Controlling nach wissenschaftsfremden Maßstäben eine Verschlechterung der Verwaltungstätigkeit mit sich gebracht hat. Insbesondere das „Controlling“ konstituiert eine Unkultur des Mißtrauens. Die kooperative Universitätskultur – soweit sie entwickelt war – ist teilweise durch eine Kommandostruktur („Top down“) verdrängt worden, die keiner demokratischen Gesellschaft, schon gar nicht einer Universität, angemessen ist. Die Arbeitsprozesse sind durch das lineare Auf- und Absteigen anstelle von Zusammenarbeit auf „einer Ebene“ auch nicht schneller oder besser geworden.

Diese Fehlentwicklung ist nicht nur dringend umzukehren, sondern sollte mit – im aktuellen „Kampf um die Zukunft“ erneuerten – kollegialem Selbstverständnis aller Mitgliedergruppen in eine egalitäre Kooperation für eine Wissenschaft münden, die einen humanisierenden Beitrag für die gesellschaftliche Entwicklung leistet und diesen Maßstab selbst täglich, praktisch, für alle Universitätsmitglieder einlöst. Nicht „Dienstleistung“ an vermeintlich wertvollerer Wissenschaft, sondern daß Bewußtsein ihrer unverzichtbaren Teilhabe am Wissenschaftsprozeß sollte das (Selbst-)Verständnis der Verwaltung prägen. Erst dieses egalitäre Verhältnis macht die Arbeitsbedingungen menschenwürdig.

Freude sei der Maßstab des Gelingens.

1. Studierendenverwaltung

Durch die Einführung von Studiengebühren, Bachelor/Master in sehr restriktiver Ausgestaltung und das dafür eigens geschaffene Kontroll-System „STiNE“ sind Teile der Uni-Verwaltung in die Rolle der Überwachung und Restringierung von Studierenden gedrängt worden. Das schärfste Beispiel hierfür ist, daß Verwaltungspersonal Studierende mit Gebührenforderungen bedrängt, zuweilen bis zur Konsequenz der Exmatrikulation.

Gerade die Studiengebühren, die aus gleichberechtigten Mitgliedern der demokratischen Institution ›Universität‹ „Kunden“ und „Dienstleister“ machen sollten haben damit erheblich zur Dekultivierung von Arbeits- und Lernbedingungen beigetragen.

Bei Studierenden wächst der Eindruck, an der Universität nicht gewollt zu sein und von „der Verwaltung“ ohne Verständnis der sozialen Lage zu extrem entwürdigender Praxis gezwungen zu werden. Durch solche Prozesse werden nicht nur Verwaltung und Studierende von einander entfremdet, sondern auch die Verwaltungsmitarbeiter können sich mit dem Gegenstand ihrer Arbeit nicht mehr identifizieren. (Sie verstanden sich gerade in Bereich des Studiums vorher als echte „Helfer“ für Studierende.)

STiNE belastet den studentischen Alltag. Sie macht Studierende zum Objekt eines intransparenten Systems. Die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen zu besuchen, abzubrechen, Prüfungs- und Abgabe-Fristen zu ändern etc. wird durch STiNE entmenschlicht. Kommunikation zur wissenschaftlich und/oder sozial vernünftigen Problemlösung hat hier häufig ihr Ende. STiNE sollte durch ein wirklich lernförderndes, nicht zu Kontrollzwecken eingesetztes System ersetzt werden, das inneruniversitär nach wissenschaftlichem und bildungsmäßig sinnvollen Maßstäben kreiert und gepflegt wird und nicht nach engen finanziellen und kapazitären Maßstäben, bzw. weitgehend zweifelhaften Prüfungsordnungen (Ba/Ma) gestaltet ist.

2. Verhältnis Akademische Selbstverwaltung/Verwaltung

Durch die vermeintliche Deregulierung und „Effizienzsteigerung“ in Gesetzgebung und Verwaltungsabläufen haben sich demokratisch legitimierte Gremien und Verwaltung erheblich voneinander entfernt.

Positiv wäre, wenn in den Gremien – z.Zt. Fakultätsräte, Akademischer Senat und ihre Ausschüsse – diskursiv Beschlüsse und Stellungnahmen erarbeitet würden und die Verwaltung diese Arbeit bzw. die Umsetzung dessen unterstützte.

Real hat die Verwaltung – insbesondere die Präsidialverwaltung – in den letzten Jahren häufig vor allem ihre Aufgabe darin gesehen, den Gremien deutlich zu machen, sie hätten keine Kompetenzen mehr, um deren Beschlüsse – zuweilen mit Verweis auf zweifelhafte Rechtspositionen – zu unterlaufen. Dies ist insbesondere bei der Erstellung von Prüfungsordnungen und den Fachspezifischen Bestimmungen ein Problem (mit Besserungstendenz). Aber auch in Fragen des Bauens, der Struktur- und Entwicklungsplanung, der Berufungen und der Wirtschaftsplanung hat sich die (Präsidial-)Verwaltung vielfach eher – und oft vorauseilend – als Instanz der Durchsetzung von Vorgaben der Behörde für Wissenschaft und Forschung gegen die universitäre Meinungsbildung verstanden, anstatt kooperativ mit Gremien und Uni-Mitgliedern Wege zu suchen, die universitären Interessen zu wahren. Dieser negative Anpassungsprozeß ist durch die Ökonomisierung der universitären Wirtschaftsplanung und Buchhaltung erheblich begünstigt worden.

Neben der gesetzlichen Stärkung der Gremien muß also auch in der Universitätsverwaltung das Bewußtsein für ein gesellschaftlich verallgemeinerbares universitäres Interesse wieder geweckt werden. „Preußen“ ist – samt seiner Beamtenschaft – seit 1945 abgeschafft.

3. Bibliothekswesen

Oft vergessener Teil des TVPs sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliotheken. Bei den Bibliotheken handelt es sich um wissenschaftliche Einrichtungen, die auch nach wissenschaftlichen – und oft stark fachspezifischen – Kriterien gestaltet und entwickelt werden müssen. Dafür mangelt es vor allem an qualifiziertem Personal, das zudem besser zu bezahlen wäre.

Für Studierende fehlen daher oft Ansprechpartner, Einführungen in das wissenschaftliche Arbeiten mit den Bibliotheken und die Qualität der Fachbibliotheken leidet erheblich.

4. Technische Hilfskräfte (insb. MIN-Fakultät)

Gerade in experimentell arbeitenden Fächern übernehmen Mitglieder des TVP unverzichtbare Aufgaben im Studium. Sie bilden eine wichtige Verbindung zwischen Forschung und Lehre und sind für viele Studierende erste Ansprechpartner bei Fragen zu Experimenten, Praktika, Laborsicherheit etc. Die Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich sind aber 1. überlastet und werden 2. häufig nicht als „vollwertige“ Menschen in hierarchischen Strukturen erachtet. Beides schränkt ihre Handlungsfähigkeit für Forschung und Lehre übel ein.

5. Geschäftszimmer

Die Tendenz zur Auflösung von Geschäftszimmern auf Instituts- oder Fachbereichsebene ist falsch.

Denn abgesehen davon, daß diese für die Zusammenarbeit im jeweiligen Fach strukturbildend sind, sind sie auch wesentliche Ansprechpartner für Studierende (und alle anderen Mitgliedergruppen) in allen nicht ganz planbaren Fällen des universitären Alltags. Hier haben die Institute ihr Gedächtnis, ihre täglich gruppenübergreifend vermittelnde Arbeitsplattform, ihre Erreichbarkeit, ihre Kommunikationsorte. – Unverzichtbar!

6. Studienbüros

Sinnvolle Neuerungen – jedenfalls unter der Bedingung sehr unübersichtlicher und hürdenreicher Ba/Ma-Studiengänge – sind die Studienbüros. Sie sind aber grundsätzlich unterausgestattet, die Kolleginnen und Kollegen sind überlastet, können deshalb häufig in den Beratungen nicht genug helfen und dort gewonnene Erkenntnisse über Erfordernisse der Studienreform oder der Studienorganisation nicht in die Studienreform einbringen oder die notwendigen Änderungen bei STiNE nicht veranlassen/realisieren. Damit wird deren Alltag zu einem frustrierenden Abarbeiten von Schwierigkeiten.

Die Überlastung der Studienbüros führt auch dazu, daß sich die Kolleginnen und Kollegen teilweise – um der aufgehäuften Arbeit Herr zu werden – für Änderungen der Studienordnungen und Prüfungsbestimmungen einsetzen, die zulasten von Studierenden gingen. Damit wird durch den Mangel unproduktive Gegnerschaft geschaffen.

7. Fachbereichsreferenten/Planer

Der Erhalt dieser Stellen (als vernünftig bezahlte Ganztagsstellen) ist unbedingt erforderlich. Nicht nur, daß die Fächer eine vernünftige Koordinierung von der Kapazitätsberechnung bis zur Begleitung von Berufungsverfahren unbedingt brauchen. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Wiedereinführung von Organisationseinheiten unterhalb der Fakultätsebene mit (teil-)demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen macht auch erforderlich, daß dem eine Verwaltungsebene entspricht.

8. Prüfungswesen

Die Prüfungsämter sind prinzipiell unterausgestattet, die Kolleginnen und Kollegen dort deshalb notorisch überfordert. Das macht nicht freundlich und nicht hilfreich.

Dafür ist STiNE auch keine Lösung. Studierende, erst recht im Streß der Abschlußarbeiten/-prüfungen, brauchen menschliche Ansprechpartner.

9. Hausmeister, technischer Dienst, PriMa etc.

Auf dieser Ebene wird zwar hervorragende Arbeit gemacht. Aber das Outsourcing der letzten Jahre hat diese Qualität erheblich eingeschränkt. So sind schon die Instandhaltung der Gebäude, kleinere Reparaturen (z.B. an Fenstern), die Pflege des Campus und der Wege dadurch erheblich erschwert.

Die Wiederherstellung von arbeitsfähigen Teams von teilweise handwerklich qualifizierten Arbeiterinnen und Arbeitern für Gebäude oder Gebäude-Gruppen würde die Funktionsfähigkeit technischer Anlagen, der Räume und damit die Arbeits- und Lernbedingungen wieder verbessern.

Eklatantes Beispiel für diesen Mangel durch Out-Sourcing ist im Übrigen, daß bei Schnee und Eis keine Adäquate Räumung mehr erfolgt.

Die PriMa ist zwar für Studierende so gut wie unsichtbar, aber für die zügige und qualitätvolle Herstellung von Material für Lehrveranstaltungen und Prüfungen, für Publikationen aus Lehrveranstaltungen u.ä. unverzichtbar. Nur universitätsangehörige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dafür schnell genug ansprechbar, wissen um die Erfordernisse und können auf sich ändernde Ansprüche angemessen reagieren.

10. Conclusio

Die Universität muß besser finanziert werden. Vor allem im dezentralen, „wissenschaftsnahen“ Bereich fehlt es an Verwaltungsstellen. Die meisten Kolleginnen und Kollegen sind unterbezahlt und überlastet. Mehr Kolleginnen und Kollegen, bessere Gehälter/Löhne, mehr Zeit, mehr Weiterbildung, mehr Beteiligung in der Personalvertretung und in den akademischen Gremien sind Bedingungen der Verbesserung der Universitätsverwaltung.

Es sollte endlich von allen anerkannt werden, daß das TVP gleichwertiger Teil der Universität ist und zunehmend erhebliche Aufgaben im Studium, in der Studienorganisation und in der Studienberatung übernimmt.

Der Inhalt der Arbeit muß wieder von der Überwachung von Studierenden, der Verwendung zu knapper Mittel, der Gremien etc. hin zu einer kooperativen Interessenwahrnehmung aller Universitätsmitglieder nach Maßstäben des universitären Leitbildes gehen.

Dafür müssen auch gesetzliche Bedingungen geändert werden: Gebührenfreiheit des Studiums ist dabei ein ernstzunehmendes Exempel.

Dafür ist gemeinsam zu kämpfen.

Olaf Walther & Golnar Sepehrnia, Hamburg, den 7. Juli 2011


III.2. Antwort des Akademischen Senats an die Kolleginnen und Kollegen der PriMa

Privatisierung hat besonders die Universitäre Poststelle und Druckerei „Print & Mail“ (PriMa) gelitten. Im Frühsommer wendeten sich die Arbeiterinnen und Arbeiter dieser Abteilung hilfesuchend an den Akademischen Senat, der daraufhin die nachstehende Antwort und Empfehlung an das Präsidium ausarbeitete. Das Präsidium hat nun entschieden, diese Abteilung zu erhalten, ihr eine fachliche Leitung (Drucker) zu geben, um sie künftig im Rahmen der Reorganisation der Verwaltung auch ausbauen zu können.

Beschluß des Akademischen Senats vom 27. Oktober 2011

Hamburg, den 21. Juli 2011

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der PriMa!

Wir danken Ihnen für Ihren Brief. Ihre Einschätzung der Bedeutung Ihrer Arbeit und Ihren Wunsch, die PriMa wieder herzustellen und dem Bedarf einer voll funktionsfähigen Universitätsdruckerei und Poststelle entsprechend auszustatten, teilen wir.

Der Akademische Senat hat sich nun mit den aufgeworfenen Problemen befaßt. Er hat die Meinung der Kanzlerin in seiner Juli-Sitzung gehört und eine Arbeitsgruppe gebildet, die Gespräche mit zahlreichen Beschäftigten der Universität geführt sowie die Gutachten zur Entwicklung der PriMa studiert hat. Auf dieser Basis kommt der AS zur folgenden Einschätzungen:

Die Entwicklung sollte an den vom Innenrevisor der Universität aufgestellten und vom Präsidium im August 2009 beschlossenen Empfehlungen orientiert sein. Sie bilden die Potentiale der Abteilung und die Erfordernisse der Universität weitgehend ab (s. Anlage 1). Die PriMa ist erforderlich im akademischen Alltag, für die Publikationstätigkeit der Universität, für ihre Öffentlichkeitsarbeit, wissenschaftliche Tagungen und die Studierendenbetreuung.

Die PriMa trägt zudem mit „Print“ und „Mail“ erheblich zum Gelingen der Gremienarbeit bei und sollte bei der Verbesserung der inneruniversitären Informationspolitik sowie der Durchführung von Wahlen eine positive Rolle spielen.

Der Akademische Senat ist befremdet darüber, daß die Empfehlungen nicht zeitnah umgesetzt wurden. Dies scheint vorrangig daran zu liegen, daß dies zunächst mit einem Top-Down-Management versucht wurde, welches die Belegschaft verunsicherte und die Arbeitsfähigkeit einschränkte. In der Phase wachsender Unsicherheit und Konflikte wurden dann auch noch notwendige Maschinen demontiert bzw. nicht bedarfsgerecht erneuert, was die Krise verschärfte. Umso besser, daß Sie in der Belegschaft eine hohe Einigkeit über den Wert der Abteilung und ihre Erhaltenswürdigkeit als integrierte Poststelle und Druckerei der Universität erreicht haben, wie wir Ihrem Brief entnehmen.

Der Akademische Senat findet deshalb erstrebenswert, daß das Präsidium, die Präsidialverwaltung und die Belegschaft der PriMa einen Neustart unternehmen, der von einem hohen Maß an Kollegialität und Mitbestimmung geprägt sein muß. Dies ist eine große Chance, jene Einheit von Forschung, Lehre, Studium, Verwaltung und Selbstverwaltung zu praktizieren, die gegen die wissenschaftsfremde und unsoziale Ökonomisierung von Universität, wie sie in den letzten 10 Jahren forciert wurde, neu zur Geltung gebracht werden sollte. Dafür ist auch die PriMa nach unserem Verständnis und dem ausdrücklichen Wunsch der zahlreichen Unterzeichner_innen der Kampagne „Die PriMa soll bleiben“ bedeutsam. Die Universität sollte innerhalb des Öffentlichen Dienstes eine Vorreiterrolle humanisierter Arbeit in demokratischen Strukturen im Dienste der Allgemeinheit einnehmen. Eine in diesem Sinne moderne Einrichtung zeichnet sich durch einen hohen Grad sozialer Integration und Partizipation all ihrer Mitglieder aus, die sich auf gemeinsame Ziele wissenschaftlicher Produktivität verständigen.

Von diesem Anspruch ausgehend sind sogenannte Effizienzsteigerungen, z.B. durch Outsourcing und Stellenabbau, abzulehnen. Sie sind zudem unsozial, würden sinnvolle Arbeitszusammenhänge zerreißen sowie mit räumlicher und inhaltlicher Distanz auch den Zeitaufwand mehren. Zudem wäre die motivationale Grundlage für sorgfältige Arbeit gefährdet. Eine eindeutige Entscheidung des Präsidiums für die PriMa als integrierte Poststelle und Druckerei
der Universität halten wir deshalb für erforderlich. Auch soll damit der nun unnötig über zwei Jahre währende Schwebezustand, der für Sie sicher eine soziale, mentale und praktische Zumutung war, beendet werden.

Wir werden deshalb diesen Brief dem Präsidium zur Kenntnis bringen und dies mit der Bitte verbinden, zügig eine angemessene (Re-)Integration der PriMa und ihren Ausbau unter Einbeziehung aller Mitarbeiter_innen zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen
Der Akademische Senat der Universität


IV. Für die Zukunft planen und bauen

Der absurde Plan der CDU-geführten Regierungen, die Universität aus dem Grindelviertel zu beseitigen und in den Hafen (auf den Kleinen Grasbrook) zu verlegen ist von ihren Mitglieder, den Anwohnern und vielen Hamburgerinnen und Hamburgern unter Beteiligung der damaligen parlamentarischen Opposition solidarisch zurückgewiesen worden. Stattdessen wurde erkämpft, daß nun feststeht: Die Universität soll an ihrem historischen Ort, eingebettet in das ehemalige jüdische Viertel unter Wahrung des sozialkritischen, demokratischen und antifaschistischen Erbes ausgebaut werden.
Doch bisher gibt es nur einen Plan für einen (klotzigen) Ausbau des MIN-Campus, während sich die Behörde für Wissenschaft und Forschung um eine positive Entscheidung für den Erwerb des ehemaligen Fernmeldeamtes in der Schlüterstraße als Dispositions- und Erweiterungsfläche, die auch ein kultureller Gewinn für Großzügigkeit und die (räumliche) Einheit von Forschung, Studium und (Selbst-)Verwaltung wäre.
In diesem Zusammenhang bekommt der Kampf um die Zukunft neue konkrete Gestalt:


IV.1. Fernmeldeamt in der Schlüterstraße für die Universität nutzen!

Beschluß des Akademischen Senats vom 15. Dezember 2011

Die Universität muss dringend erweitert werden, damit sie ihren Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium gerecht werden kann. Seit einem Jahrzehnt gibt es außerdem einen wachsenden Renovierungsbedarf, und auch dafür sind Erweiterungsflächen erforderlich.

Entwicklungschance für Stadtteil und Universität

Das ehemalige Fernmeldeamt in der Schlüterstraße stellt eine hervorragende Erweiterungsmöglichkeit für die Universität direkt am Campus, in idealer Lage für die seit langem gewollte Zusammenführung der Fächer, dar. Es steht bereits und bietet ohne Nachverdichtung die Möglichkeit echter Zusatzflächen zum bisherigen Bestand der Universität. Die universitäre Nutzung des Gebäudes ist zudem ohne sinnvolle Alternative für die Anwohner und den Bezirk. Sie erleichtert die erforderlichen weiteren Bauaktivitäten organisatorisch und reduziert sie außerdem wegen der großen Fläche des Gebäudes erheblich, wodurch das Stadt- und Campus-Bild erhalten bleibt und die Arbeit in der Universität während der Erweiterung gut fortgesetzt werden kann.

Nutzbarkeit für die Universität

Das alte Fernmeldeamt ist für Institutsnutzung geeignet. Es hat im letzten Jahrhundert mehrfach bewiesen, dass es für sehr unterschiedliche Nutzungen hergerichtet werden kann. Das haben auch zwei Gutachten nachgewiesen, die 2001 und 2011 im Auftrag der BWF erstellt wurden. Auch in dem jüngsten Gutachten der BWF zur Nutzbarkeit des Gebäudes wird genannt, dass eine Herrichtung des Gebäudes für Institutsnutzung möglich ist. Allerdings wird die Tageslichtzufuhr moniert.

Aber durch die Kombination von Büroräumen, Seminar- und Arbeitsräumen sowie Fachbereichsbibliotheken ist eine adäquate natürliche Belichtung möglich. Das Gutachten belegt, daß Kauf und Herrichtung des Fernmeldeamtes erschwinglicher sind als ein vergleichbarer Neubau, selbst wenn die Büroräume wegen der Lichtzufuhr etwas großzügiger als die gesetzliche Minimalgröße geschnitten werden müssten, was der Arbeit ohnehin zuträglich wäre. Da die Höhe der Räume wegen abgehängter Decken und vorhandener Doppelböden vergrößert werden kann und wieder Lichthöfe in das Gebäude gebaut werden können, sind die Lichtverhältnisse im Gebäude zusätzlich erheblich verbesserbar.

Dringlichkeit

Die derzeitige Mieterin des Gebäudes, die Telekom, will in 2013 bis 2018 schrittweise ausziehen und der Immobilienfonds der Wölbernbank sucht als Eigentümer dringend einen Nachfolger. Schon Mitte nächsten Jahres zieht die Strabag AG, die den südost-Flügel des Gebäudes auf über 5000 Quadratmetern Fläche belegt, aus. So könnte bereits im nächsten Jahr ein Teil des Gebäudes für die Universität angemietet werden, und anschließend die übrigen Gebäudeteile schrittweise von der Universität belegt werden. Die Miete liegt sicherlich deutlich unterhalb derjenigen Mieten, die die Universität derzeit wegen akuten Platzmangels in anderen angemieteten Gebäuden aufbringen muss. Ab 2013 könnte das Gebäude von der Stadt auch gekauft werden. Auch die anfallenden Kosten dafür wären so staffelbar. Die Chance, das Fernmeldeamt für die Universität zu gewinnen, darf nicht erneut vertan werden.

Handlungsableitungen*

Daher fordert der Akademische Senat die BWF auf, mit dem Immobilienfonds der Wölbernbank über schrittweise Anmietung und späteren Kauf des alten Fernmeldeamtes in Verhandlung zu treten.

Er bittet das Präsidium der Universität, sich mit der Unterstützung der Gremien für die zügige universitäre Nutzung einzusetzen.

Er bittet die Dekanate dafür zu wirken, dass sich über die räumlichen Bedürfnisse bezüglich des Fernmeldeamtes in den benachbarten Fakultäten verständigt wird und die Wünsche zügig konkretisiert werden.

Akademische Senat bittet das Präsidium in Bälde einen Entwicklungsplan für den Campus Von-Melle-Park vorzulegen, in dem das ehemalige Fernmeldeamt einbezogen ist.

* Anm. d. Red.: Der Akademische Senat hat außerdem beschlossen, den Senat der FHH nachdrücklich zu bitten, die mit der Nutzung des Fernmeldeamtes verbundenen Kosten zu übernehmen.


V. Mehr Vernunft! – Zur „Reform der Studienreform“

Beschluß des Akademischen Senats vom 14. April 2011

Der Akademische Senat beauftragt den Ausschuß für Lehre & Studium damit, in Kooperation mit der Abt. 3 einen transparenten Report über den Stand der „Reform der Reform“ sowie Maßstäbe und Kriterien für eine kohärente Studienreform der Universität zu entwickeln, die in den Gremien neue Schritte anregen sollen.

Der ALSt ist zudem damit beauftragt, gesetzliche Änderungswünsche in Bezug auf das Studium auszuarbeiten, die eine wissenschaftliche und demokratische Studienreform begünstigen.

Begründung

Die Diskussion der Bologna-Reform im Akademischen Senat im Juli 2010 – unter Beteiligung der Studiendekane – hat gezeigt, daß über das neue Studiensystem starke Ernüchterung eingetreten ist und vielfältige Anstrengungen zu seiner nachträglichen Verbesserung insbesondere nach wissenschaftlichen und sozialen Kriterien unternommen werden bzw. unternommen werden müssen.

Diese Aktivitäten sind aber sowohl durch gesetzliche und (finanz-)politische Vorgaben eingeschränkt als auch unzureichend durch gesellschaftsbezogene bildungs- und fachwissenschaftliche Vorstellungen untersetzt. Der fächer- und fakultätsübergreifende Austausch über die Ziele der Studienreform und ihre wesentlichen Elemente sollte verbessert werden. Auch der veränderte politische Rahmen eröffnet bei klar formulierten universitären Absichten das Feld für eine Rückgewinnung wissenschaftlicher und kultureller Substanz im Studium. (Vgl. Interview mit der Wissenschaftssenatorin in Die Welt vom 8. April 2011.)

Diese Erfordernisse sollten mit Elan verfolgt werden.