HomePublikationen › Broschüre von Liste LINKS, harte zeiten und FSB vom

Courage statt Verdrängung! – Eine politische Bilanz IV

Dokumentation von Kontroversen und Beschlüsse des Akademischen Senats aus dem Jahr 2006

„Es gilt die Schilderung eines wechselseitigen dumpfen Drucks aller sozialer Sphären aufeinander, einer allgemeinen, tatenlosen Verstimmung, einer sich ebensosehr anerkennenden als verkennenden Beschränktheit, eingefaßt in den Rahmen eines Regierungssystems, welches, von der Konservation aller Erbärmlichkeit lebend, selbst nichts ist als die Erbärmlichkeit an der Regierung. [...]
Die Kritik, die sich mit diesem Inhalt befaßt, ist die Kritik im Handgemenge, und im Handgemenge handelt es sich nicht darum, ob der Gegner ein edler, ebenbürtiger, ein interessanter Gegner ist, es handelt sich darum, ihn zu treffen.“

Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung, 1844.

Inhalt

0. Editorial
I. Zivilisation statt Barbarei! - Anläßlich der Präsidentschaftsfrage ein Streit um die richtige Richtung für Gesellschaft und Universität
II. Demokratische Souveränität wider die neoliberalen Zumutungen
III. Bildung für alle! - Für Gebührenfreiheit, solidarisches Lernen und kritische Wissenschaftlichkeit im Studium


0. Editorial

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Universität ist in einer tiefen Krise. Was ärgerlich ist, muß besprochen werden.
Im Leitbild der Universität, beschlossen vom Akademischen Senat 1998, heißt es: "Die Mitglieder der Universität wollen die universitären Aufgaben in der Verbindung von Forschung und Lehre, Bildung und Ausbildung in wissenschaftlicher Unabhängigkeit erfüllen. Sie wollen zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen und Frauen und Männern gleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaft eröffnen." Die Krise ist, daß diese notwendigen Ansprüche (unter äußerem Druck) nicht mehrheitlich engagiert verfolgt werden.
Angesichts allgegenwärtiger Konflikte, globaler Katastrophen und dringender Verbesserungen kommt es deshalb darauf an, das aufgeklärte Potential der Universität praktisch zu entwickeln. Insbesondere das humboldtsche Bildungsverständnis und die Reformerrungenschaften der studentischen Bewegung von 1968 ff. sind dafür bedeutsam. Soziale Offenheit und Restriktionsfreiheit, Bildung für Mündigkeit, forschendes Lernen und lernendes Forschen, gesellschaftskritische Wissenschaft, echte Interdisziplinarität (auch im Studium!) sowie demokratische Lernformen, Studienreform und Selbstverwaltung sind als einzig zeitgemäße Entwicklungsform der Universität wiederzuentdecken und neu zu erkämpfen.
Das erfordert einen unbeirrten Widerpart zu neoliberalen Mythen und Marktkonformismus. Konkret muß die gemeinsame Gegnerschaft der Universitätsmitglieder zum dem CDU-Senat entwickelt werden, der sich borniert über die (artikulierten) Interessen der Mehrheitsbevölkerung hinwegsetzt und verantwortlich für die aufreibenden Deformen ist. Das bedeutet auch die politische Kontrahenz zur Handelkammer, die sein Handeln lenkt und die politische Interessenvertretung der großen Industrie- und Handelsunternehmen in Hamburg ist. Sie organisiert den Druck für die ökonomische Verwertung von Mensch und Wissenschaft.
Die Universität ist deshalb arg gebeutelt: von der mangelhaften Finanzierung von Studium, Lehre, Forschung, Verwaltung und Studentenwerk, der Konkurrenz um knappgehaltene Mittel, dem Abbau (teil-) demokratischer Selbstverwaltung, von der anmaßenden Regentschaft eines wirtschaftsnahen Hochschulrats, dressurartigen BA/MA-Studien (auch: STiNE) sowie durch die Gebühren. Das zerrt allen an den Nerven.
Dagegen ist Innehalten, Nachendenken, Kollegialität und Widerständigkeit befreiend.

Denn Probleme, die beschwiegen und beschönigt werden, werden wachsend unangenehm. Mit der Verdrängung gehen die Möglichkeiten der vernünftigen Gestaltung der eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen flöten. Anstatt den Schein zu inszenieren, müssen alle den Entwicklungshemmnissen von Wissenschaft und Bildung analytisch-kritisch auf den Grund gehen. Dafür ist die Kooperation entscheidend. Die positive Bedeutung der Universität und ihrer Mitglieder steigt durch eine (senats-)oppositionelle Praxis als gemeinschaftliche Aufgabe demokratischer Selbstorganisierung, durch kritische Wissenschaften und solidarisches Lernen. Wir ergreifen dafür (auch) im Akademischen Senat Partei. Einige Beschlüsse und Kontroversen, die aus dieser Tätigkeit hervorgegangen sind, haben wir hier dokumentiert.

Wir wünschen gute Lektüre.


I. Zivilisation statt Barbarei!

Anläßlich der Präsidentschaftsfrage ein Streit um die richtige Richtung für Gesellschaft und Universität

Die Universität ist im wesentlichen eine zivile Einrichtung. Sie ist ein Ort kooperativer wissenschaftlicher Welterkenntnis, damit der Suche nach Wahrheit für die Verbesserung der Lebensbedingungen. Ihr humanistisches Erbe ist Forschung und Lehre für allgemeine Wohlfahrt und persönliche Mündigkeit. Die Universität Hamburg, als demokratische Ablösung des „Kolonialinstituts“, ist erst mit der Revolution 1918 möglich geworden und fußt damit auf der Überwindung der wilhelminisch-militaristischen Diktatur. Der Kampf wider die Barbarei ermöglichte 1945 ihre Neugründung nach dem Faschismus und ist von der Studentenbewegung 1968 zu der Konsequenz einer gesellschaftskritischen, sozial offenen und demokratischen Massenuniversität weitergeführt worden. Sie ist aber weiterhin eine Universität in einem Staat, der international wirtschaftlich und zunehmend militärisch okkupativ unterwegs ist. Rüstungsforschung, Kriegsfelderkundung, die ideologische Legitimation (wirtschafts-)imperialer Politik sind deshalb auch hier fortgesetzt Gegenstand „wissenschaftlicher“ Arbeit. In diesem Zusammenhang ist der wissenschaftliche Prozeß zunehmend ein „Fortschreiten von dem Menschen weg“.
In diese Richtung wird die Universität unter dem Druck rechter Standortpolitik („Wachsende Stadt“) verstärkt gedrängt. Die Kräfte der Vernunft sind deshalb besonders herausgefordert, das demokratisch aufgeklärte Erbe zu aktualisieren und zu verallgemeinern.
In diesem Richtungskonflikt und unter dem Eindruck der brachialen Zuspitzung der kriegerischen Konflikte im Nahen Osten fand im Sommer 2006 die Auseinandersetzung um die zukünftige Leitung und damit auch Programmatik der Universität statt.
In diesem Widerspruch ist es gelungen, die Bedeutung der Friedenswissenschaft zu erhöhen, während gegenläufig mit Monika Auweter-Kurtz eine Konservative und Raketeningenieurin mit Verbindungen zur Rüstungsindustrie durch das Wirken des rechten Senats machtpolitisch als Präsidentin durchgesetzt wurde.

Die nachfolgenden Dokumente (Protokoll-Auszüge aus dem Akademischen Senat, Anträge, Beschlüsse und Publikationen) dokumentieren diese angespannte Kontroverse chronologisch.

„Kriterien für die Wahl eines neuen Präsidenten/ einer neuen Präsidentin

Ein Präsident/eine Präsidentin der Universität Hamburg soll
a) die Einheit und Vielfalt der Universität stärken,
b) die akademische Leitung kollegial im Präsidium und mit starkem Bezug zum AS realisieren,
c) eine lebendige demokratische Selbstverwaltung mit relevantem Konvent vertreten,
d) für aufklärerischen, verantwortlichen Gesellschaftsbezug der Universität wirken,
e) die institutionelle Souveränität gegenüber dem politischen Senat repräsentieren,
f) kommunikativ und kollegial in Bezug auf alle Statusgruppen agieren,
g) für die bedarfsgerechte Ausstattung der Universität eintreten.“
Vorgelegt im Akademischen Senat und seinen Mitgliedern in der Findungskommission mit auf den Weg gegeben von Olaf Walther und Golnar Sepehrnia.


Dies wurde nötig, weil der rechten Senat mit der Änderung des Hochschulgesetzes anstelle der Wahl der Uni-Leitung durch das Konzil („Uni-Parlament“) die ‚Wahl‘ durch den aufgesetzten wirtschaftsnahen Hochschulrat gesetzt hat.

Protokollauszug von der AS-Sitzung am 09. März 2006

„Prof. Dr. Platzer teilt mit, daß für die Unterstützung der Findungskommission bei der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt der Präsidentin bzw. des Präsidenten der Universität Hamburg der ehemalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Landfried[*], gewonnen werden konnte. Die Erörterungen zur Vorbereitung der Auswahlentscheidungen seien nunmehr so weit fortgeschritten, daß eine Verständigung über das weitere Vorgehen erfolgen sollte.
Der Akademische Senat beschließt mit 13 : 0 : 1 Stimmen, das Präsidium zu bitten, für die Sitzung des Akademischen Senats am 13. April 2006 den Tagesordnungspunkt ‚Verfahren zur Wahl einer Präsidentin bzw. eines Präsidenten der Universität Hamburg‘ vorzusehen und Prof. Dr. Landfried hierzu in die Sitzung einzuladen.“

[*]Herr Landfried hat als Chef der Hochschschulrektorenkonferenz die Grundtendenz der neoliberalen Hochschulpolitik der letzten Jahre befördert und ist jetzt teuer zu bezahlender „Head-Hunter“ für eine Unternehmensberatung.

Auszug aus dem Protokoll des AS vom 13. April 2006

„Verfahren zur Wahl einer Präsidentin bzw. eines Präsidenten der Universität Hamburg
Der Präsident begrüßt den Berater der Findungskommission, Prof. Dr. Landfried, sowie Prof. Dr. Dr.h.c. Hartmann als früheres Mitglied des Akademischen Senats und Mitglied der Findungskommission.
Prof. Dr. Landfried skizziert den bisherigen Verlauf und den Stand der Beratungen und die von der Findungskommission und ihm unternommenen Schritte geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt der Präsidentin/des Präsidenten auszuwählen und beantwortet die Rückfragen der Mitglieder des Akademischen Senats.
Die Beratungen seien soweit fortgeschritten, daß es sinnvoll sei, direkte Gespräche der geeignet erscheinenden Kandidatinnen/Kandidaten mit den jeweiligen Gruppen durchzuführen um die gegenseitige Akzeptanz zu überprüfen. Prof. Dr. Landfried erklärt sich bereit, auf Wunsch der Gruppen an den Gesprächen teilzunehmen und ggf. deren Moderation zu übernehmen. Auch empfehle er den Gruppen, bereits jetzt ihre Fragestellungen herauszuarbeiten und zur Vorbereitung der Gespräche an die Kandidatinnen/Kandidaten übermitteln zu lassen.
Er gehe davon aus, daß in den nächsten ein bis zwei Wochen die noch erforderlichen Vorbereitungen abgeschlossen werden und danach die Gruppengespräche stattfinden können.
Es wird ausdrücklich betont, daß die Gespräche absolut ergebnisoffen seien und beiden Seiten ein Rückzug jederzeit möglich sei.
Im Akademischen Senat besteht Einvernehmen darüber, in der von Prof. Dr. Landfried vorgeschlagenen Weise zu verfahren. Es wird darauf hingewiesen, daß auch die zu führenden Gespräche entsprechend der bislang geübten Diskretion weiterhin vertraulich seien.“

Erweiterte Verbindlichkeit für die Friedensforschung an der Universität Hamburg

Im Juli 2006 wurde dem friedenspolitisch engagierten Wissenschaftler Wolfgang Panofsky vom Akademischen Senat die Würde eines Ehrensenators verliehen. Einen Tag später eröffnete die Universität ihr Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) feierlich; wir dokumentieren unser Flugblatt:

„Das Prinzip Frieden

„Aber, das weiß ich, ist Pflicht: wenn man die Wahrheit lehren will, sie ganz oder gar nicht zu lehren; sie klar und rund, ohne Rätsel, ohne Zurückhaltung, ohne Mißtrauen ihre Kraft und Nützlichkeit zu lehren; und die Gaben, welche dazu erfordert werden, stehen in unserer Gewalt.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Über die Wahrheit“.

In dieser Woche besucht George W. Bush die Bundesrepublik.
In der letzten Woche hat die Universität Hamburg den Physiker Wolfgang K.H. Panofsky für sein wissenschaftliches Friedensengagement mit der Verleihung der Ehrensenatorenwürde ausgezeichnet und ein Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung eingerichtet.
Wolfgang Panofsky, der 1919 geborene Sohn des von den Nazis aus Hamburg vertriebenen Kunsthistorikers Erwin Panofsky, hat im Zweiten Weltkrieg für das US-amerikanische Atomwaffen-Projekt geforscht. Die verbrecherische Qualität dieser Waffen wurde ihm nach Hiroshima und Nagasaki deutlich: „Gegen Atomwaffen kann sich keiner verteidigen.“ Seither ist er für die Abrüstung, das Verbot und die Elimination dieser Massenvernichtungswaffen engagiert. Der Physiker setzte sich als US-Regierungsberater hierfür ein. Er wendet sich gegen die Manipulation wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Kriegspolitik der Bush-Regierung. Der Gewürdigte betonte, daß in Zeiten der Atombombe Wissenschaft und Politik gemeinsam der Gesellschaft eine humane Entwicklungsrichtung geben müssen. Mit ihm wurde der unermüdlich kritische Umgang mit neuen Erkenntnissen als stete Aufgabe aller wissenschaftlich Tätigen gewürdigt.
Die Eröffnung des nach dem Physiker und Philosophen C. F. von Weizsäcker benannten „Zentrums für Naturwissenschaft und Friedensforschung“ (ZNF) war ein weiterer Höhepunkt friedenspolitischen Wirkens an der Universität. Festredner Ernst Ulrich von Weizsäcker plädierte energisch für die Kritik der Zwecksetzung wissenschaftlicher Arbeit in Zeiten des „Shareholder-Kapitalismus“. Interessen an Gewinn und militärischer Überlegenheit würden durch die Vergabe von Forschungsgeldern die Naturwissenschaften dominieren. Diese zynische Tendenz sei in den USA am ausgeprägtesten. So wachse die Bedrohung der gesamten Menschheit und werde das Elend der „Dritten Welt“ verschärft. Sein vernünftiges Credo: Erst ein an Frieden und Demokratie orientiertes Verständnis des Wissen-Schaffens macht neue Erkenntnisse für die Menschheit nutzbar.
Auch Egon Bahr sprach für die Priorität des Friedens in Wissenschaft und Politik. Gewaltverzicht und Abrüstung sollten hier für alle leitend sein. Der Stand der Rüstung verweise auf eine gesellschaftliche „Geisteskrankheit im fortgeschrittenen Stadium“. Mit Ende des Systemkonflikts sei wider alle Vernunft die „Hoffnung auf Sieg“ zurückgekehrt. Die US-amerikanischen Supermachtpolitik, geostrategische und Rohstoffinteressen und diskriminierende Terror-Verdächtigungen seit „9/11“ säten den Krieg. In und durch Europa sei die Aufklärung zu stärken und eigene Initiative für weltweite Abrüstung zu ergreifen. Erforderlich sei aber auch, ein machtpolitisches Gegengewicht zu den USA zu bilden, ohne in einen Rüstungswettlauf einzutreten (eine EU-Armee, wie sie Egon Bahr vorschwebt, brauchen wir allerdings nicht).
Beide Festredner unterschätzen zwar die Wirkung friedenspolitischer Bewegung für menschliche Gleichheit durch sozialen Fortschritt. Aber weitreichend eindeutig ist: Das Erringen und Sichern des Friedens ist für alle notwendig. Forschung und Lehre dürfen sich dem partikularen Interesse an Gewinn und Macht nicht anheim stellen.
In dieser Woche wird der Akademische Senat über die Wählbarkeit der Rüstungsforscherin Monika Auweter-Kurtz zur Uni-Präsidentin diskutieren. Ein „Nein!“ zu diesem Vorschlag ist die erforderliche Fortsetzung friedenswissenschaftlicher Aktivitäten der Universität.
Das Prinzip Frieden ist das Prinzip Vernunft. Das hat Geschichte, Maßstab, Vorbilder und Perspektive.“

Nachdem ein eher sozial orientierter Kandidat für die Uni-Präsidentschaft „ausgelesen“ wurde, wird das Verfahren zu Präsidentenfindung noch intransparenter gehalten als es ohnehin schon ist. Ein von uns gestellter Antrag für eine Resolution wider den Krieg im Nahen Osten wird von der Tagesordnung „weggestimmt“. In derselben Sitzung stellt sich Pof. Brzoska als neuer Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und der Leiter des neugegründeten ZNF dem Akademischen Senat vor:

Protokollauszug von der AS-Sitzung am 13. Juli 2006

„Feststellung der Tagesordnung:
Prof. Dr. Platzer beantragt, TOP 9 – Verfahren zur Wahl einer Präsidentin bzw. eines Präsidenten der Universität Hamburg – von der Tagesordnung abzusetzen, da hierzu zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten inhaltlichen Beratungsgegenstände vorliegen und zugleich zu beschließen, daß der Akademische Senat sobald neue Beratungsgegenstände vorliegen unverzüglich eine Sitzung durchführen wird.
Herr Rogalla beantragt, den Tagesordnungspunkt beizubehalten, da auch zum jetzigen Zeitpunkt Beratungsgegenstände vorliegen, die einer Diskussion im Akademischen Senat bedürfen.
Der Akademische Senat nimmt den Antrag von Prof. Dr. Platzer mit 12 : 2 : 0 Stimmen an.“

Antrag an den Akademischen Senat für die Sitzung am Do., den 13. Juli

„Frieden sei Priorität.

Die Welt ist in den letzten eineinhalb Jahrzehnten nicht friedlicher geworden. Neue Kriege drohen.
Der Akademische Senat plädiert daher, mit aktuell positivem Bezug auf das Leitbild der Universität, für die friedliche und zivile Entwicklung der menschlichen Welt. Dies gilt nachdrücklich auch für den Iran-Konflikt. Alle wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Anstrengungen, die zu einem kriegsfreien und fairen Zusammenleben beitragen, sind deshalb unterstützenswert.
Begründung:
‚Im Bewußtsein der wechselvollen Geschichte und der gesellschaftlichen Verantwortung der Universität bezieht sich der Akademische Senat dabei auf das am 15. Juni 1998 beschlossene Leitbild der Universität als Auftrag zum Schutz und zur Verwirklichung wissenschaftlicher Freiheit, zur Mitgestaltung eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates und einer friedlichen und menschenwürdigen Welt sowie zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung und der Gleichstellung der Geschlechter.‘

Präambel der Grundordnung, beschlossen vom Akademischen Senat am 09. März 2006.

Antragsteller: Golnar Sepehrnia, Olaf Walther“

Protokollauszug von der AS-Sitzung am 13. Juli 2006

„Herr Walther verweist auf die Senatsvorlage XX/643/40 und beantragt, zur Erörterung der Vorlage einen Tagesordnungspunkt vorzusehen.
Es erfolgt Gegenrede durch Prof. Dr. Sattler.
Der Akademische Senat lehnt den Antrag von Herrn Walther mit 3 : 8 : 3 Stimmen ab.“

„Der Präsident begrüßt Prof. Dr. Brzoska und Prof. Dr. Kalinowski vom Direktorium des am 07.07.2006 eröffneten Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung, die sich dem Akademischen Senat vorstellen und die von ihnen beabsichtigten Arbeitsvorhaben skizzieren.“

„Plötzlich“, am 27. Juli 2006, ist die von der Findungskommission favorisierte Kandidatin Monika Auweter-Kurtz vom Hochschulrat gewählt und der AS wird vom ihm bedrängt, ihre Wahl auf einer Sondersitzung offiziell nachzuvollziehen. In umfassender Gegnerschaft zu der damit beabsichtigten Durchsetzung einer standort-konformen Ausrichtung der Universität und als inhaltliche Basis für eine positive Entscheidung der AS-Mitglieder haben wir die „Leitlinien zur Präsidentschaft“ dem AS zu Beschlußfassung vorgelegt und mit einer öffentlichen Kritik der Kandidatin zur Beteiligung der Hochschulöffentlichkeit an der Sitzung des Akademischen Senats aufgerufen:

„Kritische Vernunft oder pragmatisches Dienen?

Zum Richtungsstreit um die künftige Universitätsleitung
„Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer. Wenn man sie einem Chirurgen und einem Mörder gibt, gebraucht es jeder auf seine Weise.“

Wernher von Braun, Raketenforscher, der Mondreisen anstrebte; zunächst entwickelte er für die Nazis die „Wunderwaffe“ V2, nach 1945 forschte er für US-Armee und die NASA.

„Was die wahre Freiheit und den wahren Gebrauch derselben am deutlichsten charakterisiert, ist der Mißbrauch derselben.“

Georg Christoph Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkungen“, Heft L, 1796-1799.

Was wäre eine Welt ohne Waffen?
Ist ein menschenwürdiges Leben in der ebenso materiell wie an Erfahrungen und Erkenntnissen reichen Welt für alle möglich und nötig?
Und deshalb: Was und wofür lernen wir?
Die am Freitag vom Hochschulrat geheim gekürte potentielle Präsidentin der Universität beäugt diese Fragen im besten Falle teilnahmsarm.
In dem Gespräch mit den studentischen Vertretern des Akademischen Senats erklärte sie Krieg zum selbstverständlichen Mittel der Politik, befürwortete eine „Wehrbereitschaft“ der Bundesrepublik, konnte keine klare inhaltliche Grenze für die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Wissenschaften ausmachen (z.B. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Art. 1 GG) und legitimierte ihre öffentliche Befürwortung der Kandidatur von Angela Merkel, obwohl sie auf Elemente des CDU-Programms (Sozialstaatszerstörung und Bundeswehr im Innern) hingewiesen war. Einen Zusammenhang von Universität und Sozialstaat sähe sie nicht (z.B. soziale Offenheit, demokratische Mitbestimmung und verantwortungsbewußter Gesellschaftsbezug). Studiengebühren befürwortet sie weiterhin. Der Zugang zur Hochschule möge nach „Leistungsstärke“ gestaltet werden, die wiederum nach „dem Individuum innewohnender“ Begabung ausfalle. Gender-Fragen (demokratische Gleichstellungs- statt Karriere-Fragen), darin die Bedeutung von Interdisziplinarität, verantwortungsvoller Praxisbezug und der aufgeklärten Gestaltbarkeit von Wissenschaftskonzepten, sind ihr fremd.
Sie will den Flug zum Mars. Irdisch hat sie ihren Platz in der Gesellschaft gefunden. (Sie kooperiert als Raketenforscherin mit Rüstungsunternehmen und militärischen Einrichtungen wie Bayern-Chemie/Protac und der NASA.) Das ist ihr unausgesprochenes Programm.
Damit steht diese Kandidatin in schroffer Gegnerschaft zu erfreulichen, praktischen Einsichten an der Hamburger Universität. Zum Zwecke mündigen Eingreifens für eine gerechte, demokratische und friedliche Welt (Leitbild) soll hier gelehrt und geforscht werden. In diesem Verständnis sind Einrichtungen der Friedensforschung, der lernende Umgang mit der Geschichte, die gruppendemokratische Mitbestimmung, der kooperative Nutzen der Fächervielfalt, die über dreißigjährige Gebührenfreiheit, die wissenschaftliche Internationalität gegen erhebliche Beharrung erstritten, entwickelt und verteidigt worden.
Die geschäftsmäßigen Absichten des CDU-Senats (betriebliche Zergliederung der Universität, Streichung zahlreicher Geisteswissenschaften) sind auf dieser Basis zurückzuweisen gewesen. Die soziale und kulturelle Herabwürdigung der Lernenden und Lehrenden durch Studiengebühren, „leistungs“-orientierte Bezahlung und trainingscamp-artige BA/MA-Studiengänge, die Abwicklung sozialer Bezüge im Studium und der (teil-)demokratischen Souveränität gegenüber dem Senat rufen deshalb begründete Opposition hervor.
In diesen Zeiten erforderlich und angenehm ist eine Universität, die sich couragiert dem kritischen Verstehen der menschlichen Verhältnisse für alle förderlich produktiv widmet. Diese Richtung muß von einer künftigen Universitätsleitung kollegial verantwortet und verwirklicht werden.
Am Donnerstag soll der Akademische Senat der Auswahl der Hochschulrats zustimmen. Tut er dies nicht, muß – in einem demokratisierten Verfahren – ein vernünftigerer Kandidaturvorschlag ermittelt werden.“

Die „Leitlinien zur Präsidentschaft“ dokumentieren wir in einer eigenständigen Broschüre „Zum Leitbild der Universität oder Die Rettung gelingt nicht ohne Aufklärung“.

Protokollauszug der AS-Sitzung am 27. Juli 2006

„Vizepräsident Prof. Dr. Hansmann eröffnet die Sitzung und stellt die Beschlußfähigkeit des Akademischen Senats fest.
Sodann erläutert Vizepräsident Prof. Dr. Hansmann die Grundlagen der Einladung zur heutigen Sitzung. Der Akademische Senat habe in seiner 643. Sitzung beschlossen, sobald neue Beratungsgegenstände zum Verfahren der Wahl einer Präsidentin/eines Präsidenten vorliegen unverzüglich eine Sitzung durchzuführen. Darüber hinaus seien ihm in der letzten Woche verschiedene Schreiben von Mitgliedern des Akademischen Senats zugegangen, in denen die Einberufung des Akademischen Senats zu einer Sitzung beantragt wurde.
Es wird auf die Tischvorlagen SV XX/644/45, XX/644/46, XX/644/47 und XX/644/48 hingewiesen.
Die Tagesordnung wird mit 11 : 0 : 3 Stimmen in der vorgeschlagenen Fassung festgestellt.
Im Akademischen Senat findet zunächst eine ausführliche Aussprache zum Findungsverfahren sowie zum Profil der vom Hochschulrat für die nächste Amtszeit gewählten Präsidentin, Prof. Dr.-Ing. habil. Monika Auweter-Kurtz, statt.
Danach beantragt Herr Walther, vor Eintritt in das Abstimmungsverfahren über die Bestätigung der vom Hochschulrat für die nächste Amtszeit gewählten Präsidentin die in der Senatsvorlage XX/644/47 dargelegten Leitlinien zur Präsidentschaft vorstellen und zur Beratung im Akademischen Senat stellen zu können.
Es erfolgt Gegenrede durch Prof. Dr. Rüb.
Der Akademische Senat lehnt den Antrag von Herrn Walther mit 6 : 9 : 0 Stimmen ab.

Vizepräsident Prof. Dr. Hansmann teilt auf Nachfrage von Herrn Walther mit, daß für die Bestätigung gemäß § 96 Abs. 4 HmbHG die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Senatsmitglieder erforderlich sei.
Herr Walther erklärt, er teile diese Rechtsauffassung nicht, seines Erachtens erfordere die Besonderheit eines Wahlaktes eine absolute Mehrheit der Stimmen des Akademischen Senats.
Nach Durchführung des geheimen Abstimmungsverfahrens stellt Vizepräsident Prof. Dr. Hansmann das Ergebnis wie folgt fest:
Ja-Stimmen: 9, Nein-Stimmen: 6, Enthaltungen: 0,
der Akademische Senat habe damit die Wahlentscheidung des Hochschulrates vom 21.07.2006 bestätigt.
Herr Walther erhebt Widerspruch gegen diese Auslegung des Abstimmungsergebnisses.
Angesichts seiner hierzu bereits gemachten Ausführungen zur Rechtslage teilt Vizepräsident Prof. Dr. Hansmann mit, daß sich Prof. Dr. Auweter-Kurtz im Hause aufhalte und den Wunsch habe, das Wort an die Mitglieder des Akademischen Senats zu richten.
Nach einer kurzen Unterbrechung teilt Vizepräsident Prof. Dr. Hansmann das Ergebnis der Abstimmung des Akademischen Senats Prof. Dr. Auweter-Kurtz mit und beglückwünscht sie namens der Universität Hamburg.
Prof. Dr. Auweter-Kurtz dankt den Mitgliedern des Akademischen Senats für das ihr entgegen gebrachte Vertrauen.“

Dennoch: Die Opponenten (aus der Gruppe der Studierenden, dem Mittelbau und dem TVP) gegen diese rückwärtsgewandte Wahlentscheidung haben mit einem begründeten Nein! gegen erhebliche Widerstände die Notwendigkeit für eine gesellschaftlich verantwortliche Weiterentwicklung der Universität verdeutlicht und kulturell manifestiert. Die professorale Mehrheit und der studentische Vertreter der „WiWi-Liste“, Philipp Schliffke, haben dem politischen Druck von außen oder einfach dem „Zeitgeist“ nicht standgehalten. Die Entscheidung ist – vorerst – getroffen, sie bleibt aber zweifelhaft. Es entsteht eine Herausforderung. Dazu unser Auswertungsflugblatt:

„Alles weitere ist eine Frage der Vernunft

Frau Auweter-Kurtz knapp bestätigt
„Markt und Demokratie stützen einander also nicht mehr automatisch. Eine diesen Vorgang erklärende Aufklärung wäre gewissermaßen der philosophische Part der heutigen Friedensforschung. Politisches Ziel ist die Herstellung eines welt-innenpolitischen, eines globalen Rechtsrahmens, damit die Investoren nicht in Kindersklaverei- und Umweltsünder-Staaten und die Reichen nicht in Steueroasen ausweichen können. Man macht sich natürlich mit dieser Aufklärung bei den heutigen Mächtigen, den Marktgewinnern, nicht beliebt!“

Ernst Ulrich von Weizsäcker, „Naturwissenschaft und Friedensforschung: eine vertrackte Beziehung“, Festvortrag zur Eröffnung des Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrums Naturwissenschaft und Friedensforschung, 7. Juli 2006.

Nach einem demokratisch sehr zweifelhaften Verfahren (headhunting, programmlose Kandidatinnenfindung, geheime Hochschulratssitzung, Ad-hoc-Feriensitzung des Akademischen Senats, zu schwache Mehrheit des Gremiums) ist Frau Auweter-Kurtz mit neun zu sechs Stimmen als Präsidentin der Universität im Akademischen Senat bestätigt worden.
Die Für-Stimmen kamen von den Professorinnen und Professoren, die Gegenstimmen – mehrheitlich: 2 von 3 – von studentischer Seite, vom Technischen und Verwaltungspersonal sowie von den wissenschaftlichen Mitarbeitern.
Es standen sich gegenüber ein undemokratisches bzw. intransparentes Verfahren, eine senatskonforme Kandidatur oder ein souveränes Procedere nach vernünftigem Programm, die soziale Offenheit des Studiums, ein freimütiger kollegialer Zusammenhang der Universität und ihrer Mitglieder sowie – nicht zuletzt – das gesteigerte Gewicht einer verantwortlichen und öffentlich wirksam agierenden Friedensforschung, die anregend für die Gesamtentwicklung der Wissenschaften wirksam ist.
Bei dieser Kontroverse wird es bleiben.
Krieg ist entgegen mancherlei Propaganda nicht Frieden.
Die Vernunft ist keine Handelsware.
Wer sich nicht entmutigen läßt, positioniert sich aussichtsreich.“

Die Präsidentin ist keine Friedenspräsidentin. Die bisherigen Probleme sind – wer konnte es ahnen? – der Universität und der Welt erhalten geblieben. amnesty international veröffentlicht, daß der gegenwärtige Krieg im Irak ca. 650 000 Todesopfer gefordert hat. Erneut wird unsere Resolution zum Nah-Ostkonflikt ohne inhaltliche Befassung von der Tagesordnung genommen. In derselben Sitzung wird unser politisch-juristischer Widerspruch gegen das Wahlverfahren für die neu gewählte Präsidentin abgelehnt.

Protokollauszug von der AS-Sitzung am 17. August 2006

„Der Präsident weist darauf hin, daß der vorgesehene TOP 13 - Resolution für Frieden in Nah-Ost -unter IV. Beratung sonstiger Angelegenheiten der Universität zu behandeln wäre, sofern der Akademische Senat einer Befassung zustimme.
Prof. Dr. Henkel beantragt, von einer Behandlung des Tagesordnungspunktes abzusehen.
Es erfolgt Gegenrede durch Herrn Walther
Der Akademische Senat spricht sich mit 2 : 11 : 1 Stimmen gegen die Behandlung des Tagesordnungspunktes aus.
Die Tagesordnung wird mit dieser Veränderung festgestellt.“
„Der Akademische Senat weist gemäß § 24 Geschäftsordnung des Akademischen Senats den Widerspruch von Herrn Olaf Walther vom 27.07.2006 (Begründung s. Schreiben vom 02.08.2006) gegen die Anwendung des Abstimmungsmodus nach § 15 Abs. 6 Geschäftsordnung zurück.“

Zur Sitzung im September reichen wir einen Antrag für eine universitätsöffentliche Veranstaltung zur wissenschaftlich-politischen Analyse und Kritik der Situation im Nahen Osten ein. Alternativen zur militärischen Konfliktführung sollen hier exemplarisch erörtert werden. Die Mehrheit der Mitglieder des Akademischen Senats schwankt:

„Für einen besonderen Praxisbezug der Wissenschaften

Der Akademische Senat möge befassen, beraten und beschließen:
Die internationale Lage ist enorm angespannt. Einer Eskalation kriegerischer Konflikte im Nahen Osten sollte zivil begegnet werden. In diesem Zusammenhang ist die Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen militärischen Mission umstritten. Eine nachhaltige Friedensordnung für den gesamten Raum bleibt unerläßlich.
Das Präsidium der Universität Hamburg und das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg laden deshalb zu einer öffentlichen Veranstaltung „Wissenschaft und Frieden: Beiträge für eine stabile Friedensordnung in Nah-Ost“ ein.
Der Akademische Senat begrüßt dieses Vorhaben und bittet alle Mitglieder der Universität, die Veranstaltung bekannt zu machen und sich an ihr zu beteiligen.“

Protokollauszug von der AS-Sitzung am 21. September 2006

„Prof. Dr. Sattler bittet um Erläuterung, welcher Beratungsgegenstand unter TOP 11 – Veranstaltung der Universität zum Konflikt in „Nah-Ost“ – behandelt werden soll.
Herr Walther berichtet von einem Angebot des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), gemeinsam mit der Universität Hamburg eine Veranstaltung über die Entwicklung einer nachhaltigen Friedensordnung für den Nahen Osten durchzuführen.
Prof. Dr. Sattler beantragt unter Hinweis darauf, daß dies keine Angelegenheit sei, die eines Beschlusses des Akademischen Senats bedürfe, den Tagesordnungspunkt abzusetzen.
Es erfolgt Gegenrede durch Frau Sepehrnia.
Der Akademische Senat nimmt den Antrag von Prof. Dr. Sattler mit 10 : 4 : 3 Stimmen an.
Prof. Dr. Gogolin weist darauf hin, daß mit diesem Votum des Akademischen Senats keine Ablehnung der geplanten Veranstaltung zum Ausdruck kommen sollte und damit auch nicht ausgeschlossen sei, daß der Akademische Senat beschließt gemeinsam mit dem IFSH eine Veranstaltung durchzuführen, sobald hierfür konkretere Planungen vorliegen.
Die Tagesordnung wird mit der o.a. Änderung festgestellt.“

Zur Zeit bereitet das Präsidium eine Veranstaltung in der vorgeschlagenen Konstellation für den Beginn des SoSe 2007 vor.


II. Demokratische Souveränität wider die neoliberalen Zumutungen

Seit seinem Amtsantritt will Senator Dräger die demokratische Kooperation und Selbstverwaltung der Universitätsmitglieder zerschlagen. Denn sie ist das schwerste Gewicht, das die Universität zur Verteidigung ihrer inhaltlichen Souveränität und einer humanistischen Orientierung der Wissenschaften in die Waagschale werfen kann. Die kollegiale und zuweilen streitbare Verständigung der Universitätsmitglieder fördert das kritische Verständnis der eigenen (gemeinsamen) Lage. Sie ermöglicht die Überwindung vermeintlicher „Sachzwänge“ und eröffnet die Perspektive auf politische Veränderungen durch gemeinsames Eingreifen. Gegen die Gefahr der Resignation angesichts der neoliberalen Marktdiktatur ist sie das erste und letzte Mittel.

Deshalb ist es sehr erfreulich, daß trotz einer anti-demokratischen Gesetzgebung durch Drägers „HochschulModernisierungsGesetz“ von 2003 gelungen ist, eine Grundordnung (Verfassung) der Universität zu erarbeiten, die die teildemokratische Mitbestimmung der Mitgliedergruppen der Universität (Studierende, Technisches- und Verwaltungspersonal, „Mittelbau“ und Professorinnen und Professoren) tradiert und – wenn auch eingeschränkt – ermöglicht.
Von besonderer Bedeutung ist dabei gewesen, daß der Akademische Senat sich erneut auf gemeinsame Werte und eine verallgemeinerungswürdige wissenschaftspolitische Zielstellung verständigen konnte („Präambel“) und einen Weg gefunden hat, das gesetzlich gestrichene Universitätsparlament „Konzil“ in einem großangelegten Konvent aufzuheben. Der Konvent soll Entsandte aus allen „Fakultäten“, die Mitglieder des AS, das Präsidium sowie Vertreter der Fachschaftsräte, des Studierendenparlaments und der Personalräte zusammenbringen. Ihm ist die Diskussion grundsätzlicher Entwicklungsfragen der Universität zugemessen und er soll der Ort sein, an dem die Universitätsleitung ihren jährlichen Rechenschaftsbericht zur Debatte stellt.
Zu überwinden war für diese Einigung vor allem die elitäre Herablassung konservativer Hochschullehrer, die angesichts der Entwertung „der Wissenschaft“ (also ihrer selbst) durch die Kommerzialisierung meinten, ihr Heil in der Wiederbelebung quasi-feudaler akademischer „Traditionen“ zu finden.
Obwohl die Wissenschaftsbehörde keine rechtlichen Bedenken gegen die schließlich gewählte Konstruktion geltend machen konnte, hat sich der Hochschulrat, der die Grundordnung genehmigen muß, angemaßt, den Konvent begründungslos zu streichen.
Eine dem Konvent vergleichbare Versammlung einzuberufen, steht dem Präsidium aber frei und sollte in Bälde gelingen.

Wir dokumentieren nachstehend zunächst die „Präambel“ der Grundordnung und danach ein Flugblatt anläßlich des Besuchs der neuen vorsitzenden des Hochschulrats, Dr. Doris André (British Amarican Tobacco), die der nachdrücklichen Einladung des Akademischen Senats zur Diskussion dieses Konflikts sowie der Möglichkeiten der Kooperation zwischen Hochschulrat und AS formal folgte.

Grundordnung der Universität Hamburg

Präambel

Die Universität Hamburg als autonome öffentliche Körperschaft, die im Zusammenwirken ihrer Mitglieder durch Forschung und Lehre, Studium und Weiterbildung der Pflege und Entwicklung der Wissenschaft dient, gibt sich in eigenverantwortlicher Wahrnehmung ihres Satzungsrechts eine Grundordnung zur Regelung der Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, des Zusammenwirkens ihrer Organe und Fakultäten sowie der Gestaltung ihrer Selbstverwaltung.
Im Bewußtsein der wechselvollen Geschichte und der gesellschaftlichen Verantwortung der Universität bezieht sich der Akademische Senat dabei auf das am 15. Juni 1998 beschlossene Leitbild der Universität als Auftrag zum Schutz und zur Verwirklichung wissenschaftlicher Freiheit, zur Mitgestaltung eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates und einer friedlichen und menschenwürdigen Welt sowie zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung und der Gleichstellung der Geschlechter.
Der Forschung, der Lehre und der Bildung gewidmet, sind die Universität und ihre Fakultäten aufgerufen, den Zusammenhang der Universität zu wahren und die wissenschaftliche Zusammenarbeit auch über Fächergrenzen hinweg und im internationalen Austausch zu pflegen.

Beschluß des Akademischen Senats vom 9. März 2006.

Hoher Besuch?

Die Vorsitzende des Hochschulrates im Akademischen Senat

„Geld.
Millionen strömen morgens aus den grauen, rußigen Vorortbahnhöfen in die Stadt, ihre Schritte
schlurren, eine Wolke von Menschendunst liegt auf ihnen;
Freunde verraten ihre Freunde, während sie suchen;
der Rentier entfaltet die Gewinnliste;
der Bettler sucht einen, der ihm glaubt, daß er blind ist;
Spieler suchen, halbirr, einen Pump unterzubringen;
der Bankier sucht fremdes Geld.
Alle suchen.“

Kurt Tucholsky, „Alle Welt sucht“, 1925.

Zwischen dem Hochschulrat und dem Akademischen Senat (AS) wird kaum kommuniziert.
Jüngst begab es sich aber zu der Zeit, daß Frau Doris André, die nunmehrige Vorsitzende des Hochschulrates, dem AS die Ehre gab, den Akademischen Senat auf seiner Sitzung am 21.12.’06 zu besuchen und sich den Fragen des Gremiums zu stellen.
Frau André kommt – politisch gewollt – aus dem Management von British-American-Tobacco (BAT) und war dort für Personal und soziale Angelegenheiten zuständig.
Sie befürwortet, standesgemäß, obgleich sie selbst mit Hilfe von BAföG studiert hat, Studiengebühren.
Auf unsere Frage hin, wie denn der Wechsel in der Leitung des Hochschulrates von der Wissenschaft (Prof. Timm) zur Wirtschaft (Kapital/Management) zu bewerten sei, kam die schnöde Antwort, daß „die“ Wirtschaft wichtig in der Gesellschaft und der „Hauptabnehmer der Absolventen“ der Hochschulen sei. (Was übrigens nicht den Tatsachen entspricht.) Antenne geerdet, aus.
Unsererseits befragt danach, warum der Hochschulrat den im Entwurf des Akademischen Senats für die Grundordnung vorgesehenen Konvent (Beratung von Grundsatzfragen der Entwicklung durch gewählte Vertreter aller Bereiche, Ebenen und Mitgliedergruppen) abgelehnt habe, antwortete Frau André kurzerhand, daß das Gremium zu Drägers und unternehmerischen Gnaden den Konvent nicht für opportun gehalten habe und die dafür vorgesehenen Angelegenheiten ja auch so beraten werden könnten. Klappe zu, Debatte tot.
Insgesamt war der vermeintlich hohe Besuch recht kurz gehalten. Freundlich und gesetzt in der Form, wurde hier der Herr-im-Hause-Standpunkt vertreten und vermittelt. Ein gemeinsamer Ausblick ist nicht entstanden. Vereinbarungen sind nicht getroffen worden.
Frau André hinterließ ein einigermaßen verblüfftes Gremium und den bestärkten Eindruck, daß Wissenschaft – zumal aufgeklärt, demokratisch und sozial verantwortlich – und Wirtschaft – zumal konservativ und von Oben herab – nicht zusammenpassen.
Ein Lehrstück, das zu widerstrebendem Handeln auffordert.
Wir setzen diese Arbeit fort.


III. Bildung für alle!

Für Gebührenfreiheit, solidarisches Lernen und kritische Wissenschaftlichkeit im Studium

Studiengebühren sind rundum abzulehnen. Sie verschärfen die kommerzielle Deformation von Menschen, Bildung und Wissenschaft durch soziale Drangsalierung. Ihre Einführung bedeutet nach 30jähriger Gebührenfreiheit eine negative bildungspolitische Zäsur, die zudem völkerrechtswidrig sowie volkswirtschaftlich unvernünftig und schädlich ist.
Dieser Zusammenhang macht einen Erfolg des so begründeten Widerstands der Studierendenschaft gegen das Bezahlstudium wahrscheinlich.
Auf jeden Fall sind die Gremien der Universität auf dieser Basis seit 10 Jahren auch unter immer größerem Druck von Rechts dazu zu bewegen, sich gegen die Gebühreneinführung zu äußern:

Protokollauszug zur AS-Sitzung am 19. Januar 2006

„Nach ausführlicher Beratung faßt der Akademische Senat folgende Beschlüsse
1. Der Akademische Senat der Universität Hamburg bekräftigt angesichts des Senats-Entwurfs für ein „Studienfinanzierungsgesetz“ seine mehrfach beschlossene Ablehnung von Studiengebühren.
(mit 11 : 3 : 2 Stimmen angenommen)
2. Der Akademische Senat fordert daher den Senat der FHH auf, den Entwurf zurückzunehmen, die Privatisierung von Bildungskosten zu beenden und den Weg einer bedarfsgerechten, öffentlichen Finanzierung der Bildungseinrichtungen und des Lernens einzuschlagen.
(mit 8 : 5 : 2 Stimmen angenommen)
3. Der Akademische Senat bittet, die Stellungnahme des Präsidiums um folgende Punkte zu ergänzen:
— die Darlehensregelung des Gesetzes muß den Darlehensanspruch der Studierenden unabhängig von den Vereinbarungen zwischen der Stadt und Finanzierungsinstituten sicherstellen und die Modalitäten der Darlehenstilgung und -verzinsung sozial adäquat konkretisieren,
(mit 10 : 0 : 6 Stimmen angenommen)
— öffentlich finanzierte Stipendien und die Ausbildungsförderung sind um den Betrag von Studiengebühren zu erhöhen,
(mit 11 : 0 : 3 Stimmen angenommen)
— die Altersbegrenzungen auf maximal 35 Jahre sind an den entsprechenden Stellen zu streichen,
(mit 15 : 0 : 1 Stimmen angenommen)
— die Ausfallbürgschaft für nicht zurückgezahlte Studiendarlehen ist Aufgabe des Staates, die Verpflichtung der Universität, dafür Zahlungen abzuführen, ist zu streichen,
(mit 13 : 1 : 2 Stimmen angenommen)
— der Akademische Senat bittet das Präsidium, die Ausnahmetatbestände in § 6 b auf Vollständigkeit zu prüfen,
(mit 16 : 0 : 0 Stimmen angenommen)
— das Studienfinanzierungsgesetz ist nach einer Frist von etwa 5 Jahren im Hinblick auf seine Auswirkungen auszuwerten. Dabei ist insbesondere auch eine geschlechtsbezogene Auswertung und eine Auswertung im Hinblick auf soziale Selektivität vorzunehmen. Des weiteren sind die Auswirkungen auf das Studium von ausländischen Studierenden und von Studierenden mit Behinderungen auszuwerten,
(mit 16 : 0 . 0 Stimmen angenommen)
— die Regelung zur Befreiung in § 6 b Abs. 3 sollte wie folgt abgefaßt werden: „Die Hochschulen befreien aufgrund eines vor Beginn der Vorlesungszeit zu stellenden Antrags Studierende von der Gebührenpflicht, bei denen eine Behinderung im Sinne des § 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch von mindestens 50 % Grad der Behinderung vorhanden ist oder eine schwere Erkrankung sich erheblich studienerschwerend auswirkt.“
(mit 16 : 0 : 0 Stimmen angenommen)
Den Antrag von Herrn Walther, die Ermächtigung zur Befreiung aufgrund besonderer Leistungen zu streichen, lehnt der Akademische Senat mit 1 : 11 : 4 Stimmen ab.
Den Antrag von Herrn Walther, das Präsidium möge sich bei der Formulierung der Stellungnahme am Grundsatzbeschluß des Akademischen Senats orientieren, lehnt der Akademische Senat mit 6 : 7 : 2 Stimmen ab.
Der Präsident kündigt an, der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit den Grundsatzbeschluß des Akademischen Senats zuzuleiten und die Stellungnahme des Präsidiums um die inhaltlichen Punkte des Akademischen Senats zu ergänzen, sowie zu versuchen, zu diesen Punkten auch die Zustimmung der anderen Hochschulen in der gemeinsamen Stellungnahme zu erreichen.“

Je näher die mögliche Beschlußfassung der Bürgerschaft über die Einführung der Gebühr rückt, desto mehr sinkt zunächst die Bereitschaft der Hochschullehrer, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen; dennoch:

Protokollauszug von der AS-Sitzung am 01. Juni 2006

„Prof. Dr. Gogolin beantragt ferner, Tagesordnungspunkt 12 – Studiengebühren – mit Verweis auf die bereits beschlossene Stellungnahme des Akademischen Senats abzusetzen. Zugleich beantragt Prof. Dr. Gogolin, zur nächsten Sitzung des Akademischen Senats einen Tagesordnungspunkt – Erörterung eines Konzepts zur Umsetzung eines Studienfinanzierungsgesetzes – aufzunehmen. Das Präsidium wird gebeten, hierfür die dort angestellten konzeptionellen Überlegungen in einer Vorlage darzulegen.
Frau Sepehrnia spricht sich gegen die Absetzung von Tagesordnungspunkt 12 aus.
Der Akademische Senat beschließt mit 9 : 3 : 2 Stimmen, Tagesordnungspunkt 12 abzusetzen und bekräftigt dabei seine am 19. Januar 2006 in der Sache beschlossene Stellungnahme [s.o., Anm. d. Red.]. Der Akademische Senat bittet das Präsidium, ihm in der nächsten Sitzung die Überlegungen des Präsidiums für den Fall der Einführung von Studiengebühren durch ein von der Bürgerschaft beschlossenes Gesetz darzulegen.“

Infolge lebendiger Auseinandersetzungen wurde in der Bürgerschaft das Drägersche Gebührengesetz deutlich später als geplant und nur knapp beschlossen. Dadurch sind die Hochschulen vorerst zur Gebührenerhebung angehalten. Unter den fortgesetzten Protesten hält die Universität an der Gebührenablehnung fest, wirkt auf ihre Widerabschaffung hin und erarbeitet eine Satzung zur Gebührenbefreiung. Im Dezember 2006 spricht der AS für diese Satzung erste Empfehlungen aus. Der Prozeß der Erarbeitung wird allerdings erst im Januar abgeschlossen.
Die Universität sieht sich dabei verstärkt im Konflikt mit der Behörde „für“ Wissenschaft und Forschung, da diese auf einer sehr strikten Auslegung des Gebührengesetztes besteht und dies per Verwaltungsanordnung Autorität durchsetzen will, während die mit „studentischen Belangen“ befaßte Universitätsverwaltung erheblich beeinflußt durch die studentischen Aktivitäten die Möglichkeiten der Befreiung wegen „unbilliger Härte“ sozial ausgestalten will.

Protokoll-Auszug von der AS-Sitzung am 21. Dezember 2006

„In der anschließenden Erörterung werden von den Mitgliedern des Akademischen Senats folgende Anregungen gegeben:
Es sollte überprüft werden, ob anstelle der in § 2 Abs. 1 der Satzung benannten konkreten Noten relative Angaben sinnvoller seien. [Das Gesetz sieht eine „leistungsabhängige“ Gebührenbefreiung vor, Anm. d. Red.]
Es sei zweckmäßiger auf Leistungen während des Studiums abzustellen als auf Leistungen, die an anderen Institutionen erbracht wurden.
Die vielfachen Beschlüsse der Gremien der Universität zur Ablehnung von Studiengebühren sollten in der Satzung zum Ausdruck gebracht werden. Es wird außerdem darauf hingewiesen, daß seitens der Behörde für Wissenschaft und Forschung noch keine verbindlichen Angaben hinsichtlich der Modelle für eine Stipendien- bzw. Studienkreditgewährung gemacht wurden.
Die Universität sollte Vorkehrungen dafür treffen, ausländische Studierende bei der Refinanzierung von Gebühren zu unterstützen (z.B. Hilfestellung bei der Arbeitsfindung) und sie außerdem umfassend über die rechtlichen Bedingungen (Bedingungen für Stundung und nachträglichen Erlaß) zu informieren.
Herr Schliffke gibt zu bedenken, daß anstatt der zurzeit in der Satzung vorgesehenen Befreiung nach einem herausragenden Abschluß des Studiums es weitaus zweckmäßiger sei Modelle zu entwickeln, die den Studierenden eine Unterstützung während des Studiums gewähren. Es wird angeregt zu prüfen, ob anstelle einer studienbegleitenden Gebührenzahlung eine Möglichkeit der nachträglichen Gebührenzahlung eingeräumt werden kann.
Prof. Dr. Gogolin stellt einen Antrag zur Geschäftsordnung, die Redezeit auf drei Minuten zu begrenzen. Nach Gegenrede von Herrn Walther stimmt der Akademische Senat dem Antrag von Prof. Dr. Gogolin mit 12 : 2 : 3 Stimmen zu.
Prof. Dr. Gogolin schlägt vor, für die Beratung des vorliegenden Entwurfs der Satzung das Studienfinanzierungsgesetz weit möglichst auszulegen und in diesem Sinne auch zu prüfen, ob die Einbeziehung von Formen gesellschaftlichen Engagements als Leistungen im Sinne von § 6 Abs. 5 Nr. 1 a Studienfinanzierungsgesetz möglich wäre. Sie weist ferner darauf hin, daß in den Niederlanden ein geeignetes Modell zur Prognostik künftiger Studienleistungen Anwendung findet und regt an, diese Erfahrungen in der Universitätssatzung aufzunehmen und darüber hinaus für die Satzung eine Erprobungsphase vorzusehen.
Prof. Dr. Greven bittet um Prüfung, ob es zweckmäßig sein könnte, für die Fälle von § 6 b Abs. 4 des Studienfinanzierungsgesetzes einen akademischen Ausschuß vorzusehen.
Es wird außerdem gebeten zu prüfen und zu erläutern, wie der besondere Hochschulzugang in der Satzung berücksichtigt wird. Außerdem weist Herr Rogalla darauf hin, daß § 6 b Abs. 4 des Studienfinanzierungsgesetzes die Möglichkeit der Hochschule, Studiengebühren aufgrund eines Antrages zu erlassen bzw. zu stunden, ausdrücklich vorsieht. Eine diesbezügliche Verwaltungsanordnung seitens des Senats der FHH stelle daher einen Eingriff in die Hochschulautonomie dar.
Vizepräsident Prof. Dr. Fischer weist darauf hin, daß die Handhabbarkeit der Satzung für die Verwaltung der Universität sichergestellt sein müsse.
Dies gelte zum Beispiel bei der Frage, ob Leistungen im Studienverlauf berücksichtigt werden sollen und auch für ein mögliches Anreizsystem für eine Gebührenbefreiung.
Er sagt zu, die Satzung um Regelungen für eine Erprobungsphase zu ergänzen und kündigt ferner an, dem Akademischen Senat einen Bericht über die bisherige Verwaltungspraxis bei der Berücksichtigung von Behinderungen oder chronischen Erkrankungen vorzulegen.
Auf Nachfrage von Herrn Rogalla sagt die Präsidentin zu, eine Prüfung vornehmen zu lassen, wie der besondere Hochschulzugang in der Satzung berücksichtigt wird.
Im Akademischen Senat besteht Einvernehmen darüber, das Präsidium zu bitten, die Satzung entsprechend der Anregungen unter Berücksichtigung der Anmerkungen von Vizepräsident Prof. Dr. Fischer zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten.“

Auch der für „Lehre und Studium“ zuständige Ausschuß des Akademischen Senats (ALSt) hat sich mit dieser Problematik befaßt und aufgrund der Initiative kritischer Studierender für die Sitzung des Akademischen Senats im Januar 2007 eine Beschlußempfehlung vorbereitet, die die üble gesetzliche Vorgabe so weit wie möglich dehnt:

Protokoll-Auszug von der ALSt-Sitzung am 12. Januar 2007

„Des Weiteren empfiehlt der Ausschuß für Lehre und Studium dem Akademischen Senat mit 5:1:3 Stimmen, den nachstehenden Textteil zu beschließen und die Präambel der Satzung voranzustellen.[...]
1. Eine Satzung zur Befreiung von Studiengebühren, Präambel
Den Prinzipien des Leitbildes und der von ihm beschlossenen Grundordnung verpflichtet, setzt der Akademische Senat sich dafür ein, die gegenwärtig gesetzlich vorgeschriebene Erhebung von Studiengebühren so transparent, sozial und demokratisch wie möglich zu gestalten. Er folgt dabei insbesondere dem Grundsatz, daß kein Studierender und keine Studierende aus sozialen, persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen genötigt sein darf, das Studium zu beenden.
Die Universität Hamburg sollte daher eine zusammenfassende „Satzung zur Befreiung von Studiengebühren“ erlassen, die die gesetzlichen Möglichkeiten zur Befreiung von Studiengebühren so weit als möglich ausschöpft und erläutert. Deshalb schlägt der Akademische Senat für diese Satzung die folgende Präambel vor:
Präambel:
Die Bildung mündiger Menschen, die Verwirklichung des Rechts auf wissenschaftliche Bildung und des chancengleichen Zugangs zu Bildung und Wissenschaft ist der Universität Aufgabe und Verpflichtung. Sie lehnt deshalb weiterhin die Erhebung von Studiengebühren ab und wird weiterhin für ein gebührenfreies Studium wirken.
Auf dieser Grundlage hat die Universität die nachstehe Satzung beschlossen, mit dem Ziel, die durch § 6b HmbHG begründete Pflicht zur Zahlung von Studiengebühren so zu gestalten, daß die Möglichkeit zu studieren nicht durch soziale, persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Gründe behindert wird.
2. Befreiung von Studiengebühren
Studierende mit Kindern sowie Studierende, bei denen sich eine Behinderung erheblich Studien erschwerend auswirkt, sind nach § 6b Absatz (3) HmbHG von Studiengebühren zu befreien. Für Studierende mit Behinderung hat es eine besondere Bedeutung, ihre wissenschaftliche Qualifikation zu entwickeln, „um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken“ (§ 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch), da ihre physischen und psychischen Einschränkungen so kompensiert, oftmals sogar überschritten werden können. Für solche Studierende wirkt sich der durch Studiengebühren aufgebaute Druck, sich schnell und folgsam für eine zukünftige berufliche Tätigkeit zu qualifizieren, noch einmal verschärft destruktiv aus, da sie ohnehin stets mit der kulturellen Herabwürdigung aufgrund ihrer mangelnden unmittelbaren Verwertbarkeit konfrontiert sind. Studierende mit Behinderung sind deshalb so weit als irgend möglich von Studiengebühren zu befreien, ohne daß sie sich einer zusätzlich entwürdigenden Prozedur zum individuellen Nachweis der Studien erschwerenden Auswirkung ihrer Behinderung zu unterziehen hätten. Daher ist mindestens für schwer behinderte Studierende grundsätzlich von einer erheblichen Studienerschwernis auszugehen.
Studierende mit Kindern befinden sich zumindest insoweit in einer vergleichbaren Lage, als daß die privat übernommene Aufgabe, ein Kind zu erziehen, heute faktisch mit einer erheblichen Einschränkung der Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe verbunden ist.
Der Akademische Senat soll auf dieser Grundlage abschließend Stellung zu dem Entwurf der Gebührensatzung nehmen. Das Präsidium soll diese nach dem jetzt gültigen Hochschulgesetz im weiteren Erarbeitungsprozeß berücksichtigen, ist aber nicht formal, eher schon politisch an die AS-Empfehlung gebunden. Die vom Präsidium ausgearbeitete Satzung darf der Hochschulrat genehmigen.“

Studiengebühren jeglicher Art müssen wieder abgeschafft werden.