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Produktive Erweiterung: Der Dies Academicus 2014
„Die Freude ist schwatzhaft.“
Gotthold Ephraim Lessing. Der Misogyne, III/11 (Lisette), 1748/1755.
Beim „Dies Academicus“ diskutierten über 400 Uni-Mitglieder die Studienreform: „Den Horizont erweitern“. Für die Überwindung der verwertungsorientierten Enge von „Bologna“ ging es historisch bewußt, realitätsnah und streitbar zu. So sollte Uni immer sein.
Eingangs reflektierte Uni-Präsident Dieter Lenzen an historischen Beispielen, daß es den Universitäten in den letzten 200 Jahren mehrfach gelungen ist, „die platten Bildungserwartungen aus dem politischen Raum bzw. den von Interessenträgern an ›human resources‹ zurückzuweisen.“ Als aktuelle Aufgabe hob er hervor: „Nicht nur ›In Sorge um Hamburg‹,(…) sondern in Sorge um die Welt sollten wir uns alle auf den Weg machen, uns von den Sorgen zu befreien, die uns eigentlich umtreiben müssen, nämlich von einer Eindimensionalität unserer Hochschulen hier in dieser Stadt, von der sie sich nur schwer wieder erholen würden.“ Ziel sollten „aufgeklärte kritische Weltbürger“ sein.
Der Erziehungswissenschaftler Hans-Christoph Koller erläuterte den Diskussionsstand zur Studienreform: Es gehe nicht um kanonisierte „Wissensinhalte“ und „Kompetenzen“, sondern Bildung stelle sich Problemen, „zu deren Bearbeitung wir alle aufgerufen sind“. Zu lernen sei die Fähigkeit und Bereitschaft, wissenschaftliches Wissen „sensibel und kreativ“ „auf jede besondere Situation“ und auf „je besondere Individuen“ zu beziehen. Dafür müsse sich die Universität den „epochal-typischen Schlüsselproblemen“ verantwortungsbewußt widmen. Und, etwas versöhnend: Erst so gelänge die Vorbereitung auf die berufliche Praxis.
Weiterentwickelt wurde dies von studentischer Seite. Franziska Hildebrandt, Mitglied der Vorbereitungsgruppe, leitete unter dem Titel „Menschenrecht und Wissenschaft – Für eine vertiefte Sinngebung des Studiums“ her, warum das Völkerrecht als „geronnene Erkenntnis aus zahlreichen Emanzipationskämpfen“ eine „erreichbare Landmarke“ menschenwürdiger globaler Entwicklung bezeichnet. Die kriegerische, extrem ungleiche und undemokratische Realität widerspricht diesem Recht. Um gegen die Profiteure dieses Unrechts aus der rechtlichen und ökonomischen Möglichkeit von Frieden und Wohlfahrt für alle, Wirklichkeit werden zu lassen, kommt es auf Aufklärung und internationale Solidarität der Mehrheit an. Dies zeige auch der studentische Erfolg bei der Wiedergewinnung der seit den 1970ern völkerrechtlich für die BRD verpflichtenden Gebührenfreiheit: „Das mit frischer Überzeugung wieder erstrittene Recht ist ein gefestigtes Recht“. „Wir spielen am Maßstab des Menschenrechts solange keine ›nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft‹, solange wir unser Interesse an den internationalen Mitmenschen und an der Welt für die Jagd nach Leistungspunkten und Zertifikaten verdrängen oder privatisieren müssen. Studienreform muß die Kluft zwischen dem Hochschulalltag und dem globalen und persönlichen Humanisierungs-Hunger schließen.“
In Workshops wurde dann die Aktualität von Humboldt (radikal-humanistische Opposition!) und von „1968“ (Demokratie und soziale Souveränität durch Solidarität), die Herausforderungen der Friedensbildung (Kritik als Grundlage wirksamer Einigung), über ökologische Nachhaltigkeit als interdisziplinäre Aufgabe, über soziale Bewegung als Alternative zur Anpassung und über die Notwendigkeit klar menschenfreundlicher Positionierung und offener Argumentation für echten Erkenntnisgewinn in meist munterer Kontroverse diskutiert – auch auf der anschließenden Party.
Jetzt ist die Herausforderung, die Phase der Studienreform, die in der Beseitigung von Restriktionen besteht, mit neu vertiefter Kritik und verbindlichen Ergebnissen fortzusetzen und gleichzeitig die inhaltliche Studienreform zu dynamisieren. Das gemeinsame Engagement für bedarfsgerechte staatliche Mittel gehört dazu. Was mit humanen Maßstäben begründet wird, hat Aussicht auf Verwirklichung.