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Dokumente zur Programmatik der Universität

Zum Leitbild der Universität
oder
Die Rettung gelingt nicht ohne Aufklärung



Inhalt

I. Zum Leitbild der Universität - oder: Die Rettung gelingt nicht ohne Aufklärung
Leitbild der Universität Hamburg
II. Sich mit den Übeln nicht abfinden: Der Sinn der „Leitlinien“
Leitlinien zur Präsidentschaft


I. Zum Leitbild der Universität

oder

Die Rettung gelingt nicht ohne Aufklärung

„Vizepräsident Prof. Dr. Hansmann weist aufgrund der Anfrage von Frau Sepehrnia und Herrn Walther darauf hin, daß nach seiner Wahrnehmung das Leitbild der Universität Hamburg bei seinen Gesprächspartnern sehr gut aufgenommen werde, dies könnte durch eine noch stärkere Verbreitung des Leitbildes weiter intensiviert werden. [...]
Vizepräsident Prof. Dr. Fischer betont aufgrund der Anfrage von Frau Sepehrnia und Herrn Walther, daß das Präsidium die Relevanz u.a. friedenswissenschaftlichen Arbeitens dadurch zu unterstreichen versuche, daß entsprechende Veranstaltungen durchgeführt und unterstützt werden.“

Protokoll der 648. Sitzung des Akademischen Senats am 23.11.2006.

Das Leitbild der Universität Hamburg ist Ende 1998 offiziell und feierlich der (universitären) Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Unterstützt wurde die Debatte um die Maßstäbe und die Orientierung der Hochschule in der Gesellschaft durch ambitionierte Arbeitsgruppen: „1. Internationalisierung“, „2. Zusammenarbeit mit der Stadt und der Region“, „3. Fächerübergreifende Kooperation“, „4. Höchstmögliche Qualität der Aufgabenerfülung“, „5. Individuelle und korporative Verantwortlichkeit“ und „6. Offenheit des Zugangs zu Bildung und Wissenschaft“.
Hier wurde engagiert über die Verbesserung der Lage nachgedacht und gesprochen.
Mit diesem Diskussionsprozeß, der zuweilen auch temperamentvoll kontrovers verlief - beispielsweise darüber, ob die Entwicklung mehr betriebswirtschaftlich oder demokratisch geregelt werden soll -, wurden Ansprüche erarbeitet, die bis heute ihre Gültigkeit nicht eingebüßt haben. Wahrheitsgebot, Frieden, Demokratie, soziale Gerechtigkeit und die Forderung nach bedarfsgerechter öffentlicher Finanzierung skizzieren deutlich den Rahmen einer positiven Orientierung. Diese befindet sich im Gegensatz zum Leitbild des politischen Senates „Metropole Hamburg - Wachsende Stadt“, das von der Handelskammer begrüßt wird und in der logischen politischen Konsequenz auch die Einführung der gestuften Abschlüsse Bachelor und Master bedeutet sowie die vorgesehene Einführung von Studiengebühren.
Humane vernünftige Wissenschaften befinden sich mit einer und für eine andere Kultur im Contra zur Roheit rücksichtsloser Geschäfte.

„Der Gehalt des Leitbildes läßt sich danach bemessen, ob es
 zur Selbstverpflichtung der Universität taugt, bestimmte Grundsätze einzuhalten,
 den Auftrag, seine Zukunft gezielt zu gestalten, erfüllen hilft,
 Kristallisationspunkt inneruniversitärer Diskussion wird,
 lebendig bleibt in Auseinandersetzungen über die Einhaltung seiner Grundsätze, Ziele und wesentlichen Gedanken.“

Uni-Präsident Dr. Jürgen Lüthje zur Eröffnung der Leitbilddiskussion am 12.11.1998.

„Bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung, demokratische Entwicklung und problemlösungsorientierter Gesellschaftsbezug als Maßstäbe wissenschaftlichen Handelns im Bewußtsein aufklärerischer Verantwortung sollten deshalb das Profil zum Vorwärtskommen bilden, um auf glattem Untergrund nicht ins Schleudern zu geraten.“

Olaf Walther, „Studentische Rede zur weiteren Eröffnung der Leitbilddiskussion“, 12.11.1998.

Leitbild der Universität Hamburg

Tor zur Welt der Wissenschaft:
Mit der Vielfalt und Tradition ihrer Fächer und Bildungsangebote versteht sich die Universität Hamburg als Tor zur Welt der Wissenschaft. Weltoffene Internationalität: In der Tradition der Freien und Hansestadt Hamburg verwirklicht die Universität Weltoffenheit und Toleranz, internationale Zusammenarbeit und Universalität von Wissenschaft.

Freie Forschung und wissenschaftliche Lehre:
Durch ihre Forschung trägt die Universität Hamburg zur freien Entwicklung der Wissenschaft bei, durch Lehre und Studium zur Verwirklichung des Rechtes auf wissenschaftliche Bildung.

Bildung mündiger Menschen:
Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung.

Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses:
Aus der Vielfalt ihres Fächerspektrums und dem Qualitätsanspruch ihrer wissenschaftlichen Arbeit erwächst der Universität Hamburg eine besondere Verantwortung für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Wissenschaftliche Freiheit in gesellschaftlicher Verantwortung:
Die Mitglieder der Universität wollen die universitären Aufgaben in der Verbindung von Forschung und Lehre, Bildung und Ausbildung in wissenschaftlicher Unabhängigkeit erfüllen. Sie wollen zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen und Frauen und Männern gleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaft eröffnen.

Vermittlung zwischen Wissenschaft und Praxis:
Im Bewußtsein ihrer Verantwortung als Teil der Gesellschaft versteht sich die Universität Hamburg als Mittlerin zwischen Wissenschaft und Praxis, sie orientiert sich dabei an den Grundsätzen einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung.

Wissenschaftliches Kompetenzzentrum im Norden:
Als Zentrum der hamburgischen Hochschul- und Forschungslandschaft trägt die Universität Hamburg durch ein vielfältiges Netz wissenschaftlicher und praktischer Zusammenarbeit zur regionalen und überregionalen Entwicklung bei.

Wissenschaft im Dienst der Menschen:
Durch ein breites Angebot wissenschaftlicher Dienstleistungen sowie durch Krankenversorgung auf dem neuesten Stand der Forschung dient die Universität dem Wohl der Menschen und der Erfüllung öffentlicher und gesellschaftlicher Aufgaben.

Fächerübergreifende Kooperation:
Im fächerübergreifenden Zusammenwirken ihrer Mitglieder und Organe entwickelt und vermittelt die Universität wissenschaftliche Methoden, Ergebnisse und Qualifikationen. Die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder beruht auf Information und Transparenz, demokratischer Beteiligung und dem Willen zur Konfliktlösung.

Ziele der Universitätsentwicklung:
Geleitet von diesem Bild einer weltoffenen, wissenschaftlich leistungsfähigen Universität setzt sich die Universität Hamburg die
 Internationalisierung von Bildung und Wissenschaft für eine friedliche und menschenwürdige Welt,
 Zusammenarbeit mit der Stadt und der Region,
 fächerübergreifende Kooperation zur Entfaltung der wissenschaftlichen Potentiale,
 höchstmögliche Qualität der Aufgabenerfüllung,
 individuelle und korporative Verantwortlichkeit und
 Offenheit des Zugangs zu Bildung und Wissenschaft
als Ziele ihrer künftigen Entwicklung.

Beschlossen vom Akademischen Senat am 30. April 1998


II. Sich mit den Übeln nicht abfinden:

Der Sinn der „Leitlinien“

„Es kann keine dauerhafte und entwicklungsfähige Vereinigung geben, wenn sie nicht von bestimmten ethischen Prinzipien getragen ist, welche die Vereinigung selbst ihren einzelnen Bestandteilen auferlegt um der inneren Festigkeit und Homogenität willen, die notwendig sind, um das Ziel zu erreichen.“

Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft 6 (1930-1932), § 79. „Typen von Zeitschriften“.

Wider alle Stürme und Untiefen, gegen schlechtsinnige Anforderungen, entwunden den Irritationen und Resignationen: das Ziel der Wissenschaften ist und bleibt die Erkenntnis.
Die Erkenntnis zur Überwindung der Übel - das nicht letzte: der Krieg -, zur Beseitigung von Elend und Unmündigkeit bzw. zur produktiven Kultivierung der Gesellschaft und ihrer Subjekte ist ein individueller sowie kollektiver Dauerauftrag.
Der Mensch erkenne sich selbst als ein bewußt handelndes und verantwortlich gestaltendes Wesen.
Das gilt für die Institution und betrifft alle ihre Mitglieder, gilt ebenso für den Akademischen Senat mit besonderer Gesamtverantwortung; das gilt auch ohne Gnade für das Präsidium dieser politisch geschundenen und darüber etwas ratlosen Gemeinschaft.
Deshalb sind diese fordernden Leitlinien gezogen.
Die Vernunft braucht ein Programm.
Wir richten uns selbst danach.


Leitlinien zur Präsidentschaft

Zur AS-Sitzung am 27. Juli 2006

„Als kompetenter und engagierter Berater hochrangiger Politiker hat sich Wolfgang Panofsky seit 1945 vehement für atomare Rüstungskontrolle und Abrüstung eingesetzt. Seine enge Verbundenheit mit der Universität Hamburg zeigte er durch zahlreiche Vorträge zu diesen Fragen. Bis zum heutigen Tag hat Wolfgang Panofsky wissenschaftliche Projekte an der Universität Hamburg und am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik durch wertvollen fachlichen und persönlichen Rat unterstützt. Mit der Ernennung zum Ehrensenator dankt die Universität Hamburg Wolfgang Panofsky für seine langjährige wissenschaftliche Verbundenheit und würdigt sein friedensförderndes Engagement in der Wissenschaft.“

Ernennungsbeschluß des Akademischen Senats vom 1. Juni 2006.

1) Dann gibt es nur eins...

Ob nun gefühlt, gemeint, gedacht, geforscht, gesagt oder geschrieben: Daß der Krieg möglicherweise nicht der Vater, sondern die Mutter aller Dinge sei, macht ihn (oder sie) nicht besser und die dogmatische Aussage über den Ursprung allen Seins als fatale Handlungsmaxime nicht richtiger. Zivile Bedingungen und Entwicklungen ermöglichen das Leben der Wahrheit, die martialisch unbedrohte demokratische Partizipation, die produktive Kontroverse zur freudigen Realisierung des Allgemeinwohls. George W. Bush hat sich als "Kriegspräsident" bezeichnet. Die Universität braucht einen Friedenpräsidenten/eine Friedenspräsidentin.

2) Die Universität als Republik

Unter hohem äußeren Druck ist Demokratie als Struktur, Haltung und Praxis einer Institution und all ihrer Mitglieder für ein vernünftiges Zusammenwirken lebenswichtig und entwicklungswürdig. Das faire gleichberechtigte Zusammenspiel von kollegialem Präsidium, Akademischem Senat, Kammer, Konvent, Fakultätsräten und den Organen der Interessenvertretung (Personalräte, AStA) ist am meisten gedeihlich für das Wissen-Schaffen und seine Subjekte. Hierfür hat ein Präsident/eine Präsidentin besondere Verantwortung.

3) Soziale Offenheit

Studiengebühren sind ein Zwangsmittel zur sozialen Selektion und zur Einengung der Persönlichkeiten respektive der Wissenschaften. Sie sollen suggerieren, der Mensch sei erst dadurch, daß er kaufe oder käuflich sei. Wer Menschen gleichwertig betrachtet und behandelt, mißt ihnen höhere Bedeutung bei. Ein Präsident/eine Präsidentin sollte Studiengebühren aus Gründen der Menschlichkeit ablehnen.

4) Geschichte, Genauigkeit und Zukunft

Was ist, ist geworden; was geworden ist, ist gemacht; was gemacht ist, ist zu verantworten; was ist, ist nicht alternativlos. Die Welt ist nicht zum Besten. Wissenschaften sollten andere Möglichkeiten ergründen und in Stadt und Land zum Erfordernis machen. Das Stirnrunzeln der Handelskammer sei kein Hindernis. Vernunft ist eine öffentliche Angelegenheit. Ein Präsident/eine Präsidentin darf sich mit den Übeln nicht abfinden.

„Abendblatt: Was war in Ihren Anfangszeiten anders als heute? Was war besser, was war schlechter?
Flimm: Damals war besser, daß wir gelernt haben, Texte bis in die hinterste Ecke auszuloten, um den Blick in die Menschen zu öffnen. Man wollte den Riß zeigen, der durch die Welt geht. Man erkennt heute in den Aufführungen den Kulturverlust durch Vereinfachungen und Verknappungen. Ich sehe gerne Aufführungen, die ausführlich die vielen Möglichkeiten des Schauspielers und des Menschen zeigen. Dazu gehören aber Regisseure, die in die Texte hineingehen wollen, anstatt sie sich vom Halse zu halten. Ich glaube, das Theater ist utopieloser geworden.“

Jürgen Flimm, Interview mit dem „Abendblatt“ vom 22/23. Juli 2006, S. 7.

Wissenschaft, Kunst und Leben haben eine gewisse Verwandtschaft.

Golnar Sepehrnia, Olaf Walther,
Hamburg, den 25. Juli 2006,
dem Akademischen Senat aus Anlaß der Wahl des neuen Päsidenten/der neuen Präsidentin vorgelegt