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Blamabel: Der Rechnungshof kritisiert die Wissenschaftsbehörde
„Die Vernunft hingegen ist nicht ersetzbar durch ein Widerspiel, und kein Nachwuchs, der mit dem Vorigen aufräumt, ergreift über sie die Herrschaft.“
Heinrich Mann, „Der Sechzigjährige“ (Thomas Mann), in: „Die Sammlung“, 2. Jg., 1935, Heft X.
Die Universität ist keine Rummelbude. Die Vielfalt der Fächer, die Einheit von Forschung und Lehre, die öffentliche Bildung als lebenslanges Lernen, die bewußte Gestaltung des Wissenschaftsprozesses, das Wohl der Menschen als Inhalt der Wissenschaften und, last but not least, die Verantwortung für ein friedliches gesellschaftliches Leben sind dagegen praktizierte Aufklärung. So wirken Menschen tatsächlich nützlich. Dieses verallgemeinerbare Prinzip widerstrebt dem partikularen Geschäftssinn der Handelskammer und ihrem wirtschaftsliberalen Arm im Rathaus. Eine vernünftige Universität - sozial offen, demokratisch und kritisch - ist ein Dorn im Auge des geschäftslüsternen Betrachters.
Da aber Profit kein menschenwürdiges Prinzip ist, scheitert diese Konzeption in praxi: Der nüchterne Landesrechnungshof hat jüngst beispielgebend dargestellt, daß die Ökonomisierung der Universität schon rechnerisch schädlich ist. Auf Anordnung des CDU-Senats hat die Verwaltung der Universität die Wirtschaftsplanung von einer bedarfsorientierten, planvollen und transparenten kameralen Buchführung (seit 1762 eine Errungenschaft in der Phase der Aufklärung) auf unternehmerische doppelte Buchführung (ihr Ursprung wird auf 1494 datiert) umgestellt. Allein der dabei bisher letzte Schritt zur vom SAP-Konzern entwickelten, ausschließlich betriebswirtschaftlichen Rechnungslegung ist mit mindestens 6,4 Mio. Euro bisher dreimal so teuer wie veranschlagt und noch längst nicht abgeschlossen. [Jahresbericht des Landesrechnungshofs, S. 24-39.*]
Die politische Vorgabe wurde vom Präsidium in der Universität durchgestellt, was zum aufreibenden Chaos und zu gesteigerter Arbeitsbelastung erheblich beigetragen hat. Nach dieser Systematik gilt die Universität als "Profitcentre", das aus Steuermitteln, Studiengebühren, Drittmitteln und Patenten einen weitgehend virtuellen Gewinn schlagen soll. Eine neue "Top-down"-Unkultur - das Hetzen nach sogenannten Höchstleistungen und Alleinstellungsmerkmalen, die oberflächliche Selbstvermarktung, die strenge Hierarchie und Kontrolle - ist das negative Ergebnis dieses teuren Zentralismus.
Ein vernichtendes Urteil erhält die Wissenschaftsbehörde vom Rechnungshof für ihre "Studie" zur Verlagerung der Universität auf den Kleinen Grasbrook. Die Veranschlagung der vermeintlich exorbitant höheren Raumbedarfe, der Personalausstattung und der Baukosten enthalte ein "hohes Risiko" und sei für die Öffentlichkeit bzw. für das Parlament, das in diesem Frühjahr über den künftigen Ort der Universität entscheiden soll, nicht nachvollziehbar gemacht [S. 117-123].
Es ist also erneut erwiesen: Die Verneinung der humanen Vernunft ist destruktiv und teuer und hat sich zu einem politischen Bankrott entwickelt. Eine Pleite der öffentlichen Hand ist allerdings vermeidbar. Auch dafür ist Wissenschaft als humaner Fortschritt, kooperative Alltagskultur und verallgemeinerbares öffentliches Engagement von allen Universitätsmitgliedern neu zu bestimmen.
Die menschengerechte Entwicklung der Stadt, der Universität und des eigenen sozialen Lebens stehen auf der Tagesordnung. Es kömmt darauf an, sich dafür zu engagieren.