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Wann haben wir genug vom Neoliberalismus?
„Der Mensch ist ein nützliches Lebewesen, weil er dazu dient, durch den Soldatentod Petroleumaktien in die Höhe zu treiben, durch den Bergmannstod den Profit der Grubenherren zu erhöhen, sowie auch Kultur, Kunst und Wissenschaft.“
Kurt Tucholsky (als Kaspar Hauser), „Der Mensch“, Die Weltbühne, 16.06.1931, Nr. 24, S. 889.
Die Universität Hamburg ist auch ein Ort aufklärender sozialer Opposition in der BRD. Das hängt mit der stadt-typischen Verbindung aus Weltoffenheit, bürgerlicher Aufklärung und Arbeiterbewegung zusammen. Darauf bezieht sich das Leitbild der Universität:
„Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung. (...) Sie [die Mitglieder] wollen zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen und Frauen und Männern gleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaft eröffnen. (...) Geleitet von diesem Bild einer weltoffenen, wissenschaftlich leistungsfähigen Universität setzt sich die Universität Hamburg die Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft für eine friedliche und menschenwürdige Welt (...) als Ziel(e) ihrer künftigen Entwicklung.“
(Leitbild Universität Hamburg, 1998.)
Diese Maßstäbe sind bemerkenswert aktuell und zukunftsweisend - für die Demokratisierung, die Studienreform und auch die Wahl einer neuen Uni-Leitung. Weil sie engagiert zur Geltung gebracht wurden, konnte die stur konservative Präsidentin Auweter-Kurtz nicht bleiben. Auch die Uni-Versetzung auf den Kleinen Grasbrook ist daran faktisch gescheitert. Die neoliberale Zerstörungsmacht findet ihre Grenzen vorwiegend in kollektiv praktizierter Humanität.
Es ist dagegen verantwortungslos und irrational, den möglichen kulturellen Richtungswechsel bis zum Letzten zu bekämpfen. Anstatt eine zügige Demokratisierung der Uni nicht zu behindern, zockt - mit Unterstützung des CDU/GAL-Senats, des Präsidiums, der Akademischen Senats-Mehrheit und des AStA - der wirtschaftsnahe Hochschulrat die Besetzung des Präsidentenamtes im geheimen Schnellverfahren durch. Die Einsetzung eines neoliberalen Zuchtmeisters soll inklusive Wahl im Hochschulrat und Bestätigung im Akademischen Senat am 19. November ohne einen Hauch von Demokratie exerziert werden. Dem Hörensagen nach wurden mehrere aufklärungsfreundliche Kandidaten zuvor ausgemustert.
Übrig sei der Präsident der FU Berlin, Dieter Lenzen. Der Kandidat ist Lobbyist für die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM). Dieser Verein der Metall-Arbeitgeber kämpft ideologisch für den Standort („Deutschland“), Studiengebühren, mehr Markt und weniger Sozialklimbim. Herr Lenzen ist in enger Verbindung zur BMW-Group (Quandt), pflegt gute Kontakte zum Bertelsmann „Centrum für Hochschulentwicklung“ (CHE) und der ebenso marktradikalen Unternehmensberatung „Roland Berger“. Dazu das passende Weltbild: Er propagiert die These des „Intelligent Design“, einer neo-kreationistischen Antiwissenschaft („Religion“), die auch G.W. Bush zur Legitimation seiner Handlungen herangezogen hat. Der so verbrämte Sozialdarwinismus materialisiert sich in einer ungehemmten Konkurrenz-, Leistungs- und Elitepolitik - sämtlich: Auslese -, die auf Kosten sozialer Offenheit, kritischer Wissenschaften und kollegialer Praxis rücksichtslos betrieben wird. Bildungskommerzialisierung und die Privatisierung universitärer Krankenhäuser sind typische Aktionsfelder des Bewerbers. Bei einer so offenkundig inhumanen Orientierung ist die Umgehung der Selbstverwaltungsgremien an der FU Berlin ein Dauerproblem. Weltanschaulich linken Professoren wird schon mal die Berufung verweigert. Überhaupt seien Berufungsverfahren überflüssig, man wisse selbst, wen man wolle. Die Erstsemester läßt der kleine Fürst vorzüglich von Bundespräsident Horst Köhler (CDU) begrüßen; Polizeieinsätze gegen zivil protestierende Studierende gehören quasi zum Semesterprogramm. In Berlin bleibt Herr Lenzen aus diesen Gründen nicht mehr lange im Amt.
Diese „Personalie“ wäre ein Schritt vom Regen in die Jauche.
Alltäglich Krieg? Oder doch, menschengemäß: aufgeklärte Kooperation?
Die Zeit ist reif für Opposition zum Zwecke von Verbesserungen.