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Wer ist da etwa noch für Studiengebühren?

Die Debatte in der neu gewählten Bürgerschaft.

„[...] Der Götz begann:
»Was hältst du, Bruderherz, von den Demokraten,
die noch in jeden Wein ihr Wasser abschlagen taten,
vorsichtig,
umsichtig,
nachsichtig,
kurzsichtig –
und liegen immer unten. Was hältst du davon –?«
»Merde –!« sagte Cambronne. [...]“

Kurt Tucholsky, „Duo, dreistimmig“, Die Weltbühne, Dezember 1925.

Am 2. April hat sich die Bürgerschaft erstmals seit den Wahlen mit der Abschaffung der Studiengebühren befaßt. Eigentlich gibt es dafür nicht nur gesellschaftlich, sondern auch im Parlament eine Mehrheit. Anträge für Gebührenfreiheit haben Die LINKE (für die vollständige Abschaffung der Gebühren inkl. Verwaltungskostenbeitrag und Rückzahlung) sowie die SPD (Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren ab WiSe 2008) gestellt. Diese wurden mit der Mehrheit von CDU und GAL zur Verschleppung in einen Ausschuß verwiesen. Der Initiativantrag der LINKEN, wenigstens Exmatrikulationen vorerst auszusetzen, wurde vermittels undemokratischer Verfahrensweisen des Bürgerschaftspräsidenten Berndt Röder (CDU) nicht abgestimmt. Die SPD hätte den Antrag unterstützt, der GAL blieb die Entscheidung noch erspart.
In der Debatte hat Die LINKE neben der sozialen Härte besonders die Entdemokratisierungs-Funktion der Gebühren attackiert und angeprangert, daß die Kommerzialisierung des Lernens dem verfassungsmäßigen Grundsatz der „Freiheit von Lehre und Forschung“ (Art. 5 GG) und dem Bildungsauftrag des UN-Sozialpaktes (Frieden, Mündigkeit und persönliche Entfaltung aller) widerspricht. Die Beiträge der SPD konzentrierten sich auf den ablehnenden Nachweis der sozialen Selektivität. Zutreffend kritisiert wurde das „Argument“, die soziale Auslese setze schon bei frühkindlicher Bildung ein: Das ist zynisch, weil Schädliches mit Schädlichem gerechtfertigt wird. Leider wurde ergänzt, gebührenfreie Bildung sei auch gut für den „Wirtschaftsstandort“, weil Menschen die wichtigste „Ressource“ seien. So haben sich die Sozialdemokraten den Kniefall vor der CDU- und Handelskammerpolitik der allseitigen Ökonomisierung nicht verkniffen. Der Sprecher der CDU erklärte unambitioniert, die Argumente für Gebühren seien bekannt. Die GALier lamentierten, sie seien zwar gegen Gebühren, aber auch gegen vieles andere, sodaß erst die Gegenfinanzierung geklärt werden müsse. Dies sollte verbergen, daß die GAL die Gebührenfreiheit in den Koalitionsverhandlungen einer Regierungsbeteiligung opfern können möchte. Das ist durch diese Debatte erschwert, denn sie hat ans Licht gebracht, daß selbst die CDU inzwischen keine Leidenschaft mehr für das Bezahlstudium aufbringt.
Umso schlechter ist der nun in den Koalitionsverhandlungen vorerst gefundene „Kompromiß“, nachgelagerte Studiengebühren in Höhe von 375 Euro pro Semester erheben zu wollen. Die Privatisierung der Bildungskosten und die Ökonomisierung der Bildungsinhalte blieben so weiter dominant.
Für einen Durchbruch ist nun erforderlich, das studentische Engagement inhaltlich auszubauen: Bildung sollte als Motor einer sozial verantwortliche Handlungsweise begriffen werden. Sie sollte als Kritik von gesellschaftlichen Zerstörungen und ihren Verursachern entwickelt werden. Sie muß alle Einschränkung des Menschen analytisch attackieren anstatt sie zu verstärken. Dafür muß sie alle Mythen aufdecken, die unmenschliche Zustände für unvermeidlich erklären. Anstatt Bildung darauf auszurichten, den sozialen Härten dieser Gesellschaft individuell entkommen zu können („Aufstieg“), sollte sie helfen, die soziale Lage der Mehrheit substantiell zu verbessern. Dafür muß sie sich der Kritik des Primats der Ökonomie bemächtigen. Bildung sollte niemals von einer Unterteilbarkeit der Menschen in „dumme“ und „schlaue“, „leistungsfähige“ und „-unfähige“ ausgehen, sondern die allseitige Entwicklung des Menschen und seiner Bedürfnisse fördern.
Dafür müssen alle, lebenslang, die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Weltaneignung erhalten. Gebühren aller Art sind abzuschaffen. Menschen-Auslese aller Art ist zu überwinden. Die Bildungseinrichtungen müssen bedarfsgerecht öffentlich finanziert werden und demokratisch verfaßt sein.
Bildung ist ein Grundrecht. Seine Verwirklichung ist eine dauerhafte Aufgabe Aller.
Dafür seien alle weiter aktiv.