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Homo Oeconomicus oder Citoyen?
„Die Hochschulen »können« Bologna. (...) Für Studenten der Ingenieurwissenschaften stellen sich daher vielmehr Fragen wie: Welches spezifische Themengebiet passt zu mir? Wie werde ich zum Spezialisten in diesem Bereich? (...) Wer hier seine persönlichen Antworten gefunden hat, dem steht für einen erfolgreichen Start in den Beruf nichts mehr im Wege.“
Julia Hoscislawski: „Eine sichere Bank“, Editorial des FaZ-Hochschulanzeigers, 2/2016.
„Nach mehr als einem Jahrhundert öffentlicher Hochschulbildung, die als Medium für Egalitarismus und gesellschaftliche Mobilität und als Mittel zur Erreichung einer umfassend gebildeten Demokratie verstanden und finanziert wurde sowie als etwas, das der Individualität Tiefe geben und sie bereichern sollte, wird die öffentliche Hochschulausbildung genauso wie vieles andere in neoliberalen Ordnungen zunehmend so strukturiert, daß die Entwicklungsbahnen von sozialen Klassen zunehmend gefestigt anstatt neu gestaltet werden. Da sie sich darauf konzentriert, den Wert des Humankapitals zu steigern, schwört sie jetzt dem Projekt der Hervorbringung einer Öffentlichkeit ab, die auf die Partizipation an der Volkssouveränität vorbereitet wird.“
Wendy Brown: Die Schleichende Revolution. Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört, Berlin 2015, S. 220.
Es gibt Märkte, die können florieren; Minister, die können kürzen; Soldaten, die können schießen; Autobauer können Manipulation.
Müssen wir „Bologna“ können?
„Bologna“, das ist die Beseitigung allgemeiner Menschenbildung aus der akademischen (Berufs-)bildung. Alle sollen ihren Platz im für natürlich erklärten „Markt“ suchen – allerdings unter Absehung vom Allgemeinen: der sozial verantwortlichen und demokratisch souveränen Gestaltung des gemeinsamen globalen Lebens. Das Leitbild dieses negativen Wandels an den Hochschulen seit etwa 15 Jahren war der neoliberale „Homo Oeconomicus“ – Mensch einer total auf Wettbewerb ausgerichteten Welt. Er investiere all seine geistigen und materiellen Kräfte in Vorteile gegenüber anderen („Humankapital“). So sollten es auch Staaten, supranationale Zusammenschlüsse („EU“), Unternehmen und selbst Schulen, Krankenhäuser und Museen tun – statt
sozialer und humaner Nützlichkeit.
Dies war und ist (noch) die „sanfte“ Entmachtung der Bevölkerungen, die weltweit Unsicherheit schafft und die Krise der Demokratien ist. Ihr fauler Kern ist der „Wettbewerb“, der zur „Natur“ des Menschen ideologisiert wird.
Heilen, bilden, sozial gestalten, demokratisch entscheiden, kulturell anregen und menschenfreundliche Praxis, Bauten, Austausch- und Verkehrsbeziehungen hervorbringen sowie international fair und zivil zusammenarbeiten – kurz: das Allgemeine Wohl gelingt nur kritisch und solidarisch. Die Grundlagen menschlichen Daseins und seiner Entfaltungstätigkeit sind kooperative Arbeit, sozial verantwortliche Praxis, verallgemeinerte Erkenntnisse und eine Kultur, die in der gegenseitigen Wertschätzung der Mitmenschen nicht als Mittel, sondern als Zweck der gemeinsamen Entwicklung besteht.
Die Zivilisation ist eine gewordene Ganzheit. So kann sie begriffen, erhalten und auf eine neue, menschenwürdige Stufe gehoben werden. Da dies weder von Regierungen noch Unternehmen zu erwarten ist, ist allgemeine Bildung tendenziell aller Menschen (des „Demos“) relevant: Wer, wenn nicht wir? Bologna ist out.
_ Der Akademische Senat hat auf studentische Initiative eine Rahmenprüfungsordnung auf den Weg gebracht, die Studierenden und Lehrenden aller Fächer mit einem „Werkstattstudium“ und einem fachüberschreitenden „Studium Generale“ als Bestandteil aller Bachelorstudiengänge sowie mit der Abschaffung aller Fristenregelungen ermöglichen soll, allgemeinbildende Aktivitäten, projektorientiertes Studieren und solidarisches Lehren und Lernen wahrzunehmen. Diese positive Option soll bis ins Wintersemester uniweit diskutiert werden. Auch die Reduktion von Noten und Prüfungen muß dabei vorangetrieben werden.
Bildung ist verantwortliche Entfaltung. Freude soll nicht fehlen. Wir können neu fundiert beginnen.