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Mammons Einfalt oder der Weg zur rationalen Mündigkeit
„Stephan Gutzeit: Die Universitäten brauchen eine Identität, die die Fachbereiche überschreitet. [...] Für die Charité haben wir einen regelrechten Markenpersönlichkeitsprozess angestoßen, dabei hilft uns BMW pro bono. Unis müssen eine Persönlichkeit haben, auf die man stolz sein kann. [...]
Jörg Dräger: Mehr Humboldt gern, aber nicht zwangsweise überall. [...]
Sascha Spoun: Auf Dauer wird die Qualitätsfrage für die Hochschulen eh zur Überlebensfrage.
Die ZEIT: Reden wir über Geld.
Gutzeit: Philanthropen sind enorm wichtig. Und die wollen gepflegt werden. Man kann der Wirtschaft und Privatleuten nicht sagen: Zahlt mal. Man muss sich fragen, wie die Uni für Geldgeber attraktiv wird. Wir stehen vor einer Veränderung der Philanthropie, sie wird unternehmerischer; venture philanthropy nennt man das in Amerika. Moderne Philanthropen verhalten sich wie gemeinnützige Wagniskapitalgeber, sie wollen die Wirkung ihrer Spende maximieren. [...]“
Die ZEIT: „Drei Reformer im Gespräch über die Erneuerung der Hochschulen“, 2. Oktober 2008.
Ein Philanthrop ist ein Menschenfreund. Er unterscheidet kritisch zwischen: Das private Eigentum ist das Höchste unter der Sonne (Liberalismus) oder: Der Mensch ist es, um dessen produktive Entfaltung als kooperatives Gattungswesen es geht (Humanismus). Auf der Höhe der Zeit läßt sich als humane Herausforderung ausmachen: Frieden und Gleichheit als Grundbedingungen menschlicher Entfaltung bedürfen der Hervorbringung gesellschaftlicher Voraussetzungen.
Diese sind nicht: ein BMW MX 4711, Konsumentensouveränität („Humboldt“ oder auch nicht), „Autonomie“ oder Überlebenskampf, also jener Krieg, der als Freiheit gepriesen wird. Sie sind statt dessen: Die rationale Durchdringung gesellschaftlicher Prozesse, konstruktive Anteilnahme an den Mitmenschen, allgemein nützliche Arbeit sowie Bildung, Kultur und Wissenschaft für alle, soziale Progression (inkl. der Überwindung von Entfremdung und sozialer Ungesichertheit) und internationale Verständigung durch wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. Also kooperatives Erkennen und Handeln für eine menschenwürdige Welt.
Die Interviewten sind hochschulpolitische Protagonisten einer aufklärungsfeindlichen Gegenbewegung: Sascha Spoun, Präsident der teilprivatisierten Uni Lüneburg, entstammt der neoliberalen Kaderschmiede Uni St. Gallen. (Dort hat auch die derzeitige Uni-Kanzlerin ihr output-orientiertes Berechnungswesen „gelernt“). Herr Gutzeit „modernisiert“ die traditionsreiche Berliner Charité und referiert vorzugsweise für die Herbert-Quandt-Stiftung. Herbert Quandt entstammt dem Quandtimperium, das durch die tödliche Ausbeutung von Zwangsarbeitern während des Faschismus sein Vermögen scheffelte, mit dem später BMW gekauft wurde. Die Familie engagiert sich jetzt besonders „für“ süddeutsche Hochschulen. Jörg Dräger ist sattsam bekannt als smarter Wissenschaftsmanager a.D., der die Hauptursachen der Uni-Krise (Gebühren, BA/MA, Leistungsbezahlung, Unterfinanzierung - Konkurrenz) angeordnet hat. Er arbeitet nun für die Bertelsmann-Stiftung.
Großkapital und dienstbare Wissenschaften bzw. Politik haben als negatives Bündnis (nicht nur in deutschen Landen) die Verantwortung für so ziemlich alle Übel der Gegenwart. Philanthropie gehört nicht zu ihrem Traditionsbestand. Die Universität ist allerdings durch soziale Kämpfe und intellektuelle Bewegung ein Ort, an dem die Opposition zu diesem Regime praktiziert werden kann: „Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen und politischen Auseinandersetzung. (...) Die Mitglieder der Universität wollen die universitären Aufgaben in der Verbindung von Forschung und Lehre, Bildung und Ausbildung in wissenschaftlicher Unabhängigkeit erfüllen. Sie wollen zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen und Frauen und Männern gleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaft eröffnen.“ (Leitbild der Universität Hamburg). Diese Ziele sollten vermehrt engagiert und solidarisch verfolgt werden. Ein Häuflein Manager (und Managerinnen) macht garantiert keine Universität. Ein Bündnis der Vernünftigen ist die praktische Alternative zu ihrem versuchten Regiment.