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Erfolg für wenige oder Bildung für alle?
„Seien Sie stolz auf die alte Dame [Universität Hamburg], indem Sie stolz sind auf ihre Leistungen, auf die großen Namen, die sie hervorgebracht hat und übrigens auch auf sich selbst, und lassen wir uns nicht zum Opfer schwerer Zeiten machen, denn wer sich als Opfer, als zu kurz Gekommener, als Gescheiterter, als Vernachlässigter, als schlecht Behandelter konstituiert, der hat schon verloren, weil die Umgebung diese Selbstzuschreibung nur zu gern übernimmt und sie zurückspiegelt.“
Dieter Lenzen, Präsidentschaftsanwärter, Rede anl. des Festakts zum 90. Gründungsjahr der Universität Hamburg, 19.10.2009.
„Franz: (...) Jeder hat gleiches Recht zum Größten und Kleinsten, Anspruch wird an Anspruch, Trieb an Trieb und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht wohnet beim Überwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere Gesetze. (...)“
Friedrich Schiller, „Die Räuber“, erster Akt, erste Szene, 1781.
Es war sicher ein gnadenvoller Zufall, daß der designierte Uni-Präsident einen Monat vor seiner geheimen Kür Festredner anläßlich des exklusiv im Rathaus begangenen Uni-Jubiläums war. So hat die zu kurz gekommene, gescheiterte, vernachlässigte und schlecht behandelte Öffentlichkeit die Möglichkeit nachzulesen, wie der Mann mit einer Kombination aus rhetorischem Honig für die Damen- und Herrenbärte und scheinbar sozialkritischer Stichwortgeberei - Vorsicht: elitäre Intellektuelle von deutscher Strenge und Tradition wie Helmut Schelsky und Carl Schmitt gehören zu den geistigen Vorbildern des Honighändlers - ein neoliberales Hochschulprogramm grob umreißt: Nachbesserungen bei Ba/Ma und Hochschulgesetz, globale Vermarktung der Uni Hamburg und vor allem ihre gleich zweifache Plazierung mit „Exzellenzclustern“ im „Elite-Uni“- Programm von Bund und Ländern.
Als Verheißung zieht diese Vorstellung allenfalls, wenn ängstlich die falschen Prämissen akzeptiert werden: „Ich meine die Tatsache, dass der Etat der deutschen Hochschulen in seiner Grundversorgung nicht steigen wird. Die Universität wird diese Herausforderung aufnehmen müssen und schauen, wo sie Ausgaben reduzieren, die berühmten synergetischen Effekte erzeugen und trotzdem leistungsfähig und vergnügt sein kann.“ (ebd.) Die zweite Prämisse wurde vorerst aus Reklamegründen unterschlagen: „Es geht darum, Wissenschaft in und aus Deutschland konkurrenzfähiger zu machen. Eine nennenswerte Zahl von Ländern hat, zumindest in einzelnen Wissenschaften, Deutschland überholt. Die Forschungsresultate werden dort gekauft und nicht hier.“ (D. Lenzen: „Ein Erfolg für alle“, Der Tagesspiegel, 02.11.2006.) Hier wird uns eine notwendig zu verändernde politische Tat-Sache als Quasi-Natur dargeboten: Der umfassende und zersetzende „Wettbewerb“. Alle gegen alle, auch in der sogenannten Wissenschaft. Da müsse sich jeder anstrengen; das sei der „Erfolg für alle“, auch und gerade, wenn hier und da einer Hops geht.
Sollen wir also Mangel, Kürzen, Einstecken, Leisten, Kaufen, Verkaufen, Konkurrieren, Hetzen und Petzen (auch: „Deutschland“) stolz befürworten, um niemals „Opfer“ zu sein? Sondern...?
Mit dieser militanten Leistungsvergnügungs-Konzeption von Siegern und Verlierern haben sich schon andere laut, stark und folgenreich verrannt.
Dieser Irrtum braucht Contra, bevor er sich ausbreiten kann.
Der Mensch als Objekt der Wissenschaft sowie ihrer profitablen Anwendung ist eine elitäre Konstruktion.
Aufgeklärte Humanität ist kritische Anteilnahme, gegenseitige Förderung, Bildung als Überwindung von Einschränkungen, produktive Muße zur Reflexion und wissenschaftlicher Kooperation in heiterem - internationalem - Zusammenhang für ein menschenwürdiges Leben: Vereintes Engagement für Aufklärung und Emanzipation.