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Studienreform: Den Zusammenhang (wieder) herstellen
„Humboldts Vorstellung bestand darin, dass die Persönlichkeit des Lernenden auf dem Wege über die Erkenntnissuche und die Unterwerfung unter die Strenge der Methoden herausgebildet wird. Bildung ist nicht etwas, was man an einer Person vollziehen kann, sondern Bildung ist Selbstbildung. Nietzsche hat das in das unnachahmliche Wort gefasst: „Werde, der du bist!“. (…) Aber wir dürfen nicht naiv sein, sondern wir müssen listig sein: Benutzen wir doch die atlantischen Vorstellungen von Wissen und von Kompetenz, um unsere Absolventen auf dem Wege der Bildung wieder überlegen zu machen gegenüber einen Verständnis von Halbbildung, das sich auf Afghanistan und NSA reimt, aber nicht auf das Bild von einer Welt, in der das Miteinander gesucht wird, bevor man sich entscheidet, gegeneinander zu sein. Alles Wissen und alle Kompetenz, die dieses nicht versprechen kann einzulösen, kann sich im epochalen Sinne nicht rechtfertigen.“
Uni-Präsident Dieter Lenzen, Rede beim „Dies Academicus“, 2. Juni 2015
„Wer will denn eigentlich noch Bologna?“ resümierte nach den Statements von AStA, Präsidium und Kompetenzzentrum Nachhaltige Universität (KNU) die Diskussionsleitung beim „Dies Academicus“. Dort kamen Mitglieder aller Gruppen und Fakultäten zusammen. Sie erörterten, wie die verläßliche Überwindung der barrierereichen Ba/Ma-Struktur gelingen kann. Uni-Präsident Lenzen reflektierte das kontinental-europäische, das fern-östliche und das anglo-amerikanische Hochschulsystem im Vergleich: Marktforderungen behindern alle drei darin, ihr humanistisches Potential zu heben: das aufgeklärt Demokratische, das streng Analytische und die gesellschaftlich verändernde Orientierung.
Für das KNU faßte Prof. Koller die Kriterien „nachhaltiger Lehre“ zusammen. In der Diskussion wurde deutlich, daß nicht nur die Vorbereitung auf die Zukunft Ziel des Studiums ist, sondern schon die verantwortliche Gestaltung der Gegenwart: kritisch, diskursiv, kooperativ, sozial und zivil.
Die studentische Vertreterin Franziska Hildebrandt schärfte den Blick im Rekurs auf den 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus: „Leben – Das ist: in Kooperation die Welt in ihrer widersprüchlichen Geschichte und Gegenwart zu begreifen, um sie produktiv zu entwickeln, mit Vernunft zu nutzen und in Frieden zu bewohnen. Das ist: Lernen und ständige Erkenntnisarbeit. Das ist: die gesellschaftlichen Verhältnisse und Humanisierungspositionen in allen Facetten – singend, dichtend, lesend – sich anzueignen, um selbst-bewusst zu gestalten.
Wie soll das bloß gemessen werden? Gibt es dafür eine Kennzahl? Leistungspunkte für menschliche Kultur?“
In den anschließenden Workshops wurde lebhaft erörtert: Kritik an der hamburgischen Olympia-Bewerbung und der „Unternehmerischen Hochschule“ (mit griechischen Kommilton_innen), komplementäre oder widerstreitende Ansätze der wissenschaftlichen Friedens- und Umweltbewegung und der kritische Praxisbezug am Beispiel der Sozialpädagogik.
Das Schlußplenum mit Vertreter_innen von Fachschaftsrätekonferenz, AStA, Studiendekan_innen und Studienbüros unter dem Motto „Was tun?“ zeigte Stärken und Defizite der Studienreform: Die Universität befürwortet zwar überwiegend solidarisches Engagement für Bildung und Wissenschaft, die dem allgemeinen Wohl dient, aber es mangelt an Selbstbewußtsein, dies offensiv zu verallgemeinern. Daher ist nötig, mit Befürwortern einer betriebswirtschaftlichen Doktrin (auch: des Rausprüfens, der Konkurrenz und Vorteilsnahme) in die Kontroverse einzutreten: Solidarität ist für eine öffentliche Hochschule und für die Gesellschaft einzig angemessen.
Unmittelbarer Änderungsbedarf wurde hier ausgemacht:
- Die Begrenzung der Prüfungsversuche muß (wie die Prüfungsfristen) abgeschafft werden.
- Ein fachüberschreitendes Studium zur Förderung akademischer Allgemeinbildung in Projektarbeit mit Praxisbezug bedarf des Abbaus von Bürokratie und besserer Finanzierung; Ideen und Experimente sind reichlich vorhanden und zu stärken.
- Eine Rahmenprüfungsordnung muß Barrieren im Studium abbauen und die Rechte der Studierenden für ein kooperatives, selbstbewußtes Studium stärken.
- Die Studienbüros müssen als Möglichkeit der guten Begleitung im Studium vernünftig ausgestattet und gegen Kürzungsplänen verteidigt werden.
Die Einführung des zerhackten und normativen Studiums („Ba/Ma“) war ein Fehler. Der Zusammenhang von
Bildungsreform und Weltverbesserung kann begründet werden. „Werde der Du bist – und ändere Dich!“