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Dokumentation von Initiativen, Diskussionen und Beschlüssen aus dem Akademischen Senat (AS) im Jahre 2016

Wahrhaftigkeit und gemeinsame Wirksamkeit:
Für eine bessere Welt!

„Die Furcht vor der Kompliziertheit lähmt viele. Sie halten für nötig, was passiert. Aber oft ist von dem, was passiert, nur einiges wirklich nötig, das andere kann wegfallen oder anders sein.“

Bertolt Brecht, Me-ti: Buch der Wendungen, „Über den groben Materialismus“.



Inhalt

Editorial

II. Aufklärung & Emanzipation („Gegen Rechts!“)
II.1. Beschluß des Akademischen Senats vom 21. April 2016
Bücherverbrennung – Nie wieder!
Für Frieden und Menschenrecht

II.2. Beschluß des Akademischen Senats vom 13. Oktober 2016
Erinnern, Lernen, Gestalten:
Aufruf zur Mahnwache zum 78. Jahrestag der Pogromnacht

III. Für die Freunde des Lernens – Zur Studienreform
III.1. Gemeinsames Flugblatt von Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten und SDS* vom 22. Juli 2016
Homo Oeconomicus oder Citoyen?

III.2. „Dies Academicus“ und Rahmenprüfungsordnung
III.2.1. Vorbereitung eines Dies Academicus für das WiSe 2016/17
Verschiebung des „Dies Academicus“ (AS-Protokoll vom 17. November 2016)
III.2.2. Die Kontroverse um die Rahmenprüfungsordnung
III.2.3. Gemeinsames Flugblatt von Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten und SDS* vom 20. Dezember 2016
Offen und wirklich:
Zum gegenwärtigen Stand der Studienreform

III.3. Hochschulpolitische Rahmenbedingungen der Studienreform

IV. Die „Schuldenbremse“ lösen!
IV. 1. Stellungnahme des Akademischen Senats zum vom Präsidium vorgelegten Wirtschaftsplan von der AS-Sitzung am 15. September 2016
IV. 2. Ein neuer „Kampf um die Zukunft“
IV.2.1. Gemeinsames Flugblatt von Liste Links und harte zeiten – junge sozialisten vom 14. November 2016
Kurswechsel

IV.2.2: Für eine angemessene öffentliche Ausstattung von Forschung, Lehre und Bildung

V. Frieden und Internationales
V.1.1. „Nicht in unserem Namen“
Wissenschaft für den Frieden in Kurdistan
(AS-Beschluß vom 26.5.2016)

V.1.2. Betr.: Stellungnahme aktuelle Lage Wissenschaftler*innen in der Türkei / Einschätzung AS-Positionierung zum ASTA-Antrag vom 19.1.2016
V.2. Einrichtung eines Ausschusses „Internationale Angelegenheiten“


Editorial

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wer stellt sich Frieden, Gerechtigkeit und wahrhafter Demokratie oder der Lösung der ökonomischen und ökologischen bzw. der humanen Krise in den Weg?

Wer wirkt für einen erstarkenden solidarischen Gemeinsinn?

Wissenschaftliche Aufklärung und humanistische Bildung für ein gelingendes internationales Miteinander der Menschheit – das ist die schöne, die emanzipatorische Potentialität von „Universität“!

Die Universitäten stehen aber fortgesetzt unter dem politischen Druck ökonomischer Verwertung: Die staatlich verordnete „Schuldenbremse“ bedeutet in diesem Zusammenhang, daß – trotz erheblich höherer Tarif- und Preissteigerungen – die Mittelzuweisungen an die Hochschulen jährlich höchstens um 0,88 % des bisherigen Etats angehoben werden. Damit wird die Uni deformiert – zum Schaden aller. Die Unterfinanzierung begünstigt in der Forschung das dauernde Rennen um Anerkennung und Drittmittel anstelle kooperativer wissenschaftlicher Erkenntnisbildung. Die Fortsetzung des „Bologna“-Systems aus „Bachelor“ und „Master“ (Masse und Elite, Prüfungsdruck und affirmativer Arbeitsmarktorien-tierung) steht der aufgeklärten Verwirklichung sinnvoller Bildung und Wissenschaft ebenso hinderlich entgegen.
Die Fortsetzung des Falschen verärgert zunehmend. Sie gehört beendet.

Humane Ansprüche – sinnstiftend, produktiv, problemlösend, also menschlich und kritisch, zu wirken – wachsen täglich. Im Akademischen Senat, dem höchsten demokratisch legitimierten Gremium der Uni, wird diese Entwicklungskontroverse permanent reflektiert. Für die Herausbildung einer solidarischen, zukunftsbildenden Haltung und gemeinsamen Handlungsweise ist das kontinuierliche Wirken von couragiert humanistischen Unimitgliedern nötig. In Zusammenarbeit aller progressiv Ambitionierten läßt sich Erfreuliches bewirken; manche Verstockung und Kleinkrämerei wird aufgelöst.

Je mehr Unimitglieder diese Möglichkeit bewußt wahrnehmen, umso nachhaltiger lassen sich gemeinsam Verbesserungen für Alle erreichen. Für diesen Prozeß kooperativer demokratischer Veränderung dokumentieren wir hier Positionen, Kontroversen und Beschlüsse aus dem Akademischen Senat.
Sie gehen weitgehend auf Initiativen unseres „Bündnisses für Aufklärung und Emanzipation (BAE!)“ zurück. Sie können nun als Ermunterung zu erweiterter gemeinsamer Aktivität für Verbesserungen aufgegriffen werden.

In diesem Sinne wünschen wir anregende Lektüre!

Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten sowie zahlreiche Freunde
– Zusammen das „Bündnis für Aufklärung und Emanzipation! (BAE!)“ –



II. Aufklärung & Emanzipation („Gegen Rechts!“)

Herr Lucke, der Wirtschaftsprofessor, der die sogenannte „Alternative für Deutschland“ gründete, hat zwar auch an der Uni Hamburg gewirkt – bestimmend ist er aber nicht.

Für das kontinuierliche antifaschistische Engagement ihrer Mitglieder, für ihre kritische und lernende Auseinandersetzung mit der Geschichte und der gesellschaftlichen Verantwortung heute sind die nachstehenden Aufrufe des Akademischen Senats zu antifaschistischen Veranstaltungen maßgebend:

II.1. Beschluß des Akademischen Senats vom 21. April 2016

Bücherverbrennung – Nie wieder! Für Frieden und Menschenrecht

„Dem Recht auf Asyl wurde sein Inhalt, dem Artikel 16 seine Würde genommen. Möge das Grundgesetz spätestens bis zum 70. Jahrestag seiner Verkündung von diesem hässlichen, herzlosen Fleck gereinigt sein, verehrte Abgeordnete.“
Navid Kermani, Rede vor dem Deutschen Bundestag zur Feierstunde „65. Jahre Grundgesetz“, 23.5.2014.
Aus Anlaß des 83. Jahrestags der „Bücherverbrennungen“ im „Dritten Reich“ erinnert der Akademische Senat an diese Manifestation des menschenverachtenden und pur kulturfeindlichen Nazi-Regimes. Der für jedermann sichtbare Akt der Barbarei bildete eine Vorstufe zu Verfolgung, Vernichtung und Krieg.

Die „Deutsche Studentenschaft“ (DSt) und der „Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund“ (NSDStB) verbrannten am 15. Mai 1933 am Kaiser-Friedrich-Ufer die Werke von jüdischen, pazifistischen, kommunistischen, sozialdemokratischen und republikanischen Schriftstellern.
Besonders verfemt wurden Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen und Künstler, die sich engagiert öffentlich für Aufklärung, Frieden, sozialen Fortschritt und Menschenrechte stark gemacht hatten.

Die „verbrannten Bücher“ heute wieder zu lesen, öffentlich darzustellen und zu diskutieren, dient der aktuellen Aneignung dieses humanistischen Erbes, das die geistigen Grundlagen für die Befreiung vom Naziterror und für eine mögliche weltweite Friedensordnung bildet.

Gerade angesichts neu formierter rassistischer Bewegungen gegen Flüchtlinge erinnert der Akademische Senat an die zivilisierende Bedeutung der nach 1945 im Grundgesetz verankerten Rechte und ruft alle Mitglieder der Universität auf, für ihre umfassende Verwirklichung einzutreten.

Er ruft außerdem auf zur Teilnahme an der

MAI 1933: ZUERST BRANNTEN DIE BÜCHER...
16. Marathon-Lesung
am historischen Ort der Hamburger Bücherverbrennung:
Dienstag, 10. Mai 2016, 11–18 Uhr, Platz der Bücherverbrennung, Kaiser-Friedrich-Ufer/Heymannstraße (Metrobus 4)

Mitlesen oder zuhören: Genau dort wird gelesen, wo am 15. Mai 1933 NS-Studentenorganisationen und Burschenschafter Bücher verbrannten. Lesen Sie selbst vor: Ein Gedicht oder einen Text aus einem der verbrannten Bücher. Einfach nur zuhören ist natürlich auch ausdrücklich erwünscht. Wir freuen uns über Anmeldungen unter: kontakt@lese-zeichen-hamburg.de. Für Kurzentschlossene liegen ausgewählte Lesetexte bereit.

II.2. Beschluß des Akademischen Senats vom 13. Oktober 2016

Erinnern, Lernen, Gestalten Aufruf zur Mahnwache zum 78. Jahrestag der Pogromnacht

Tempelherr: Wenn aber nun das Kind, Erbarmte seiner sich der Jude nicht, Vielleicht im Elend umgekommen wäre?
Patriarch: Tut nichts! der Jude wird verbrannt!“

Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise, 1779.

„Die Menschheit befindet sich in der Krise – und es gibt keinen anderen Ausweg aus dieser Krise als die Solidarität zwischen den Menschen.“

Zygmunt Bauman (Prof. em. University of Leeds): Die Welt in Panik. Wie die Angst vor Migranten geschürt wird, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/16, S. 49.

Die Universität Hamburg hat ihr geschichtliches Umfeld im ehemaligen Zentrum jüdischen Lebens: im Grindelviertel. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entfaltete sich hier die jüdische Gemeinde und erreichte in den republikanischen Weimarer Jahren eine Blüte. Ihr Zentrum bildete die „Bornplatz-Synagoge“ (auf dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz) mit der benachbarten Talmud-Tora-Schule im Grindelhof. Das Grindelviertel war ein belebter, kulturell pluraler Stadtteil, Ort des urbanen Lebens und der Integration, der Bildung und Aufklärung. Die Universität, 1919 gegründet und zunächst einer demokratisch-humanistischen Bildungstradition zugewandt, war ein Teil dieses Lebens. Doch schon vor der Machtübertragung an die Nazis 1933 mehrten sich antisemitische Vorfälle, auch an der Universität. Widerspruch und Widerstand gegen die rassistische Menschenhatz wurden in den Untergrund gedrängt. So erhob sich kein Protest mehr, als am 9.11.1938 in unmittelbarer Nachbarschaft die Synagoge geschändet wurde und auch nicht, als neben dem Hauptgebäude, in der Moorweidenstraße, ab Herbst 1941 die als Juden verfolgten Bürgerinnen und Bürger im enteigneten „Logenhaus“ für die Deportation in die Vernichtungslager gesammelt wurden.

Der Antisemitismus der Nazis diente dazu, in der tiefen Gesellschaftskrise seit 1928 der Bevölkerung Sündenböcke darzubieten, die tiefen sozialen Verwerfungen so zu verfestigen und mit Einschüchterung, Terror und völkischer Ideologie einen Raubkrieg vorzubereiten, der 60 Millionen Menschenleben forderte. Demütigung, Vertreibung und Ignoranz gegen rassisch verfolgte, gegen bürgerlich-humanistische, sozialistische und kommunistische Kommilitoninnen und Kommilitonen, Kolleginnen und Kollegen, Nachbarinnen und Nachbarn prägten das düsterste Kapitel der Universitätsgeschichte. An ihre so geschmähten Mitglieder erinnert die Universität aus gutem Grund: nicht nur das ihnen zugefügte Leid abzulehnen, sondern auch ihr engagiertes Wirken für eine menschenwürdige Gesellschaft aufzugreifen, ist für heute bedeutsam.

Nie wieder sollen Bildung und Wissenschaft aus Neid, Konkurrenz und Vorurteilen, aus Gleichgültigkeit, Ressentiment und Opportuni-tätsdenken mitverantwortlich werden an Ausgrenzung, Verfolgung, Mord und Krieg. Frieden, Gerechtigkeit und Humanität sollen Reflexion, Diskurs und gesellschaftliche Praxis der Universität nachhaltig orientieren. Weltoffenheit, Inklusion und Demokratie sollen ihre Kultur prägen.

Wir erinnern, für ein besseres Leben.

Mahnwache
anlässlich des 78. Jahrestags der Reichspogromnacht

am Mittwoch, den 9. November 2016
von 15.30 – 17.00 Uhr
Joseph-Carlebach-Platz (Grindelhof).



III. Für die Freunde des Lernens – Zur Studienreform

Wie kommen wir aus der Bologna-Falle wieder raus?
Diese Frage bewegt die allermeisten, die sich mit Studium, Lehre und Studienreform befassen.
In Fachschaftsräten, Ausschüssen und Institutsgremien, in Tagungen und „Dies Academici“ wurde und wird diese Frage behandelt, denn eigentlich muß die Universität ein begeisternder Lehr- und Lernort sein, an dem die Entfaltung selbstbewußter, solidarischer Persönlichkeiten und Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung gelingt.
Die Uni hat sich bereits ein „Leitbild Lehre“ gegeben in dem es heißt: „Ziel universitärer Lehre ist es, Bildung durch Wissenschaft zu ermöglichen. Das schließt die Aufgabe ein, alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Studierenden hohe wissenschaftliche Kompetenz
erwerben, ihre Fähigkeiten selbsttätig entfalten und sich als mündige Mitglieder der Gesellschaft weiterentwickeln können, die bereit und in der Lage sind, an deren sozial und ökologisch nachhaltiger, demokratischer und friedlicher Gestaltung maßgeblich mitzuwirken und für ihre Zukunftsfähigkeit Verantwortung zu übernehmen.
Grundlage der universitären Lehre ist das Humboldt’sche Bildungsideal der Einheit von Forschung und Lehre. Lernendes Forschen, lebenslanges Lernen und die argumentative Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage sind wesentliche Merkmale dieser Lehre.“

Viele „Bologna“-typische Restriktionen sind mit diesem Movens bereits gemildert worden. Vor allem die sehr weitgehende Abschaffung der Fristenregelung und der Anwesenheitspflicht sowie des Bereichs „Allgemeinbildende Kompetenzen“ zugunsten projektorientierten Lernens weisen in die richtige Richtung. Genügen tut dies jedoch nicht.
Im vergangenen und auch im kommenden Jahr geht es daher darum, das Studium nach Menschenbild, Gesellschaftsverständnis und gemeinsamer demokratischer Verfügung neu mit verantwortlichem Sinn zu füllen.
Wir dokumentieren hier ein Flugblatt, in dem wir unseren Standpunkt des Eingreifens darstellen:

III.1. Gemeinsames Flugblatt von Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten und SDS* vom 22. Juli 2016

Homo Oeconomicus oder Citoyen?

„Die Hochschulen »können« Bologna. (...) Für Studenten der
Ingenieurwissenschaften stellen sich daher vielmehr Fragen wie: Welches spezifische Themengebiet passt zu mir? Wie werde ich zum Spezialisten in diesem Bereich? (...) Wer hier seine persönlichen Antworten gefunden hat, dem steht für einen erfolgreichen Start in den Beruf nichts mehr im Wege.“

Julia Hoscislawski: „Eine sichere Bank“, Editorial des FaZ-Hochschulanzeigers, 2/2016.

„Nach mehr als einem Jahrhundert öffentlicher Hochschulbildung, die als Medium für Egalitarismus und gesellschaftliche Mobilität und als Mittel zur Erreichung einer umfassend gebildeten Demokratie verstanden und finanziert wurde sowie als etwas, das der Individualität Tiefe geben und sie bereichern sollte, wird die öffentliche Hochschulausbildung genauso wie vieles andere in neoliberalen Ordnungen zunehmend so strukturiert, daß die Entwicklungsbahnen von sozialen Klassen zunehmend gefestigt anstatt neu gestaltet werden. Da sie sich darauf konzentriert, den Wert des Humankapitals zu steigern, schwört sie jetzt dem Projekt der Hervorbringung einer Öffentlichkeit ab, die auf die Partizipation an der Volkssouveränität vorbereitet wird.“

Wendy Brown: Die Schleichende Revolution. Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört, Berlin 2015, S. 220.

Es gibt Märkte, die können florieren; Minister, die können kürzen; Soldaten, die können schießen; Autobauer können Manipulation.
Müssen wir „Bologna“ können?
„Bologna“, das ist die Beseitigung allgemeiner Menschenbildung aus der akademischen (Berufs-)bildung. Alle sollen ihren Platz im für natürlich erklärten „Markt“ suchen – allerdings unter Absehung vom Allgemeinen: der sozial verantwortlichen und demokratisch souveränen Gestaltung des gemeinsamen globalen Lebens. Das Leitbild dieses negativen Wandels an den Hochschulen seit etwa 15 Jahren war der neoliberale „Homo Oeconomicus“ – Mensch einer total auf Wettbewerb ausgerichteten Welt. Er investiere all seine geistigen und materiellen Kräfte in Vorteile gegenüber anderen („Humankapital“). So sollten es auch Staaten, supranationale Zusammenschlüsse („EU“), Unternehmen und selbst Schulen, Krankenhäuser und Museen tun – statt sozialer und humaner Nützlichkeit.
Dies war und ist (noch) die „sanfte“ Entmachtung der Bevölkerungen, die weltweit Unsicherheit schafft und die Krise der Demokratien ist. Ihr fauler Kern ist der „Wettbewerb“, der zur „Natur“ des Menschen ideologisiert wird.
Heilen, bilden, sozial gestalten, demokratisch entscheiden, kulturell anregen und menschenfreundliche Praxis, Bauten, Austausch- und Verkehrsbeziehungen hervorbringen sowie international fair und zivil zusammenarbeiten – kurz: das Allgemeine Wohl gelingt nur kritisch und solidarisch. Die Grundlagen menschlichen Daseins und seiner Entfaltungstätigkeit sind kooperative Arbeit, sozial verantwortliche Praxis, verallgemeinerte Erkenntnisse und eine Kultur, die in der gegenseitigen Wertschätzung der Mitmenschen nicht als Mittel, sondern als Zweck der gemeinsamen Entwicklung besteht.
Die Zivilisation ist eine gewordene Ganzheit. So kann sie begriffen, erhalten und auf eine neue, menschenwürdige Stufe gehoben werden. Da dies weder von Regierungen noch Unternehmen zu erwarten ist, ist allgemeine Bildung tendenziell aller Menschen (des „Demos“) relevant: Wer, wenn nicht wir? Bologna ist out.
Der Akademische Senat hat auf studentische Initiative eine Rahmenprüfungsordnung auf den Weg gebracht, die Studierenden und Lehrenden aller Fächer mit einem „Werkstattstudium“ und einem fachüberschreitenden „Studium Generale“ als Bestandteil aller Bachelorstudiengänge sowie mit der Abschaffung aller Fristenregelungen ermöglichen soll, allgemeinbildende Aktivitäten, projektorientiertes Studieren und solidarisches Lehren und Lernen wahrzunehmen. Diese positive Option soll bis ins Wintersemester uniweit diskutiert werden. Auch die Reduktion von Noten und Prüfungen muß dabei vorangetrieben werden.
Bildung ist verantwortliche Entfaltung. Freude soll nicht fehlen. Wir können neu fundiert beginnen.

III.2. „Dies Academicus“ und Rahmenprüfungsordnung

Um die Diskussion um die Studienreform für mehr und mehr Mitglieder der Universität zu öffnen und produktiv zu gestalten, haben wir uns in den vergangenen Jahren seit 2011 stark für „Dies Academici“ eingesetzt. Sie sind und sollen Tagungen sein, in denen alle die Möglichkeit haben, geschichtsbewußt, philosophisch und exemplarisch zu erarbeiten, wie ein gesellschaftlich verantwortliches und Alle bildendes Studium aussehen soll und politisch durchgesetzt werden kann. Die „Dies“ der Vergangenheit sind u.a. dokumentiert unter: www.uni-hamburg.de/dies-academicus.html

Auch im Jahr 2016 hätte es einer solchen Tagung bedurft.
Der Akademische Senat hatte daher auf Antrag der progressiven Studierenden und einiger nicht-studentischer Mitglieder des ALSt im Juli 2016 beschlossen:

III.2.1. Vorbereitung eines Dies Academicus für das WiSe 2016/17

I. Die Universität Hamburg führt im November 2016 an einem Mittwoch (Gremientag) einen universitätsweiten Dies Academicus durch.
II. Ziel der Studienreform ist Bildung mündiger Menschen durch Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung. Der Dies Academicus eröffnet allen Mitgliedern der Universität, sich in diesen Prozess direkt einzubringen.
III. Die Vizepräsidentin für Studium & Lehre wird gebeten, in Koordination mit der studentischen „Dies Academicus-AG“ eine Vorbereitungsgruppe einzuladen.
Insbesondere die Mitglieder des ALSt, die Studiendekan*innen, Vertreter*innen der Studienbüros, der Abt. „Studium & Lehre“ und das HUL sollen eingeladen und ermuntert werden, an der Vorbereitung teilzunehmen.

Der Akademische Senat folgt dem Antrag mit 13 : 1 : 4 Stimmen.
Der Akademische Senat bittet darum, den Dies noch vor Semesterbeginn anzukündigen.

Angesichts eines minderheitlichen, aber sehr lautstarken Widerstands gegen eine Vertiefung der humanistischen Studienreform – besonders von den Hochschullehrer_innen aus den stark ökonomisierten Bereichen der WiSo- und MIN-Fakultät sowie der Psychologie – hat sich der
Akademische Senat aber dazu entschlossen, den nächsten „Dies“ gründlicher vorzubereiten und dafür zu vertagen:

Verschiebung des „Dies Academicus“ (AS-Protokoll vom 17. November 2016):

Der Akademische Senat einigt sich darauf, den für Mittwoch, den 30.11.2016 vorgesehenen Dies Academicus zur Studienreform auf das Sommersemester 2017 zu verschieben, sowie im Wintersemester 2017/18 einen Dies Academicus zur Hochschulfinanzierung durchzuführen. Die vorgesehene universitätsweite Veranstaltung zum Entwurf der Rahmenprüfungsordnung solle am Ende des Winter- bzw. zu Beginn des Sommersemesters stattfinden.
Der Akademische Senat verständigt sich darauf, dass am 30.11.2016 eine Veranstaltung zur Vorbereitung des Dies Academicus im Sommersemester 2017 durchgeführt wird.

Diese Vorbereitungsveranstaltung war der „Studienreformtag“ unter dem Motto: „Mensch – Universität – Gesellschaft: Bildung als Investition in Humankapital oder für verantwortliche Persönlichkeiten?“
Die Ergebnisse dieser produktiven Tagung werden durch die beteiligten Studierenden in die Vorbereitung des nächsten „Dies“ zur Studienreform eingebracht.

III.2.2. Die Kontroverse um die Rahmenprüfungsordnung

Der Ausschuß für Lehre und Studium des Akademischen Senats hat seit 2014 den Auftrag, eine Rahmenprüfungsordnung für alle Bachelorstudiengänge zu erarbeiten, die allen Studierenden und Lehrenden gute Rechte und Möglichkeiten verschafft, im Sinne des „Leitbilds Lehre“ (s.o.) zu wirken. Dafür sollen wirklich alle Fristen verbindlich abgeschafft werden, die zu einem endgültigen Nichtbestehen führen können, soll die Anwesenheitspflicht auf ein Minimum reduziert werden und der Prüfungs- und Notendruck sinken. Vor allem aber soll in wirklich allen Studiengänge verbindlich sein, sich wissenschaftlicher Allgemeinbildung durch fachüberschreitendes Studium und solidarische Lehr-/Lernformen durch Studienprojekte verstärkt zuzuwenden. Dazu soll ein „studium generale“ und ein „Werkstattbereich“ kreiert werden.
Gegen diese Reformschritte gibt es hartnäckige Widerstände. Dabei wird wenig offen argumentiert und begründet, sondern viel verdeckte Machtpolitik veranstaltet. Die Fürrede für die Beibehaltung von Selektion, Leistungsdruck und Studium als Anpassung an „den Markt“ wäre ja auch nicht überzeugend.
Der Akademische Senat hat sich daher für einen sehr offenen Diskussionsprozess entschieden und den von seinem Ausschuss für Lehre und Studium erarbeiteten ersten Entwurf einer Rahmenprüfungsordnung an die Fakultäts- und Fachbereichs-/Institutsgremien zur Stellungnahme weitergeleitet. Die Stellungnahmen sollen bis zum Ende des Wintersemesters zusammengetragen und dann universitätsweit diskutiert werden. Auf dieser Grundlage soll die Rahmenprüfungsordnung überarbeitet werden.

Auszug aus dem Protokoll des ALSt vom 14.12.2016 zum gegenwärtigen Stand:
„Vizepräsidentin Prof. Dr. Rupp teilt mit, dass die Fachtagung zur Diskussion über den Entwurf einer Rahmenprüfungsordnung am 05.05.2017 von 14.00 bis 18.00 Uhr stattfinden solle. Für die Auswertung der Stellungnahmen der Fakultäten sei eine Sitzung des ALSt am 05.04.2017 vorgesehen.
Vizepräsidentin Prof. Dr. Rupp teilt mit, dass der Dies Academicus zur Studienreform im SoSe 2017 am 17.05.2017 bzw. der Dies Academicus zur Hochschulfinanzierung im WiSe 2017/18 am 01.11.2017 vorgesehen sei.“

III.2.3. Gemeinsames Flugblatt von Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten und SDS* vom 20. Dezember 2016

Offen und wirklich Zum gegenwärtigen Stand der Studienreform

„Die an den Untertanen meistern wollen, wollen die Fixsterne um die Erde drehen, bloß damit die Erde ruhe.“ (166)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft K, 1793-1796.

„Bologna“ ist gescheitert. Vorgeblich diente die Zweiteilung des
europäischen Studiensystems in Bachelor/Master der „Internationalisierung“, sollte den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, die Orientierung im Studium verbessern und die gesellschaftliche Relevanz wissenschaftlicher (Aus-)Bildung erhöhen. Das Gegenteil ist der Fall: Vorrangig sind Verängstigung und Verdrängung allgemeinbildender Anteile aus dem Studium der Fall, ist die europäische Massenerwerbslosigkeit nicht geringer geworden, sind Bachelor-
Abschlüsse tariflich „weniger wert“ und so weiter…
Das liegt durchaus im Sinne der Erfinder. Diverse wirtschaftsnahe „Think Tanks“ bedrängten Ende der 1990er Jahre die europäischen Regierungen, angesichts des Mehrbedarfs an akademischen Fachkräften und politisch verkleinerter öffentlicher Haushalte eine einseitige Arbeitsmarktorientierung der Hochschulausbildung zu forcieren.
Aber wissenschaftliche Welterkenntnis und humane Veränderung sind unter dem Diktat einer tauschwertorientierten Ausbildung kaum zu verwirklichen. Die positive Lernbewegung „Wir erkennen die Welt und verändern sie nach gemeinsamen Bedürfnissen zum allgemeinen Wohl“ wird in einen Anpassungsprozeß deformiert. Die „äußere“ Welt sei der globale Wettbewerb, für den es sich „individuell“ zu optimieren gelte. Daraus folgt: Verdinglichung und Vereinzelung.
Der Anpassung an einen weltweiten „Wettbewerb“ steht die sinnvolle Problemlösung für Frieden, Nachhaltigkeit, Demokratie, Gerechtigkeit und kulturelle Entfaltung – wissenschaftlich, politisch und
alltagspraktisch – entgegen. Menschlich ist: in Gesellschaft, mit
Gemeinsinn und Geschichtsbewußtsein forschen, erkennen, lernen, arbeiten und gestalten für ein dauerhaft würdiges Leben aller.
Für die Wiedergewinnung wissenschaftlicher Bildung muß deshalb „Bologna“ wirklich überwunden werden. Dazu gehört:
— Die Stärkung allgemeinbildender Anteile für alle Studierenden,
— die Entwicklung von projektorientierten, fachüberschreitenden Lernformen, in denen egalitär und mit kritischem Weltbezug Wissenschaft als „learning by doing“ gelingt,
— die Beseitigung aller Faktoren, die offene Artikulation, Erprobung, Diskussion und übergreifendes Engagement der Universitätsmitglieder behindern,
— dafür die Abschaffung aller Fristen, die weitgehende Reduktion von Prüfungen, die Entwicklung neuer Prüfungsformen, die Ermöglichung großzügiger Wiederholungsprüfungen.
Eine Rahmenprüfungsordnung soll als Zwischenschritt eine entsprechende gesamtuniversitäre Koordination erleichtern.
Mit dieser Konzeption kämpfen wir deshalb für die bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung der Hochschulen, respektive für mehr Demokratie.
Ein Anfang ist gemacht.

III.3. Hochschulpolitische Rahmenbedingungen der Studienreform

Beschlußempfehlung des ALSt für den AS für eine Stellungnahme des Akademischen Senats zum Jahresbericht des Präsidiums 2015 (Bereich Studium und Lehre, Internationales)
Der ALSt empfiehlt dem Akademischen Senat, das Präsidium zu bitten, folgende Aspekte in der künftigen Berichterstattung im Bereich Studium und Lehre zu berücksichtigen:
Der ALSt begrüßt die ausführliche und nachvollziehbare Berichterstattung. Er bittet jedoch das Präsidium, künftig stärker erkennbar zu machen, welche Ziele und Maßstäbe z.B. in der Studienreform oder Internationalisierung verfolgt wurden. Dabei wären auch die Beschlüsse der Gremien mit einzubeziehen und es könnte transparent gemacht werden, welche Schwierigkeiten gelöst werden müssen.
Ferner merkt der ALSt an, dass Lehre und Studium in den Fakultäten sowie die Studienreform in der Bandbreite der Fächer und inhaltlichen Zielbestimmung (z.B. in der Diskussion über die RPO oder beim Dies Academicus) im Berichtswesen zu kurz kommen. Im Verhältnis dazu erscheinen dadurch die Berichtsteile zu HUL, UK und zur Systemakkreditierung und „Qualitätssicherung“ in der Lehrerbildung sehr ausgiebig. Vermissen lassen sie auch, wie sich diese Aktivitäten der Universität zum demokratischen Studienreformprozess und zu den Entscheidungen der Selbstverwaltungsgremien verhalten.
Darüber hinaus bittet der ALSt das Präsidium, künftig auch über zentrale Entwicklungs- und Problemfelder im Bereich Studium und Lehre zu berichten. Dies betrifft insbesondere die Frage, wie sich die Haushaltsrestriktionen auf die Studienplatzkapazitäten und die
Betreuungsverhältnisse auswirken sowie die Frage, von wem Lehre und Prüfungen gemacht werden (Lehraufträge, Honorarkräfte, Wissenschaftliche Mitarbeiter, LfbAs, ...).

Der ALSt empfiehlt dem Akademischen Senat, zum Bereich Studium und Lehre des Jahresberichts 2015 gegenüber der BWFG und Bürgerschaft in folgender Weise Stellung zu nehmen:
Der Jahresbericht 2015 verdeutlicht einerseits eine sehr engagierte Studienreformtätigkeit und das Bemühen der Universität, in Bezug auf die Hochschuldidaktik, wissenschaftliche Weiterbildung, die Lehrerbildung, Inklusion und Flüchtlingshilfe hilfreiche neue Impulse zu geben. Zugleich wird deutlich, dass die Universität gerade diese gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungsherausforderungen nur noch auf Grundlage von Drittmitteleinwerbungen (Qualitätspakt, DFG, DAAD, Stifterverband etc.) realisieren kann. Der AS kritisiert, dass fortgesetzt die Hochschulvereinbarung in Bezug auf die Herstellung eines 1:1-Übergangs vom Bachelor zum Master nicht oder nur zu Lasten von Studienanfängerplätzen eingehalten wird. Ein Ausbau der Studienplätze und ein gleitender Übergang von „Ba“ zu „Ma“ sind weiterhin notwendig. Insbesondere wird deutlich, dass die Einführung einer „Experimentierklausel“ hierfür weiterhin unverzichtbar ist.



IV. Die „Schuldenbremse“ lösen!

Der Plan, nach dem die chronisch mangelhafte Grundzuweisung staatlicher Mittel in der Universität verteilt wird, muß vom Präsidium dem Akademischen Senat zur Stellungnahme vorgelegt werden. Deutlich ist: nicht das Präsidium kürzt an allen Ecken und Enden, sondern die Grundmittel reichen nicht und man muß gemeinsam für bessere Bedingungen wirken:

IV.1. Stellungnahme des Akademischen Senats zum vom Präsidium vorgelegten Wirtschaftsplan von der AS-Sitzung am 15. September 2016

„Der Akademische Senat hat den Wirtschaftsplan 2017/18 zur Kenntnis genommen, der im Wesentlichen eine Finanzkonstruktion der Behörde und daher als Basis für eine vertiefte Erörterung der Finanzlage der Universität ungeeignet ist. Unabhängig davon stellt er fest, dass die strukturelle Unterfinanzierung weiter zugespitzt wird. Den Grundbetrieb und die Wahrnehmung der Kernaufgaben kann die Universität nur durch die Verwendung von Rücklagen und Hochschulpaktmitteln gewährleisten. Die Universität hat schon für die Geltungszeit des Wirtschaftsplans keine Reserven, um ggf. auf unvorhergesehene und außerordentliche Aufgaben und Herausforderungen zu reagieren. Der Akademische Senat bekräftigt daher seine Forderung an den politischen Senat nach der umgehenden Behebung der strukturellen Unterfinanzierung der Hochschulen und einer bedarfsdeckenden Grundfinanzierung, weil die Universität nur so in der Lage sein wird, ihre wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufgaben in der Bildung der nachwachsenden Generation über 2017/18 hinaus zu erfüllen.“

IV. 2. Ein neuer „Kampf um die Zukunft“

Bereits in den Jahren 2008 und 2011 hat sich die Universität – im Verein mit anderen Hochschulen und auch mit Bündnispartnern aus „Kultur“ und „Sozialem“ gegen die staatliche Kürzungspolitik aufgerichtet und einigen Schaden abwenden können.
Aber für einen Kurswechsel zu einer sinnvollen öffentlichen Investitionspolitik bedarf es eines neuen Anlaufs. Auch dafür ist ein Anfang gemacht:

IV.2.1. Gemeinsames Flugblatt von Liste Links und harte zeiten – junge sozialisten vom 14. November 2016

Kurswechsel

„Die Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg kommt an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Unterfinanziert kann sie kaum noch ihre Aufgaben in Lehre und Forschung erfüllen. Die Fakultät soll die zukünftigen Lehrerinnen/Lehrer und pädagogischen Fachkräfte befähigen, auf der Basis neuesten wissenschaftlichen Wissens komplexe Anforderungen an Erziehung und Bildung konstruktiv zu beantworten. Das kann zunehmend weniger geleistet werden. [...] Die Fakultät soll Lehrerinnen und Lehrer für die Schule von heute und morgen ausbilden sowie Fachkräfte für Erwachsenenbildung, Behinderten- und Sozialpädagogik. Es gibt heute kaum ein gesellschaftliches Problem, an dessen Lösung schulische und außerschulische Erziehung und Bildung nicht konstruktiv mitarbeiten soll und will.“

Aus: „Für eine angemessene Ausstattung der Fakultät für Erziehungswissenschaft zur Bewältigung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Bildung“. Gemeinsame Erklärung des Fakultätsrats und der Fachbereiche.

Nahezu gleichzeitig mit der hier zitierten kritischen Erklärung der Erziehungswissenschaftler_innen ging eine verwandte Erklärung von 51 der 56 Schulleiter Hamburger Stadtteilschulen durch die Hamburger Nachrichten. Darin wurde deutlich, daß ein großes schulisches Engagement für Inklusion, für die Überwindung der sozialen Auslese im Bildungssystem, für Lernfreude und die Verwirklichung wichtiger Erkenntnisse der Bildungsforschung politisch strukturell stark eingeschränkt ist.
Die beiden Darlegungen sind Opposition gegen eine technokratische und auf Außenwirkung versessene Stadtpolitik, die an den Bedürfnissen der Mehrheit vorbeigeht.
Wenn sich also im Zuge der gegenwärtigen Haushaltslesungen in der Bürgerschaft der Senat rühmt, keine Neuverschuldung zu produzieren, ist die Frage zu stellen, ob nicht Investitionen in Personal, Arbeitszeitverkürzung und Qualifikation im Bildungsbereich, in den Hochschulen oder auch in den Jugend- und Sozialämtern ein größerer „Erfolg“ wären, weil die Arbeit von Menschen für Menschen dann schlicht besser oder überhaupt gelingen könnte.
Auch können Arbeitszeitverkürzung, der Aufbau von Stellen im öffentlichen Dienst und die Anhebung der Tarife nicht nur die Kräfte, Kreativität und Sorgfalt in gesellschaftlich wichtiger Arbeit fördern, sondern zugleich die Steuereinnahmen des Staates erhöhen: mehr gute Einkommen = mehr Steuern. Dies könnte wiederum Kultureinrichtungen, Straßen und Radwegen oder einer sozial gerechten und nachhaltigen öffentlichen Gewährleistung von Energie und
Gesundheit zugutekommen. Es läßt sich auch in Frage stellen, ob – während die Elbphilharmonie nebst Luxushotel geöffnet wird – um jeden Platz im Winternotprogramm für Obdachlose und Flüchtlinge oder für eine Unterbringung von im Stich gelassenen Kindern gerungen werden muß.
Politik für Renommée, braven Schulden- und Rettungsdienst bei den Banken mit dem einzigen übergreifenden Programm der „Einhaltung der Schuldenbremse“ ist unwürdig, geht auf Kosten aller Generationen und ist durch nichts zu legitimieren.
Eine Trendwende kann von einer engagierten Öffentlichkeit durchgesetzt werden.
Der Beschluß der Fakultät für Erziehungswissenschaft ist beispielgebend, weil nicht versucht wird, eine konkurrenzangepaßte „Stärke“ zu simulieren, sondern die menschenfreundlichen Ziele, die Ernsthaftigkeit der Arbeit und die schlechten Arbeitsbedingungen offen angesprochen werden.
Die ganze Universität, die ganze Stadt kann diesen Impuls aufgreifen.
Verbesserungen von Menschen für Menschen gegen Hetze und
Depression.

IV.2.2: Für eine angemessene öffentliche Ausstattung von Forschung, Lehre und Bildung

Weil diese Initiative aus der Fakultät für Erziehungswissenschaft so verallgemeinerungswürdig ist, hatten wir schon im September 2016 beantragt, der AS möge beschließen:

„Unter dem Titel „Für eine angemessene Ausstattung der Fakultät für Erziehungswissenschaft zur Bewältigung ihrer Aufgaben in For-schung, Lehre und Bildung“ hat diese Fakultät eine beispielgebende fundierte Argumentation für eine erhebliche Verbesserung der öffentlichen Grundzuweisung an die Universität vorgelegt und sich mit entsprechenden Forderungen an die Behörde für Wissenschaft und Gleichstellung gewandt.
Der Akademische Senat begrüßt diese Initiative. Er bittet die anderen Fakultäten, diesem Beispiel zu folgen und will auf dieser Grundlage mit derselben Richtung aus gesamtuniversitärer Perspektive Stellung nehmen.
Er beauftragt den Ausschuss für Planung und Haushalt, in diesem Sinne aktiv zu werden.“

Die Professor_innen im Akademischen Senat hatten aber Vorbehalte dagegen, den Fakultäten und dem APH (Ausschuß für Planung und Haushalt) einen so eindeutig kritischen Auftrag zu erteilen. Es wurde dennoch – auf Vorschlag des Uni-Kanzlers, Herrn Hechts – in der AS-
Sitzung vom 17. November 2016 eine Einigung erzielt:

„Der Akademische Senat bittet die anderen Fakultäten, in Zusammenarbeit mit dem Präsidium die aktuelle Situation des Lehr- und Lernverhältnisses im Kontext der gesellschaftlichen Verantwortung aufzuarbeiten und darzustellen. Ergänzend ist festzustellen, ob die aktuelle Situation kurz- und mittelfristig finanzierbar ist. Auf der Basis dieser Analyse ist über die Notwendigkeit und über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation zu beraten und sind Konsequenzen abzuleiten.“

Der AS verständigte sich im Weiteren darauf, für das Wintersemester 2017/18 einen „Dies Academicus“ zum Thema Hochschulfinanzierung anzusetzen. Die Erörterungen hatten deutlich gemacht, daß die Haushaltsverhandlungen in der Bürgerschaft im Jahre 2018 und das gleichzeitige Auslaufen der sogenannten Hochschulvereinbarung, die das jährliche Wachstum öffentlicher Mittelzuweisung auf 0,88% des Vorjahreshaushalts begrenzt („Schuldenbremse“), anstehen und gut vorbereitet sein sollten. An diesem „Dies“ soll eine Tagung allen Uni-Mitgliedern, allen Fächern und Fakultäten Gelegenheit geben, sich für diese Auseinandersetzung gemeinsam zu qualifizieren, um argumentativ und solidarisch in die öffentliche Debatte um die Hochschulfinanzierung einzugreifen sowie dafür ggf. gemeinsame Aktivitäten zu planen. Der „Dies Academicus“ zur Hochschulfinanzierung ist jetzt vom Präsidium für den 1.11.2017 terminiert.



V. Frieden und Internationales

Angesichts der massiven Repressionen gegen die kurdische Bevölkerung, die expansive Kriegführung und die Unterdrückung der Opposition haben die „Akademiker/innen für den Frieden“ – zahlreiche progressive Wissenschaftler_innen aus der Türkei und der ganzen Welt – bereits 2015 einen Appell für eine friedliche und demokratische Konfliktlösung an die türkische Regierung und die Weltöffentlichkeit gerichtet. Daraufhin wurden sie selbst in das Visier staatlicher Verfolgung in der Türkei genommen.
Der Allgemeine Studierendenausschuss hatte deshalb schon zu Beginn des Jahres 2016 eine Initiative für die solidarische Unterstützung dieser Kolleginnen und Kollegen gestartet. Am 21.04.2016 wurde der Antrag jedoch vertagt.
Die Gruppe der Professorinnen und Professoren sah sich mehrheitlich nicht im Stande, den nachstehend dokumentierten Beschluß zu fassen. Sie fürchteten damit nach eigenen Aussagen, die Wissenschaftsfreiheit zu verletzen und anderes Unrecht zu vernachlässigen.

Das zweifelhafte Ausweichen vor einer solidarischen Positionierung ließ sich aber auflösen.
Durch studentische Initiative und Mitwirkung des Uni-Präsidiums wurde die Einigung erreicht, eine Stellungnahme vom „GIGA“ (German Institute of Global and Area Studies) zu dieser Frage einzuholen. Da diese die studentische Position bekräftigte, folgte der AS dem studentischen Antrag am 26. Mai 2016 nach kurzer erneuter Aussprache mit 16 : 2 : 0 Stimmen.

Wir dokumentieren hier den Beschluß und die Stellungnahme von
Dr. André Bank aus dem GIGA:

V.1.1. „Nicht in unserem Namen“ Wissenschaft für den Frieden in Kurdistan (AS-Beschluß vom 26.5.2016)

In der Tradition der Freien und Hansestadt Hamburg verwirklicht die Universität Weltoffenheit und Toleranz, internationale Zusammenarbeit und Universalität von Wissenschaft.“ (aus dem Leitbild der Universität)

Der Akademische Senat unterzeichnet den Aufruf „Nicht in unserem Namen“, welcher sich gegen den Krieg der türkischen Regierung in den kurdischen Gebieten richtet und für eine Friedenslösung ausspricht, der mittlerweile von über 2000 türkischen WissenschaftlerInnen und über 300 AkademikerInnen aus dem Ausland unterzeichnet wurde. Darüber hinaus kritisiert der Akademische Senat aufs Schärfste das repressive Vorgehen der türkischen Regierung gegen die unterzeichnenden WissenschaftlerInnen und die damit verbundene Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Dies ist ein Angriff gegen demokratische, kritische und verantwortungsbewusste Wissenschaft überall.
Der AS fordert den Hamburger Senat und die Bundesregierung dazu auf, auf ein sofortiges Kriegsende in der Türkei und die Sicherung von Wissenschaftsfreiheit hinzuwirken.
Außerdem organisiert der Akademische Senat für das Sommersemester 2016 eine Veranstaltung mit türkischen und internationalen UnterstützerInnen des Aufrufs sowie WissenschaftlerInnen der Uni Hamburg, auf der über die globalen Aufgaben einer Wissenschaft diskutiert wird, die sich „an den Grundsätzen einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung“ (Leitbild Uni) der Gesellschaft orientiert, welche Bedingungen dafür gemeinsam zu erwirken sind und wie die internationale Kooperation dafür ausgebaut werden kann.

V.1.2. Betr.: Stellungnahme aktuelle Lage Wissenschaftler*innen in der Türkei / Einschätzung AS-Positionierung zum ASTA-Antrag vom 19.1.2016

„Sehr geehrter Herr Präsident Lenzen,
sehr geehrte Mitglieder des Akademischen Senats,

Ihrer Bitte um eine Stellungnahme zur aktuellen Lage für Wissenschaftler*innen in der Türkei sowie um eine Einschätzung zum ASTA-Antrag „Nicht in unserem Namen“ Wissenschaft für den Frieden in Kurdistan und dessen mögliche Unterstützung durch den AS komme ich gerne nach. Die Situation für Wissenschaftler*innen in der Türkei, die sich kritisch zur Politik von Präsident Erdogan bzw. der AKP-Regierung äußern, hat sich im Zuge der autoritären Wende und der Kriegseskalation in den sog. kurdischen Gebieten deutlich verschlechtert. Laut der International Crisis Group sind seit den Wahlen vom 7.6.2015 900 Menschen den Kämpfen im Südosten zum Opfer gefallen und über 200.000 Zivilist*innen geflohen – und dies neben den bereits ca. zwei Millionen syrischen Geflüchteten im Land.
Vor diesem politischen Hintergrund veröffentlichten die Academics for Peace (Barisiçin Akademisyenler) am 11.1.2016 ihren Aufruf zum Frieden in den kurdischen Gebieten. In der Folge begann eine Art „Hexenjagd“ gegen die Unterzeichner*innen: Präsident Erdogan bezeichnete sie öffentlich als „Unterstützer von Terrorismus“, „Verräter“ und „Strohintellektuelle“. Die Mehrzahl der über 2000 türkischen Unterstützer*innen der Initiative werden seither an den über 90 Universitäten, an denen sie lehren und forschen, angegangen und teilweise tätlich angegriffen. […]
Vor diesem Hintergrund plädiere ich dafür, dass der AS dem Antrag des AStA vom 19.1.2016 zustimmt und den Aufruf ‚Nicht in unserem Namen‘ unterzeichnet. Angesichts der bereits sehr angespannten und prekärer werdenden Lage für Wissenschaftler*innen an türkischen Universitäten, die sich für ein Ende des Krieges in den kurdischen Gebieten aussprechen, wäre dies ein wichtiges Zeichen der internationalen Unterstützung für die Freiheit der Wissenschaft. Dabei wäre sicher mit Kritik von Seiten des türkischen Staates zu rechnen, etwa von der Botschaft in Berlin oder dem Generalkonsulat in Hamburg. Der Verweis auf die Freiheit der Wissenschaft, wie sie auch das an der NYU angesiedelte Scholars at Risk-Netzwerk formuliert, wäre hier eine angemessene Reaktion. Mit einer Unterzeichnung des Aufrufs würde sich die UHH auch „in guter Gesellschaft“ befinden: Bis dato haben so u.a. die Hochschulrektorenkonferenz, der DAAD, das WZB, die European Sociological Association, die American Political Science Association sowie die Middle East Studies Association die Initiative der Academics for Peace unterstützt.
Auch die vom AStA vorgeschlagene und vom AS organisierte Veranstaltung mit türkischen und internationalen Unterstützer*innen des Aufrufs sowie Wissenschaftler*innen der UHH sehe ich als sinnvoll an. […]
Für Rückfragen stehe ich jederzeit sehr gern zur Verfügung. (Bis zum 25.4.2016 bin ich jedoch auf Feldforschung in Jordanien und insofern am besten per Email zu erreichen.)

Mit freundlichen Grüßen
André Bank“

V.2. Einrichtung eines Ausschusses „Internationale Angelegenheiten“

Seit der neoliberalen Entdemokratisierungswelle der 2000er Jahre hat der Akademische Senat keinen Ausschuß für Internationales mehr. „Internationales“ sei entweder Angelegenheit des Präsidiums oder könne im Ausschuß für Lehre & Studium mitverhandelt werden, sofern es Studierende betreffe. Das ist aber inhaltlich zu eng und angesichts der Menge an Studienreformproblemen schlicht unrealistisch.
Wir haben daher gemeinsam mit allen anderen studentischen
Vertreter_innen folgenden Antrag gestellt:

„Der Akademische Senat richtet einen neuen ständigen Ausschuss >Internationale Angelegenheiten< ein. Die Geschäftsordnung wird entsprechend ergänzt.

Begründung: Die Belange der internationalen Studierenden und Studieninteressierten, von Programmstudierenden, von geflüchteten Studieninteressierten sowie die internationalen Hochschulbeziehungen und die „Internationalisierungsstrategie“ der Universität werden bisher an keinem Ort der Akademischen Selbstverwaltung regelhaft und systematisch diskutiert. Zur Vorbereitung von Sitzungen des Akademischen Senats und zur Verbesserung der Kommunikation zwischen der Abteilung Internationales und der akademischen Selbstverwaltung sollte deshalb solch ein Ausschuss gebildet werden.“

Der Akademische Senat lehnt den Antrag mit 6 : 9 : 1 Stimmen in seiner Sitzung am 13. Oktober 2016 ab. Auch hier wirkte wieder eine professorale Mehrheit wenig konstruktiv: Zwar folgte niemand der Meinung der universitären Rechtsabteilung, der Akademische Senat habe sich mit diesen Fragen nicht zu befassen, aber die Mehrarbeit und gemeinsame Verantwortlichkeit werden gescheut.

Auszug aus dem Protokoll der AS-Sitzung: „Prof. Dr. Platzer beantragt, dass das Präsidium den Akademischen Senat regelmäßig über das Thema Internationales informiert und auch die bestehenden Ausschüsse mit dieser Thematik befasst werden. Der Präsident weist daraufhin, dass der Akademische Senat schon jetzt regelmäßig über diese Thematik informiert werde.“

Wir bleiben dran!