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Demokratisches Engagement und humanistische Aufklärung
Inhalt
0. Editorial
I. Nie wieder! - Beschlüsse für eine gesellschaftlich verantwortliche Universitätsentwicklung
II. Für emanzipatorische Wissenschaft - Für Gebührenfreiheit!
III. Zur (sozialen) Lage der Studierenden
IV. Für den Erhalt der Fächervielfalt
V. Für eine demokratische Studienreform - Zu Bachelor und Master
VI. Zur vernünftigen Weiterentwicklung der Universität
0. Editorial
Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Seit über vier Jahren beätzen CDU-geführte Senate die Hansestadt und die Universität mit einer scharfen Mixtur konservativer Obrigkeit und neoliberalen Merkantilismus. Für die gewinn-großen Unternehmen (ihre Gewinne sind bei massenhaften Entlassungen in 2005 bundesweit um 35 Prozent gestiegen) wird die alte Leier vom Wirtschaftsstandort politisch traktiert.
Wer dieses Liedchen anstimmt, hat immer weniger gutwillige Zuhörer. Wie in vielen anderen sozialen, kulturellen und Bildungseinrichtungen der Stadt, regt sich in der Universität entsprechend oppositioneller Geist (mit Praxis). Gleichzeitig tangieren aber die menschen- und wissenschaftsfeindlichen Gesetzesänderungen und Innovationsdogmen des bemüht smarten Senators „für“ Wissenschaft und Gesundheit die wissenschaftlichen Einrichtungen. Mit Unterfinanzierung, Studiengebühren, der Zwangseinführung anti-wissenschaftlicher Bachelor- Studiengänge und der Absicht, die Universität in konkurrierende Betriebseinheiten („Fakultäten“) zu zerschlagen, sollen kulturelle Armut, Konkurrenz und Unterordnung installiert werden.
Die demokratische Massenuniversität (als soziale und emanzipatorische Errungenschaft) bzw. ihre Mitglieder sind daher gefordert, die wissenschaftliche und allgemeine Geltung humaner Anliegen und gesellschaftlich nützlicher Tätigkeit in Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung auf neuer Stufe zu erstreiten. In diesem Zusammenhang wird des öfteren im Akademischen Senat, dem höchsten Gremium der universitären Selbstverwaltung, beraten und beschlossen.
Insonderheit wirken wir dafür als Bündnis fortschrittlicher Studierender der Listen Fachschaftsbündnis, harte zeiten - junge sozialisten & fachschaftsaktive und Liste LINKS. Grundsatzfragen der historischen und gesellschaftlichen Verantwortung der Universität, einzelne Themen der Hochschulpolitik und Prinzipien der weiteren Universitätsentwicklung bilden hier eine lebendige Einheit. In der vorliegenden Broschüre dokumentieren wir Beschlüsse des Akademischen Senats, die auf diese Tätigkeit zurückzuführen sind. Sie seien zur orientierenden Lektüre für die kommenden Auseinandersetzungen (nicht allein) im hochschulpolitischen Alltag anempfohlen:
I. Nie wieder!
Bürgermeister Ole von Beust kennzeichnete in einer Rede vor dem elitären Pfeffersäcketreff im „Überseeclub“ wichtige Errungenschaften der sozialen Demokratie seit 1945 als überholten „Reflex auf diese verwerfliche Politik“ (gemeint ist der Faschismus); dem Stärkeren sei - bei aller Nächstenliebe - nun wieder zu seinem Recht zu verhelfen. So ist denn auch die merkantile Kälte der Senatspolitik keine offene Tyrannei, aber geschichtsvergessen roh und technisch-inhuman. Sie fordert bedachte Kontrahenz und fortschrittliche Initiative aus Wissenschaft und Kunst, die über die soziale Qualität der Gesellschaft mitentscheiden. Hier sind alle gefragt:
Der Akademische Senat beschließt in seiner 633. Sitzung am 27. Oktober 2005 einstimmig folgende Resolution:
Zum Jahrestag der Pogromnacht 1938 und zum 60. Jahrestag der Wiedereröffnung der Universität Hamburg
In der Nacht des 9. November 1938 zogen Nationalsozialisten gewalttätig gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger. 1300 Synagogen und zahllose private Einrichtungen wurden zerstört, Menschen in der Öffentlichkeit, in ihren Geschäften und Wohnungen gedemütigt; sie wurden verschleppt, gefoltert und ermordet. Dieser Akt war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Holocaust, in dem 6 Millionen Menschen jüdischer Herkunft umgebracht wurden. Die Hatz gegen alles nicht „Völkische“, die falschen Versprechen, die Einschüchterungen und der offene Terror sollten nun ungebremst die Diktatur garantieren. Das Bündnis der Eliten trug hierfür große Verantwortung.
Auch an den Hochschulen waren Opportunismus und, seltener, offene Parteinahme für die Gleichschaltung dominant. Verharmlosung und mangelnde Zivilcourage waren - trotz vereinzelter Warnungen und Beispielen mutigen Widerstandes - weit verbreitet. Die zahlreichen Anhänger eines demokratiefernen, elitären Wissenschafts- und Bildungsverständnisses duldeten, entschuldigten oder legitimierten den frühen, entwürdigenden Terror des NS-Studentenbundes und anderer Organisationen gegen aufgeklärt-liberale und linke Kommilitoninnen/en und Hochschullehrer/innen, insbesondere gegen jüdische Universitätsmitglieder. Entgegen der demokratischen Verpflichtung der Wissenschaften zu Wahrhaftigkeit und Humanität verbanden sich Ignoranz und Opportunitätsdenken auch an der 1919 gegründeten Hamburger Universität vielfach zu einer pseudowissenschaftlichen Legitimierung der Nazigreuel und der ideologischen wie technischen Kriegsvorbereitung und -durchführung.
Jedoch: Es gab couragierte Mitglieder der Universität, die dem mit täglichem Nonkonformismus, wissenschaftlicher Aufrichtigkeit und solidarischem Engagement Widerstand leisteten. Viele mussten ins Exil fliehen, wo sie sich zumeist weiter einsetzten für eine Welt ohne Faschismus und Diktatur. Das Vorbild ihres Wirkens bildet eine wesentliche Grundlage für die Fortentwicklung der demokratischen, aufklärerischen Traditionen unserer Wissenschaft und Hochschule.
Im ehrenden Gedenken, insbesondere in Achtung vor der mutigen Menschlichkeit der Mitglieder der Hamburger „Weißen Rose“, begeht die Universität in diesen Tagen den 60. Jahrestag ihrer befreiten Wiedereröffnung. Wir, die Mitglieder der Universität Hamburg aller Statusgruppen, sehen uns verpflichtet, das wissenschaftliche Wirken für Wahrheit und Humanität nie wieder unmenschlichen Zielen und selbstsüchtigen Interessen zu opfern, sondern es zu verteidigen und weiterzuentwickeln.
Der Akademische Senat ruft auf zu:
„Erinnerung und Mahnung!“
Mahnwache anlässlich des 67. Jahrestages der Pogromnacht
am 9. November 2005, von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr,
auf dem Joseph-Carlebach-Platz.
An diesem Ort wurde 1938 die Bornplatzsynagoge in Brand gesteckt.
Veranstalter: Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschisten und die Universität Hamburg
Der Akademische Senat lädt ein zur
Veranstaltung anläßlich des 60. Jahrestags der Eröffnung der Universität nach Faschismus und Krieg
am 10. November 2005, 18 Uhr
im Ernst-Cassirer-Hörsaal, im Hauptgebäude der Universität.”
2. Wissenschaftliche Verantwortung für den Frieden
Bevor Förderanträge für Sonderforschungsbereiche bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingereicht werden, nimmt der AS hierzu Stellung. An dieser Stelle wird oft über das Verhältnis wissenschaftlicher Freiheit und notwendiger Transparenz und Positionsfestigkeit gestritten, wenn Projekte - etwa im Bereich der „Humangenetik“ oder der physikalischen Grundlagenforschung - hart die Grenze verantwortlicher Wissenschaft tangieren. Hier muß aus historischen Erfahrungen gelernt werden. Dafür steht folgender Beschluß vom 17. Februar 2005 (7:6:5 Stimmen):
„Verantwortung ist konkret: Keine Kooperation mit "München Garching"! Der Akademische Senat fordert die an dem Sonderforschungsbereich "Magnetismus vom Einzelatom zur Nanostruktur" beteiligten Wissenschaftler auf, von einer Nutzung des Forschungsreaktors FRM II in München (Garching) abzusehen und stattdessen z.B. auf Spallationsquellen* zurückzugreifen, um beschleunigte Neutronen für die Untersuchung von Nanostrukturen zu erhalten.“
*Spallationsquellen sind ein alternatives Verfahren zur Beschleunigung von Neutronen ohne die damit verbundenen Gefahren und Probleme von Kernreaktoren.
Eingereicht hatten wir diesen Antrag mit der nachstehenden Begründung:
„Begründung:
In der Darstellung des Forschungsprogramms wird auf Seite 18 der Tischvorlage das Vorhaben erläutert, sogenannte »inelastische Neutronenstreuexperimente« durchzuführen. Dabei begrüßen die Antragsteller die »Verfügbarkeit des neuen Hochflussreaktors in München«.
Mit einer solchen Kooperation würde die Universität Hamburg über ihren SFB 2022 die Errichtung sowie den fortgesetzten Betrieb des Forschungsreaktors FRM II nachträglich und für die Zukunft legitimieren. Dies ist aus mehreren Gründen abzulehnen:
— Mit dem Bau und Betrieb des FRM II umgeht das CSU-regierte Land Bayern den von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie. Nachdem durch diesen Ausstieg insbesondere die Siemens AG um ihre »internationale Wettbewerbsfähigkeit« auf dem für sie sehr profitabeln Gebiet der Kernenergie fürchtete, nutzte sie ihre Position im Hochschulrat der TU München, um den FRM II zu initiieren, dessen Bau sie selbstverständlich übernehmen konnte. Eine solche Mauschelei sollte durch die Uni Hamburg nicht legitimiert werden.
— Der Ausstieg aus der Atomenergie hat gute Gründe. Wie alle anderen Kernreaktoren ist auch der Betrieb des FRM II mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden. Austretende Strahlung und Störfälle bis hin zum GAU sind auch hier nicht auszuschließen, die Entsorgung des Atommülls ist nach wie vor nicht geklärt. Die Unterwanderung des Ausstiegs aus der Atomenergie sollte durch die Uni Hamburg nicht legitimiert werden.
— Im FRM II wird hochangereichertes atomwaffenfähiges Uran verwendet. Mit der stufenweisen Beseitigung aller zivilen Nutzung dieses Urans war es international möglich geworden, den Handel hiermit überflüssig zu machen und damit waffenfähiges Uran aus dem Verkehr zu ziehen. Dies würde einen immensen politischen Fortschritt bedeuten, im Sinne des Atomwaffensperrvertrags die weitere Entwicklung und Verbreitung von Atomwaffen zu erschweren. Mit dem Betrieb des Forschungsreaktors ist nun die zivile Nutzung des hochangereicherten Urans wieder Praxis.
Dieser Rückschlag für den Kampf gegen Atomwaffen darf durch die Universität Hamburg nicht legitimiert werden.
Die Universität Hamburg formuliert in ihrem Leitbild: »Im Bewusstsein ihrer Verantwortung als Teil der Gesellschaft versteht sich die Universität Hamburg als Mittlerin zwischen Wissenschaft und Praxis, sie orientiert sich dabei an den Grundsätzen einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung«.
Diese ökologische, soziale und ökonomische Verantwortung schließt gewiß ein, sich für die Überwindung von Atomenergie, die Abschaffung von Atomwaffen und die Unterbindung profitsüchtiger undemokratischer Einflussnahme auf staatliche Entscheidungen zu engagieren. Diese Verantwortung kann hier wahrgenommen werden.“
Als Ergebnis der Debatte um die kritische Verantwortung der Wissenschaft ist auch der nachfolgende Auftrag des AS an künftige DFG-Antragssteller zu verstehen, der auf der Sitzung am 10. März 2005 für mehr Transparenz und bewußtere Entscheidbarkeit der Anträge auf Forschungsförderung beschlossen wurde:
„Der Akademische Senat bittet künftige Antragstellerinnen/Antragsteller von Graduiertenkollegs, dem Antrag ein Vorblatt für die Beratung in den akademischen Gremien beizufügen, das eine allgemeinverständliche Zusammenfassung des Projektes, die Darstellung der Problemstellung und deren Lösungsansätze beinhaltet.
Die Beratung von Anträgen auf Einrichtung und Förderung von Graduiertenkollegs in den akademischen Gremien sollte als relevanter Bestandteil des Antragsverfahrens gesehen werden. Anträge sollten in ausgereifter Form den akademischen Gremien rechtzeitig von Abgabetermin bei der DFG zur Beratung vorgelegt werden.“
II. Für emanzipatorische Wissenschaft -
Für Gebührenfreiheit
Seit in den 1990er Jahren von Seiten der Unternehmensverbände und der politischen Rechten die Forderung nach der Wiedereinführung der 1970 abgeschafften Studiengebühren laut erhoben wird, ist vielfach auf studentische Initiative in den universitären Gremien die Gebührenablehnung diskutiert, begründet und beschlossen worden. Auch mit der Einführung der Gebühren für längere Zeit Studierende hat sich der Akademische Senat deshalb kritisch befaßt, hat für eine möglichst soziale Handhabung ihrer Erhebung votiert und das allgemeine Bezahlstudium erneut abgelehnt. Umstritten bleibt jedoch, ob man sich mit den politischen Vorgaben im Konkreten abfindet oder als universitäres Gremium verstärkt für die vollständige Abschaffung der Gebühren streitet und hierfür auch erweitert öffentlich aktiv wird. So entnimmt man dem Protokoll der AS-Sitzung vom 10. März 2005:
„Der Präsident verweist auf die Senatsvorlagen XIX/625/117 und XIX/625/122.
Frau Sepehrnia erläutert die in der SV XIX/625/117 vorgeschlagenen Beschlußempfehlungen.
Der Akademische Senat lehnt den von Prof. Dr. Schönert gestellten Antrag, sich in der heutigen Diskussion - auf der Grundlage der bereits vom Akademischen Senat gefaßten Beschlüsse hinsichtlich der Erhebung von Studiengebühren - ausschließlich auf die ‚Auswertung der Erfahrungen mit der Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende‘ zu beziehen, mit 6 : 6 : 2 Stimmen ab.
Der Akademische Senat bittet den Präsidenten, ihn jeweils im Tagesordnungspunkt 4 [Mitteilungen] über die aktuellen Entwicklungen zum Thema Studiengebühren zu informieren und faßt sodann folgende Beschlüsse.
Der Akademische Senat bekräftigt seine Ablehnung von Studiengebühren. (mit 7 : 5 : 1 Stimmen angenommen)
Studiengebühren stehen der Verwirklichung des im Leitbild, der Grundordnung und den Entwicklungsperspektiven der Universität gefaßten Selbstverständnisses entgegen. Die Universität wird deshalb als wirksamer Faktor für ein gebührenfreies Studium in die aktuelle öffentliche Debatte eingreifen. (mit 6 : 6 : 2 Stimmen abgelehnt)
Der Akademische Senat bekräftigt seinen Beschluß vom 24. Juni 2004. Er beauftragt den Ausschuß für Lehre und Studium, gemeinsam mit dem Widerspruchsausschuß, dem für Lehre und Studium zuständigen Vizepräsident Prof. Dr. Fischer sowie der Verwaltung die bisherigen Erfahrungen bei der Befreiung von Studiengebühren kritisch auszuwerten. Dies geschehe besonders im Hinblick darauf, inwieweit dem formulierten Anspruch genüge getan werden konnte und welche Verbesserungen für die weitreichende Befreiung potentiell Gebührenpflichtiger vorzunehmen sind, insbesondere welche Regelungen in der Satzung zur Befreiung von Studiengebühren verbessert werden können. Die entsprechenden Vorschläge unterbreitet der ALSt sobald als möglich dem Akademischen Senat und dem Präsidium. (mit 13 : 0 : 1 Stimmen angenommen)“
Der Beschluß vom 24. Juni 2004, auf den hier Bezug genommen wird, ist hier dokumentiert (Protokollauszug):
Der Akademische Senat fasst weiter mit 10:0:2 Stimmen folgende Beschlüsse:
„Für eine transparente, soziale und gerechte Auslegungspraxis der »Satzung der Universität Hamburg zur Befreiung von Studiengebühren«:
Ihren vielfältigen Beschlüssen für ein gebührenfreies Studium verpflichtet, wird die Universität die gesetzlich vorgeschriebene Erhebung von Studiengebühren so transparent, sozial und demokratisch wie möglich gestalten.
Bei der Auslegung der Regelungen der »Satzung der Universität Hamburg zur Befreiung von Studiengebühren« folgt sie dabei dem in der Präambel festgelegten Grundsatz, ihr Möglichstes dafür zu tun, dass kein Studierender und keine Studierende aus sozialen, finanziellen, gesundheitlichen, studienbedingten, persönlichen oder sonstigen wichtigen Gründen genötigt ist, das Studium zu beenden.
Das Merkblatt »Hinweise für Studierende zu den Studiengebühren der Universität Hamburg« wird diesem Beschluss entsprechend überarbeitet.
Für einen umfassenden Datenschutz im Verfahren zur Erhebung bzw. Befreiung von Studiengebühren:
Die Universität Hamburg ist verpflichtet, in dem Verfahren zur Erhebung der gesetzlich vorgeschriebenen Studiengebühren einen umfassen Datenschutz zu gewährleisten.
Die Universität wird daher eine Datenschutzerklärung verfassen, veröffentlichen und allen betroffenen Studierenden zukommen lassen, die beinhaltet, dass alle Daten weder inneruniversitär noch an außeruniversitäre Stellen weitergegeben werden. Dazu gehört u.a., dass die von Studierenden vorgetragenen und eingereichten Gründe, Darlegungen und Belege streng vertraulich behandelt werden und sie einzig von denjenigen einzusehen sind, die mit dem unmittelbaren Verfahren zur Erhebung bzw. Befreiung von Studiengebühren befasst sind.
Falls die Universität gesetzlich verpflichtet ist, anderen staatlichen Stellen/Behörden Daten zukommen zu lassen, werden die betroffenen Studierenden rechtzeitig über das Verlangen der Weitergabe der Daten informiert.
Informationspflicht der Universität für ein transparentes Verfahren zur Erhebung bzw. Befreiung von Studiengebühren:
Die Universität Hamburg informiert Studierende, Studienbewerber und Studieninteressierte umfassend über die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung von Studiengebühren, ihre jeweiligen »Studienguthaben«, die Beschlüsse der Universität zur Einführung von Studiengebühren, Befreiungsgründe und -verfahren, Beratungsmöglichkeiten sowie über juristische Möglichkeiten gegen die Studiengebührenpflicht vorzugehen.
Dies geschieht durch Anschreiben, Informationsmaterial, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und Beratungsangebote. Die alleinige Information über die Homepage der Universität erfüllt nicht die Informationspflicht.
Demokratische Entwicklung und Bewertung des Verfahrens zur Erhebung bzw. Befreiung von Studiengebühren durch die zuständigen Gremien der akademischen Selbstverwaltung:
Das Zentrum für Studierende informiert den Ausschuss für Lehre und Studium, den Akademischen Senat und den Hochschulrat regelmäßig über Vorgehen, Erfahrungen, Erkenntnisse, Probleme und Schwierigkeiten im laufenden Verfahren zur Erhebung bzw. Befreiung von Studiengebühren.
Der Ausschuss für Lehre und Studium, der Akademische Senat und der Hochschulrat werten diese Berichte aus und entwickeln auf ihrer Grundlage das universitäre Verfahren mit dem Ziel der transparenten, sozialen und demokratischen Gestaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Gebührenerhebungspflicht weiter.
Ziel ist die Erhebung von Erkenntnissen für die politische Bewertung der Sinnhaftigkeit der Erhebung von Studiengebühren, ihre Auswirkungen auf Studierende, Studieninhalte, Studienbewerbungen und -zulassungen, Exmatrikulationen und die gesellschaftliche Aufgabe der Universität sowie die Ausstattung von Universitäten, ihrer Unterfinanzierung und der Entwicklung von Studienfinanzierung insgesamt.“
III. Zur (sozialen) Lage der Studierenden
Vor dem Hintergrund der Einführung von Studiengebühren und der restriktiven Deform des Studiums (BA/MA) und der gesamtgesellschaftlich erheblichen Verschärfung sozialer Gegensätze ist die Auseinandersetzung mit der sozialen Lage der Studierenden ein zentrales Thema der AS-Tätigkeit. Das Studentenwerk hat im Rahmen seiner bundesweiten, jährlichen Sozialerhebung eine Hamburger Sonderauswertung für 2003 realisiert, die im Ausschuß für Lehre und Studium (ALSt) gründlich ausgewertet und dann, verbunden mit eigenen Einschätzungen und Vorschlägen zur Verbesserung der Lage der Studierenden, dem AS zur Beschlußfassung vorgelegt wurde. Diese Vorlage wurde im ALSt in Kooperation unserer Ausschußmitglieder mit dem zuständigen Vizepräsidenten Prof. Dr. Holger Fischer erarbeitet. Nachstehend ist der Bericht des ALSt und der dazugehörige AS-Beschluß vom 22. September 2005 dokumentiert:
Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Hamburg HHer Sonderauswertung der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks
Stellungnahme zu ausgewählten zentralen Ergebnissen
Vorbemerkung
Die Universität Hamburg ist eine große Universität und will dies auch bleiben. Zum einen ist der gesellschaftliche Bedarf an wissenschaftlicher Qualifikation für möglichst viele Menschen hoch und wird weiter steigen. Zum anderen liegt in der nur aufgrund der Größe der Universität realisierbaren außerordentlichen Fächervielfalt und den damit geschaffenen interdisziplinären Kombinations- und Kooperationsmöglichkeiten eine besondere Stärke der Universität Hamburg. Die damit notwendigerweise verbundene Komplexität der Aufgaben in Lehre, Forschung und Verwaltung stellt die Universität gleichzeitig immer wieder vor enorme Herausforderung, die eine engagierte Kooperation aller Universitätsmitglieder erfordern. Die Universität nimmt die Hamburger Sonderauswertung der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zum Anlaß, den Schwierigkeiten des Studienalltages aus studentischer Sicht genauer nachzugehen, um die Studienbedingungen zu verbessern.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß viele der Probleme ohne eine deutliche Überschreitung der chronischen und drastischen Unterfinanzierung der Universität nicht zu lösen sein werden. Auch werden die Anstrengungen der Universität durch manche der in den letzten zwei Jahren vom Hamburger Senat - mehrfach gegen die explizite Haltung der Universität - beschlossenen gesetzlichen Maßnahmen keineswegs erleichtert.
Die erhobenen Daten für den Studienstandort Hamburg beziehen sich auf eine Stichprobe von N=677 Studierenden der Universität Hamburg, der HAW, der HWP, der HbK, der HfMT, der TU Hamburg-Harburg sowie der Bucerius Law School. Die so ermittelten Werte haben deshalb auf die Universität Hamburg bezogen nur eingeschränkte Aussagekraft.
Die Werte für die Universität Hamburg (N=450) sind in den Text des Studentenwerks eingefügt worden und durch Heraushebung gekennzeichnet.
Nach derzeitigem Informationsstand liegen aktuelle Sonderauswertungen derzeit von folgenden Hochschulregionen vor: Nordrhein-Westfalen, Dortmund, Ulm. Eine Sonderauswertung für Berlin ist in Vorbereitung.
1. Demographische Zusammensetzung
Hamburger Studierende sind mit einem Alter von durchschnittlich 27,0 Jahren (UniHH 26,6) deutlich älter als Studierende im Bundesdurchschnitt (25,2 J.). Die studentische Lebenswelt in Hamburg zeigt hierdurch eine Reihe von sich gegenseitig bedingenden Besonderheiten: Hamburger Studierende sind im Vergleich zu den bundesweiten Ergebnissen überdurchschnittlich häufig verheiratet (Bund: 6,7 / HH: 11,4 / Uni HH 9,5 %), haben wesentlich häufiger Kinder zu betreuen (6,3 / 9,5 / 9,1 %), sind häufiger berufstätig (72,4 / 77,8 / 76,3 %) und leben häufiger in der eigenen Wohnung (43,2 / 53,9 / 53,2 %). Ein vergleichsweise größerer Anteil von Studierenden verfügt vor Studienbeginn bereits über eine Berufsausbildung.
1.1 Erläuternde Anmerkungen
Bei der Interpretation sind u.a. folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:
— hohe Zulassungsbeschränkungen für die überwiegende Zahl der Studiengänge führen zu längeren Wartezeiten auf einen Studienplatz
— der Anteil der Studienunterbrecher/innen und Studienwechsler (siehe 4.) ist deutlich höher
— Auswirkungen des besonderen Hochschulzugangs für Berufstätige erhöhen den Anteil älterer Studierender
Studienorganisation (siehe 5.). Was die langen Wartezeiten auf einen Studienplatz angeht, so ist dem nur durch Ausweitung der Kapazitäten Abhilfe zu schaffen.
2. Soziale Herkunft der Studierenden bestimmt Bildungsbeteiligung
Betrachtet man die Gesamtheit der Studierenden in Hamburg nach ihrer sozialen Herkunft, so zeigt sich eine Ungleichverteilung zugunsten »gehobener« und »hoher« Herkunftsgruppen: Während aktuell im Bundesdurchschnitt lediglich 12,0 /UniHH 9,2 % der Studierenden aus der »niedrigen« Herkunftsgruppe und weitere 26,6/ 25,4 % aus der »mittleren« Herkunftsgruppe kommen, sind dies bei der »gehobenen« Gruppe 24,6 / 25,0 % und bei der »hohen« Gruppe 36,8 /40,4 %. In Hamburg hat sich seit 2000 die Verteilung zugunsten der »höheren« und zuungunsten der »niedrigen« sozialen Herkunftsgruppe stärker als im Bundesdurchschnitt verschoben.
2.1 Erläuternde Anmerkungen
Die deutlich werdende Zugehörigkeit der Studierenden der Universität zu den höheren sozialen Herkunftsgruppen kann nicht mit Hinweis auf eine entsprechend höhere Anteilsverteilung innerhalb der Hamburger Bevölkerung erklärt werden. Offizielle Vergleichsdaten des Statistikamtes Nord liegen nicht vor, die Aufschluss über die Verteilung der Hamburger Bevölkerung bezogen auf die gewählten Kategorien sozialer Herkunft geben würden.
Es gibt keinen begründeten Anlass, der folgenden Interpretation der Autoren der Sozialerhebung zu widersprechen. »Die Ursachen für diesen Trend sind nicht allein auf das insgesamt gestiegene Bildungsniveau der Bevölkerung zurück zu führen, sondern müssen auch in einer zunehmenden Selektivität beim Zugang zu höherer Bildung gesehen werden, …« Studierende der Universität sowie Studierende der „niedrigen“ Herkunftsgruppe machen sich deutlich häufiger Sorgen bezüglich einer künftigen Verschuldung.
2.2 Mögliche Maßnahmen
— Einer weiter zunehmenden Ungleichverteilung kann nur durch ein ausgewogenes, bedarfsdeckendes Studienfinanzierungssystem begegnet werden.
— Studiengebühren gleich welcher Art verstärken die soziale Selektion, auch dann, wenn sie darlehensfinanziert sind, da durch sie Studierende der »niedrigen« Herkunftsgruppen vom Studium abgeschreckt werden. Die Universität lehnt die Einführung von Studiengebühren ab.
— Studienzugangsmöglichkeiten ohne Abitur bzw. mit besonderer Hochschulzugangsberechtigung sind weiterhin zu ermöglichen
3. Mehr längere Zeit Studierende
Zwar ist die Zahl der längere Zeit Studierenden (im 13. und höheren Hochschulsemester eingeschrieben) in Hamburg erstmalig seit Mitte der 90er Jahre wieder auf 23,3 (UniHH 23,5) % gesunken (-1,6 Prozentpkt.). Der Anteil liegt jedoch noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt (16,7 %).
3.1 Erläuternde Anmerkungen
Es ist anzunehmen, dass die Gründe für ein längeres Studium von heute - angesichts zunehmend restriktiver Regelungen zur Studiendauer - zum Studienabbruch von morgen führen werden. Grundsätzliche studentische Problemstellungen, die gegenwärtig ein längeres Studium bedingen, werden durch aktuelle Studienreformen (Bachelor/Master, Studierendenauswahl) nicht reduziert, deshalb wird die Einführung verbindlicher Regelungen zur Studienzeit in Grundund Hauptstudium bzw. in Bachelor und Master vielen Studierenden einen Studienabschluss unmöglich machen. Was die Auswirkungen der Einführung der Gebühren für längere Zeit Studierende angeht, so bildeten diese sich zum Erhebungszeitpunkt der 17. Sozialerh. noch nicht ab. Sie sind aber universitätsintern erkennbar: studierten im Sommersemester 2004 noch 19,2 % der Studierenden der Universität seit mindestens 13. Semestern, so sank dieser Prozentsatz im darauffolgenden Wintersemester auf 12,3 %.
3.2 Mögliche Maßnahmen
Es ist das Ziel der Universität längere Zeit Studierenden einen Abschluss zu ermöglichen, nicht sie zum Studienabbruch zu nötigen. Deshalb lehnt die Universität die Einführung von Gebühren für längere Zeit Studierende ab. Solange die Pflicht zur Zahlung von Studiengebühren durch § 6 Absätze 7 und 8 HmbHG vorgeschrieben ist, wird sie diese so gestalten, dass die Möglichkeit zu studieren nicht durch soziale, persönliche, wirtschaftliche oder sonstige wichtige Gründe verhindert wird.
Die in der letzten Zeit in zahlreichen Studienordnungen eingeführten restriktiven Regelungen zur Studiendauer sind in diesem Zusammenhang kritisch zu betrachten. Entscheidend ist die Sicherstellung eines differenzierten Beratungsangebotes (Fachberatung , Allgemeine u. Psychologische Beratung, Studienausgangsberatung) vor Studienbeginn und während des Studiums. Oftmals ist die lange Verweildauer an der Universität durch Mängel in der Studienorganisation begründet, die nur durch eine Überschreitung der chronischen und drastischen Unterfinanzierung der Universität zu verbessern sind.
4. Mehr Studienwechsler und Studienunterbrecher
In Hamburg haben 24,2 (UniHH 22,3) % der Studierenden bereits das Hauptstudienfach und/oder die Form des Abschlusses gewechselt. Im Bundesdurchschnitt lag dieser Durchschnitt deutlich niedriger, bei 20,9%.
Wenn das Fach und/oder der Abschluss gewechselt wurde, hatten die Studierenden in Hamburg durchschnittlich bereits seit 4,0 /3,9 Semestern studiert. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (3,3 Sem.) liegt die Anzahl der Semester vor dem Wechsel in Hamburg um 0,7 Semester, d.h. um 18 Prozent, höher.
Nahezu jeder vierte Hamburger Studierende (23,5 / 21,5 %) hat offiziell (mit Abmeldung) oder inoffiziell (ohne Abmeldung an der Hochschule) bereits zwischenzeitlich das Studium unterbrochen. Auch mit dieser Ziffer liegt der Studienstandort Hamburg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (16,4 %) um 7,1 Prozentpunkte vorn.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf Studienwechsel und Studienunterbrechung sind nicht festzustellen.
4.1 Erläuternde Anmerkungen
— Die Universität hat ihren Studierenden durch administrative Maßnahmen bewußt eine zeitlich begrenzte Studienunterbrechung auf begründeten Antrag (mit anschließender Wiedereinschreibung) ermöglicht. Dennoch liegen die Zahlen der Universität in Bezug auf Studienunterbrechung unterhalb des Hamburger Durchschnitts.
— Hohe Zulassungsbegrenzungen in der Mehrzahl der Studiengänge haben zu vorübergehenden Zulassungen in leichter zugänglichen Parkstudiengängen mit anschließendem Wechsel geführt.
— An der Universität ist der Wechsel innerhalb fachverwandter Studiengänge mit unterschiedlichem Abschluss (von Magister/Diplom zum Lehramt) nennenswert verbreitet.
— Die überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigkeit Hamburger Studierender ist mitverantwortlich für Studienunterbrechungen.
4.2 Mögliche Maßnahmen
— Die Orientierung und Information für Studieninteressierte im Vorfeld der Studienentscheidung ist zu verbessern und durch entsprechende Ressourcen auszustatten.
— Modelle für alternative Zugänge zum Studium mit aufgeschobener Studienentscheidung sind zu erproben (Universitäts-Colleg).
— Die administrative Möglichkeit, begründet das Studium zeitlich begrenzt unterbrechen zu können, ist zu erhalten
— Dass Studierende sich aufgrund der Zulassungsbegrenzungen nicht von Beginn an im Studienfach ihrer ersten Wahl immatrikulieren können, ist nur durch eine Ausweitung der Kapazitäten zu verändern.
— Es bedarf für die Universität verlässlicher Studienverlaufsstatistiken und qualitativer, fächerbezogener Untersuchungen zu Studienunterbrechungs- und abbruchsgründen.
5. Zeitaufwand für das Studium gesunken, mehr Erwerbstätigkeit
Hamburger Studierende sind häufiger regelmäßig erwerbstätig als im Bundesdurchschnitt. Dies gilt sowohl für laufende Erwerbstätigkeit in der vorlesungsfreien Zeit (46,3 %) als auch während der Vorlesungszeit (48,7 %). Für den Bundesdurchschnitt betragen die Zahlen (38,1 % außerhalb und 38,9 % innerhalb der Vorlesungszeit).
Eigene Erwerbstätigkeit dient Hamburger Studierenden stärker als im Bundesdurchschnitt (Bund 58,8 / HH 72,0 %.) zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. Für das studentische Finanzbudget, zusammengesetzt aus allen Bezugsquellen gilt: höheren Ausgaben am teuren Studienstandort Hamburg (838 Euro) stehen höhere Einnahmen (858 Euro) gegenüber, die jedoch für deutlich erhöhte Aufwendungen für Miete und Ernährung ausgegeben werden (Ausgaben/Einnahmen Bund: 763 / 767 Euro).
In Hamburg hat der Zeitaufwand für das Studium gegenüber 2000 um 2,4 auf 32,1 /UniHH 32,6) Stunden abgenommen. Parallel hierzu investieren Studierende durchschnittlich noch 9,9 / 9,3 Stunden (-2,1 Std.) für eine Erwerbstätigkeit.
Per Saldo haben Studierende eine 42 / 41,9 Stunden-Woche, und somit eine umfassendere »Arbeitswoche«, als die durchschnittlichen tariflichen 38,5 Wochenstunden bei Arbeitnehmern. Diese Entwicklungen entsprechen dem allgemeinen Bundestrend.
Das Studium wird heute von mehr als jedem Zweiten nicht mehr als Mittelpunkt des Lebens betrachtet - andere Lebensbereiche sind gleichrangig oder gar wichtiger. Für 45 % aller Studierenden in Hamburg und 47 % der Studierenden im Bundesvergleich ist das Studium Mittelpunkt fast aller Interessen und Aktivitäten. Bemerkenswert die höhere zentrale Gewichtung, die 49,2 % der Studierenden der Universität Hamburg ihrem Studium beimessen.
Diese Ergebnisse sind jedoch kein Hinweis darauf, dass die Studierenden ihr Studium an sich
vernachlässigen. Es scheint vielmehr ein Paradigmenwechsel eingetreten zu sein, bei dem das
Studium und andere Lebensinhalte gleichbedeutend geworden sind. Das Studium ist immer
noch wichtig, aber nicht mehr das Wichtigste im Leben vieler Studierender.
5.1 Erläuternde Anmerkungen
— es ist anzunehmen, daß individuelle Einschätzungen entsprechend der Angehörigkeit zu Studiengängen mit unterschiedlichen Anforderungs- und Strukturprofilen differieren
— die Einschätzung der subjektiven Stellenwerts des Studiums wird durch das hohe Ausmaß an notwendiger Erwerbstätigkeit während und außerhalb der Vorlesungszeit mitbestimmt.
5.2 Mögliche Maßnahmen
— Einführung eines ausgewogenen, bedarfsdeckenden Studienfinanzierungsmodells (auch im Hinblick auf die Vollzeit-Studienstruktur im Rahmen des Bachelor/Master Systems)
— Einführung der Option eines Teilzeitstudiums (In diesem Zusammenhang ist die HmbHGRegelung, nach der Studierende mindestens 50 % ihrer Arbeitszeit für das Studium aufwenden müssen, als problematisch zu betrachten)
— Entwicklung von e-learning Studienstrukturen
6. Hoher Bedarf an Service- und Beratungsleistungen
Hamburger Studierende haben einen deutlich höheren Bedarf an Beratung und Information als im Bundesdurchschnitt und in den genannten Hochschulregionen.
Der größte Beratungsbedarf innerhalb der letzten 12 Monate betraf die Themen Krankenversicherung (Bund 26,2 / UniHH 28,4 %), Studium und Erwerbstätigkeit (19,8 / 27,2 %), Finanzierung des Studiums (23,3 / 24,3 %), Finanzierung von Auslandsaufenthalten (23,5 / 22,8 %), Lern- und Leistungsprobleme (16,3 /18,7 %), Prüfungsangst (13,6 / 14,6 %), psychische Probleme (13,8, / 16,5 %), Studium und Kind (3,8 / 5,5 %), sowie Behinderung und chronische Krankheit (2,1 / 2,6 %).
Besonders auffällig: Bei Personen mit Lern- und Leistungsproblemen und Beratungsbedarf haben Bund 53,0 / UniHH 60,7 % kein Beratungsangebot wahrgenommen. Beim Thema Prüfungsangst waren es 46,7 / 54,4 % sowie bei psychischen Problemen 38,9 / 23,2 %. Zudem bestehen Lücken im Beratungsnetz: 9,7 / 8,8 % der Studierenden mit Beratungsbedarf hatten erst keinen richtigen Ansprechpartner innerhalb oder außerhalb der Hochschule finden können. Von den Nutzern/innen der Beratung erhalten die Angebote der psychologischen Beratung der Universität die besten Noten.
6.1 Erläuternde Anmerkungen
— Weitere Erhebungen des Deutschen Studentenwerks zu Service- und Beratungsangeboten für Studierende unterstreichen die Bedeutung einer integrierten Beratungskette im Studienprozess für den persönlichen Studienerfolg: von orientierenden Angeboten vor Studienbeginn, von allgemeiner und Fachstudienberatung sowie von einer Studienausgangsberatung.
— In konkreten Zahlen veranschaulicht: aktuell betrachten sich beispielsweise rund 7.500 Studierende der Universität als beratungsbedürftig in ihren Lern- und Leistungsproblemen. Ca. 4.400 nehmen aus verschiedenen Gründen keine Beratung in Anspruch, fast 400 von ihnen wissen nicht, an wen sie sich mit ihrem Anliegen wenden könnten.
— Vor dem Hintergrund vergleichsweise seltener Nennungen ist der Beratungsbedarf innerhalb der Zielgruppen »Studium und Kind« sowie »Behinderung und chronische Krankheit« dennoch dringlich und nicht zu vernachlässigen.
— Der vergleichsweise hohe Bedarf an Beratung sowie die besorgniserregende Realisierungslücke bei der Wahrnehmung notwendiger professioneller Unterstützung spiegeln die Rahmenbedingungen einer unterausgestatteten, zersplitterten Massenuniversität wider - z. B. unzureichende Betreuungsmöglichkeiten für die einzelnen Studierenden, abschreckende Unübersichtlichkeit der Institution, unzureichende, nicht am Bedarf ausgerichtete Ressourcen, fehlende Einsicht in die Notwendigkeit studien- und lehrunterstützender Beratungsmaßnahmen für den Studienerfolg.
6.2 Mögliche Maßnahmen
— es besteht ein dringender Bedarf zur Integration der verschiedenen Beratungsangebote an der Universität auf zentraler Ebene
— die orientierende Beratung vor Studienbeginn muss in Abstimmung von Allgemeiner und Fachberatung und in Zusammenarbeit mit den Schulen ausgebaut werden.
— ein bedarfsgerechtes psychologisches Beratungsangebot auf zentraler Ebene ist sicherzustellen
— es bedarf auf zentraler oder dezentraler Ebene eines institutionalisierten Beratungs- und Serviceangebotes zum Studienausgang und zur Berufseinmündung
Fazit
Die Hamburger Sonderauswertung der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zeigt deutlich, daß das alte Vorurteil vom »Elfenbeinturm Universität« zumindest aus studentischer Sicht mit der heutigen Realität nichts zu tun hat. Die Studierenden sind - in Hamburg sogar in besonderer Weise - vielfach in das soziale Leben der Stadt integriert. Ein Nebeneinander von Studium und Berufstätigkeit ist Normalität, ein späteres Studium nach einer ersten Phase der beruflichen Tätigkeit kommt zunehmend vor. Hier wird das häufig diskutierte Schlagwort vom „lebenslangen Lernen“ praktischer Alltag. Für die Universität ist diese Entwicklung im Prinzip begrüßenswert, sie muß sich aber in ihrer Studienorganisation noch stärker darauf einstellen.
Auch wird klar, daß die Studierenden keineswegs in der sozial privilegierten Situation sind, die ihnen in der öffentlichen Diskussion oftmals zugemessen wird. Das „Faulenzer“-Image, von Studierenden im allgemeinen und von längere Zeit Studierenden im besonderen hat statistisch keine Grundlage. Vielmehr sind die Studierenden - gerade in Hamburg - in hohem Maße selbständig und realisieren ihr Studium trotz vielfacher Schwierigkeiten.
Die Universität sieht sich in der Pflicht, immer wieder neu gute Bedingungen für die Realisierung ihres Bildungsauftrages zu schaffen. Das heißt auch, politischen Vorgaben, die diesem Ziel entgegen stehen, kritisch entgegenzutreten.
»Bildung mündiger Menschen: Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen, und politischen Auseinandersetzung.«
Leitbild der Universität, 1998.“
Der Akademische Senat faßt mit 11:0:1 Stimmen folgenden Beschluß:
„1. Der Akademische Senat nimmt die Stellungnahme (SV XIX/629/196) zu de ausgewählten zentralen Ergebnissen zur Hamburger Sonderauswertung der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes zur ‚Studentischen Lebenswelt 2003’ zustimmend zur Kenntnis.
2. Das Präsidium wird gebeten, die dort angeführten möglichen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Realisierung zu überprüfen.
3. Vizepräsident Prof. Dr. Fischer wird gebeten, diese Stellungnahme in geeigneter Form zu veröffentlichen.“
Ebenfalls in der Sitzung vom 22. September 2005 und in engem inhaltlichen Zusammenhang nimmt der Akademische Senat zustimmend den Bericht des Zentrums für Studienberatung und Psychologische Beratung (ZSPB) an der Universität Hamburg zur Kenntnis (11:0:2 Stimmen) und beschließt, das Präsidium zu bitten, sich im Rahmen einer zu verbessernden finanziellen Ausstattung der Universität auch für eine entsprechende Ausstattung dieses Zentrums einzusetzen. Dieser Bericht macht - bei noch gebremster Kritik an der Senatspolitik - plastisch, welche Drangsale für alle Beteiligten die Zurichtung von Bildung und Wissenschaft auf die profitable Verwertbarkeit von Forschung und Studierenden verursacht. Es ist deshalb die Einleitung des Berichts des ZSPB hier zitiert:
„Vorbemerkung Grundsätzliche Veränderungen des Hamburger Hochschulsystems haben 2004 weiter Gestalt angenommen. Dem neuen Hamburgischen Hochschulgesetz von 2003 folgten im Berichtsjahr weitere Neuregelungen, die bereits gültig sind, bzw. deren Entwürfe in Kürze kurzfristig umgesetzt werden.
Es handelt sich dabei um das Gesetz zur Reform der Hochschulzulassung, um die Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudierende und für Studierende mit Wohnsitz außerhalb der Metropolregion Hamburg sowie um die Einführung eines Verwaltungskostenbeitrages für alle Studierenden. Zu erwarten sind kurzfristig gesetzliche Vorgaben bezüglich der Schaffung neuer Organisationsstrukturen durch ein Fakultätengesetz und ein Studentenwerksgesetz sowie die Erhebung von allgemeinen Studienbeiträgen.
Die verpflichtende Umstellung der Studienstruktur auf das Bachelor/Master Studiensystem, verbunden mit der inhaltlichen Neugestaltung von Studienangeboten wird massive Auswirkungen auf die Studienstruktur, auf Studieninhalte und Studienwirklichkeit an der Universität Hamburg nach sich ziehen. Die Belastung für alle Beteiligten ergibt sich aus der Tatsache, dass die Umsetzung der Ziele dieser Studienreform von der Vorgabe begleitet wird, dass dieser Entwicklungsprozess nicht nur kostenneutral, sondern auch unter aktuellen Einsparauflagen zu verfolgen ist.
Es ist abzusehen, dass die genannten Entwicklungen zu einem erhöhten Bedarf an Information und Beratung für die Studieninteressierten und Studierenden führen werden, zumal die Reform in der verbesserten Betreuung und Beratung ein zentrales Ziel verfolgt: die Reduzierung der Studienabbrecherquote. Weiterhin steht zu erwarten, dass die Konsequenzen einer an Selektion und Leistung orientierten Studienreform in hohem Maße eine Steigerung der Beratungsnachfrage von Seiten der Studierenden nach sich ziehen werden. Diese künftigen Strukturreformen lassen in ihren Auswirkungen für die Studierenden aber auch eine Veränderung bezüglich der Inhalte der nachgefragten Hilfsangebote erwarten. Eine wachsende, kaum zu bewältigende Nachfrage nach unmittelbar verfügbaren, standardisierten und primär an Studieneffizienz orientierten Kurzzeitinterventionen, im Gegensatz zu jeweils differentiell indizierten Beratungsangeboten, ist bereits jetzt im Vorfeld der Veränderungen erkennbar.
Aktuellen Untersuchungen zufolge, die repräsentativ den von Studierenden für den Studienerfolg als entscheidend angesehenen Bedarf an Beratung erheben, werden gravierende Lücken in der Sicherstellung von Service- und Beratungsleistungen vor allem in folgenden Bereichen gesehen: Information und Orientierung vor Studienbeginn, psychologische Beratung, Beratung zum Studienausgang und zur Berufseinmündung. Service- und Beratungsleistungen werden von den Studierenden als integrale Bestandteile eines erfolgreichen Studienprozesses verstanden. Letztlich wird in einem Zusammenwirken von zentralen Einrichtungen (z.B. Allgemeine Studienberatung mit integrierter psychologischer Beratung, Studentenwerk Hamburg) mit dezentralen Einrichtungen der Fakultäten (z.B. Studierendenzentren, Fachberatung) eine substantielle Förderung des Studienerfolgs zu finden sein.
Aus den regelmäßig veröffentlichten Jahresberichten des ZSPB geht hervor, in welchem Maße die Tätigkeitsbereiche dieser Einrichtung in den letzten Jahren durch steigende Zahlen der Inanspruchnahme und durch die Ausweitung von Zuständigkeiten nach der Übertragung zusätzlicher Aufgabenbereiche bestimmt sind. Zudem nimmt die Einbindung des ZSPB in den Entwicklungs- und Umsetzungsprozess der aktuellen Strukturreform in hohem Maße die personellen Ressourcen in Anspruch.
Die Mitarbeiter/innen des ZSPB bemühen sich auch weiterhin durch organisatorische Maßnahmen, durch Schwerpunktsetzungen, durch Kooperationen und die konsequente Nutzung neuer Medien die Erreichbarkeit und den Service für Ratsuchende unter Einhaltung professioneller Standards sicherzustellen. Die entwickelten Maßnahmen haben mehrfach ihre Erwähnung als herausragende Best-Practice Beispiele für die Universität Hamburg gefunden. Da im Gegensatz zu den Einrichtungen der Lehre eine an der vorhandenen Kapazität orientierte Beschränkung des Zugangs zu der zentralen Beratungseinrichtung der Universität nicht einzurichten ist, sind stets besondere Anstrengungen notwendig, um das Beratungsangebot des ZSPB zu sichern. Dabei ist bezüglich der personellen Ausstattung des ZSPB zu berücksichtigen, dass innerhalb des ZSPB erfolgreich drei Einrichtungen (allgemeine Studienberatung, psychologische Beratung, Careers Service) integriert sind, die an anderen Hochschulen als jeweils eigenständige Einrichtungen mit eigenen Ressourcen ausgewiesen sind. Gleichzeitig unterliegt auch das ZSPB den der Universität Hamburg auferlegten Begrenzungen personeller und sachlicher Ressourcen (Einsparungen, Vakanzhaltung, Verzicht auf Urlaubsvertretungen und Streichung freiwerdender Stellen). Mit Hinweis auf die allgemeine finanzielle Situation hatte das ZSPB auch 2004 einen überproportionalen Verlust von personellen Ressourcen durch Stellenstreichungen und -verlagerungen sowie durch den Verzicht auf Vertretungen bei Beurlaubungen, Freistellungsphasen und langfristigen Krankheitsausfällen zu verzeichnen. Gegenüber 1998 stehen den Ratsuchenden zum Jahresende 2004 40 % weniger Beraterinnen und Berater als Folge von unterschiedlichen Sparmaßnahmen zur Verfügung. Was allein die psychologische Beratung angeht: konnte das ZSPB 1998 anteilig noch auf 2,4 Stellen für psychologische Beratung zurückgreifen, so ist dieser Anteil im Jahre 2005 auf 0,7 besetzte Stellen für einen Zuständigkeitsbereich von rund 46.000 Studierenden zurückgeführt worden. Vor dem geschilderten Hintergrund ist wiederholt auf die eingeschränkte Funktionsfähigkeit des ZSPB hingewiesen worden. Ein zentrales Anliegen des ZSPB ist in Frage gestellt: dem Bedürfnis der Ratsuchenden zu entsprechen, wenn notwendig mit »realen« Beraterinnen und Beratern in Kontakt treten zu können. Denn es kann als ein besonderes Kennzeichen der Einrichtung gewertet werden, das ZSPB auch als Ort des persönlichen Kontaktes zwischen Ratsuchenden und Ratgebenden zu verstehen. Diese Haltung entspricht dem Selbstverständnis der am ZSPB Tätigen als individuell erkennbare Mittler zwischen Ratsuchenden und Universität. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZSPB bedauern, dass bei allen Anstrengungen durch die nicht mehr zu kompensierenden Ressourcenverluste in den letzten Jahren der traditionell hohe Qualitätsstandard einer der ältesten und renommiertesten Beratungseinrichtungen gefährdet worden ist.“
IV. Für den Erhalt der Fächervielfalt
Zur senatsgewollten Neuausrichtung der Universität auf „Wirtschafts-Cluster“ des „Standorts“ gehört die Streichung kleiner, nicht profitträchtiger Fächer. Dagegen votiert der Akademische Senat regelhaft für die „Einheit und Vielfalt“ der Universität, und damit dafür, historische, soziale, kulturelle, natürliche Zusammenhänge auch fürderhin als Einheit zu begreifen, erforschen und nützlich gestalten zu können. Man wendet sich damit unmittelbar gegen die Folgen der dauerhaften Unterfinanzierung, nicht aber gegen ihre Ursachen und Verursacher. Eine gemeinsame politische Konzeption der Universität, um gegen den politisch hart gesetzten Rahmen vorzugehen, muß deshalb in der weiteren Arbeit entwickelt werden. Die richtige Tendenz und mangelnde Courage für die notwendige Reichweite sind so zum Beispiel dem Protokoll vom 10. März 2005 im Streit um die geplante Abschaffung der Meso-Amerikanistik und der Ägyptologie zu entnehmen. Der Beschlußantrag des Präsidiums zur Streichung der Fächer wird erfreulicherweise abgelehnt, Konsequenzen für offensivere Finanzierungsforderungen an den Senat jedoch gemieden:
„Der Akademische Senat lehnt folgende Beschlussempfehlung mit 3:5:4 Stimmen ab:
Der Akademische Senat nimmt zur Kenntnis, daß auf Grund der durch die finanzpolitischen Rahmenbedingungen unausweichlichen Stellenstreichungen und der Struktur- und Entwicklungsplanung des bisherigen Fachbereichs Kulturgeschichte und Kulturkunde die Studiengänge Ägyptologie-Magister und Mesoamerikanistik-Magister ab Wintersemester 2005/06 nicht mehr fortgeführt werden können. Er stimmt der Einstellung der Studiengänge daher zu.
Der Akademische Senat geht davon aus, daß der Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde den bisher zugelassenen Studierenden einen ordnungsgemäßen Abschluß ihres Studiums garantiert.
Der Akademische Senat bittet den Präsidenten, eine entsprechende Änderung der Universitätszulassungsverordnung und der Studienbewerberbroschüre zu veranlassen.
Der Präsident weist darauf hin, daß es zurzeit keine Alternative zur anderweitigen Finanzierung der zur Streichung vorgeschlagenen Studiengänge gebe.
Einen von Prof. Dr. Schönert gestellten Rückkommensantrag lehnt der Akademische Senat mit
5:5:2 Stimmen ab.“
V. Für eine demokratische Studienreform - Zu Bachelor und Master
Auf Drängen der Studierenden befaßte sich der Akademische Senat am 30. Juni 2005 mit dem für das Wintersemester verordneten Beginn zahlreicher Bachelor-Studiengänge. Diese Studiengänge sind nicht auf Grundlage inhaltlicher Erörterungen über Erfordernisse gesellschaftlicher und fachlicher Entwicklungen entstanden, sondern oft mühevoll im Rahmen der restriktiven, antiwissenschaftlichen Auflagen des CDU-Senats erarbeitet; zum Teil sogar nur unter behördlicher Androhung von Stellenstreichungen. Der offenkundige Wahnsinn dieser Maßnahmen beschäftigt viele, aber zum prinzipiellen „Nein“ als Voraussetzung einer vernünftigen Umorientierung fehlt meist der Mut. Deshalb haben wir zu dieser Sitzung nachstehendes Geleit (Nr. 11) verfaßt:
Wie soll das alles nur weitergehen?
0) Vermaledeite Zustände
„Die Ideen darüber, wie man die neuen Produktionsmöglichkeiten nutzen könnte, sind nicht sehr entwickelt worden seit den Tagen, als das Pferd tun mußte, was der Mensch nicht konnte. Denken Sie nicht, daß in so mißlicher Lage jede neue Idee sorgfältig und frei untersucht werden sollte? Die Kunst kann solche Ideen klarer und sogar edler machen.“
Bertolt Brecht, „Anrede an den Kongreßausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Betätigungen“, 1947.
Die Höhe der Zivilisation ist fragil. Auf der einen Seite: Moderne Produktionsanlagen, Bach-Konzerte, erkleckliche Reste von Sozialversicherungen, glitzernde Fassaden und die Möglichkeit allgemeiner Wohlfahrt. Auf der anderen Seite: Stummes Elend, laute Verzweiflung, tiefe Gräben - in den Schluchten der Großstädte und zwischen den Kontinenten.
Was muß untersucht werden?
1) Zukunft: Die umfassende Verneinung des Krieges
„Alle Leute haben eine Nähmaschine, ein Radio, einen Eisschrank und ein Telefon. Was machen wir nun? fragte der Fabrikbesitzer.
Bomben, sagte der Erfinder.
Krieg, sagte der General.
Wenn es denn gar nicht anders geht, sagte der Fabrikbesitzer.“
Wolfgang Borchert, „Lesebuchgeschichten“.
Es geht anders, sagen die Menschen.
Wir geben Gründe, erklären die Wissenden.
Wir liefern, Bilder, Figuren, Geschichten und Tonfolgen, pflichten die Kunstschaffenden bei.
Wenn es so ist, muß ich mich der Masse an Vernunft fügen, gesteht der Fabrikbesitzer.
Was ist zu tun?
2) Nach wie vor: Aufklärung!
„Daß ich etwas, ehe ich es glaube, erst durch meine Vernunft laufen lasse, ist mir nicht ein Haar wunderbarer, als daß ich erst etwas im Vorhof meiner Kehle kaue, ehe ich es hinunterschlucke. Es ist sonderbar, so etwas zu sagen, und für unsere Zeiten zu hell, aber ich fürchte, es ist für zweihundert Jahr, von hier ab gerechnet, zu dunkel.“
Georg Christoph Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkungen“, Heft J, 1776-1779.
Wissenschaft braucht einen weiten Blick, der nahe Gegenstände nicht scheut, Bodenhaftung, Werte-Courage und Bewegungsfreude; öffentliche Geltung durch angemessene Finanzierung, soziale Offenheit der Studien, eine verläßliche Struktur für den demokratischen Disput und ein positives Credo für die menschliche Entwicklung.
Die Wirklichkeit erhält durch Wandlung Würde.
Wer beginnt?
Hamburg, den 31. Mai 2005.
Der Akademische Senat faßte nach ausführlicher Diskussion auf seiner Sitzung am 30. Juni einen Beschluß (9:1:2), der Ausdruck des Widerstreitens fataler Anpassung mit perspektivreicherOpposition ist:
„Der Akademische Senat sieht mit großer Besorgnis, unter welchen Bedingungen gegenwärtig die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge stattfinden muss. Die Universität hat mit enormem Einsatz und erheblichen Anstrengungen im Zuge der akademischen Reformen die Einführung von ersten Bachelor- und Masterstudiengängen zum Wintersemester 2005/06 vorbereitet. Unter den aktuellen Bedingungen ist es kaum möglich die vorgesehenen Umstellungen mit der gebotenen Verantwortung für die Lehrenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Studierenden der Universität umzusetzen.
Um den Umstellungsprozess weiterhin fördernd begleiten zu können, ruft der Akademische Senat den Senat der FHH dazu auf, die Arbeitsfähigkeit der Universität zu gewährleisten.“
VI. Zur vernünftigen Weiterentwicklung der Universität
Die Studiengebühren als Bestandteil der sozialen und kulturellen Herabwürdigung der Hamburger Bürgerinnen und Bürger durch die neoliberale Senatspolitik werden von den meisten Studierenden berechtigt aufgebracht kritisiert. Eine Vielzahl von ihnen erscheint zu der Sitzung des AS am 12. Mai 2005, auch weil die Hamburger Polizei an den Tagen zuvor mit erheblicher Härte gegen ihren Protest einschreitet. Kommerz und Obrigkeit bilden ein Bündnis, gegen das wir für einsichtige Verständigung über eine oppositionelle Perspektive humaner Entwicklung eintreten. Ein Ergebnis ist die nachstehend abgedruckte Beschlußfassung im AS (aus dem Protokoll der Sitzung) mit der er eine Relativierung seiner prinzipiellen Ablehnung der Studiengebühren zurückweist:
„Nach intensiver Diskussion unter Beteiligung der Hochschulöffentlichkeit nimmt der Akademische Senat folgende Abstimmungen vor:
Zu Nr. 1 des Antrags von Frau Sepehrnia und Herrn Walther (SV XIX/628/185) liegen folgende Anträge vor:\
– von Herrn Walther modifiziert:
1. Der Akademische Senat begrüßt das Ergebnis der studentischen Urabstimmung für die Gebührenfreiheit des Studiums - soziale Offenheit sei die Devise. Er bestätigt damit seine bisherigen Beschlüsse zur Erbringung von Studiengebühren.
– von Prof. Dr. Gogolin:
»Der Akademische Senat begrüßt das Ergebnis der Urabstimmung der Studierenden für die Gebührenfreiheit des Studiums und stellt fest, dass die Einführung von Studiengebühren unter den gegebenen Umständen nicht akzeptabel ist. Sie würde die soziale Selektivität des deutschen Bildungssystems in unverantwortlicher Weise erhöhen. Solange ein System sozial gerechter und auf die Wahrung gleicher Bildungschancen bedachter Studienfinanzierung nicht besteht und die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen nicht geschaffen hat, wird die Universität Hamburg selbst keine Studiengebühren einführen.
Der Akademische Senat fordert Wissenschaftssenator Dräger auf, seiner politischen Verantwortung gerecht zu werden und Konzepte zu einer entsprechenden Bildungsfinanzierung vorzulegen.
Der Akademische Senat erinnert an den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 26. Januar 2005, in dem es heißt, dass die Länder bei der Einführung von Studiengebühren in eigenverantwortlicher Wahrnehmung der verfassungsrechtlich begründeten Aufgabe zu sozial gerechten und die auf Wahrung gleicher Bildungschancen bedachten Regelungen kommen sollen, die den Belangen einkommensschwacher Bevölkerungskreise Rechnung tragen sollen.«
Der Akademische Senat stimmt dem Antrag von Herrn Walther mit 9:6:1 Stimmen zu.
Der Akademische Senat faßt außerdem mit 12:0:3 Stimmen folgenden Beschluß:
2. Der Erhalt und die Bewahrung des universitären Zusammenhangs bei der Fakultätenbildung hat Vorrang für den weiteren Bestand der Universität.
3. Die Struktur der Akademischen Selbstverwaltung soll so weit wie möglich erhalten und aktiv gestaltet werden. Danach richte sich auch die Erarbeitung der Grundordnung. Die Einrichtung und Gestaltung eines Universitätskonvents wird so schnell wie möglich angestrebt.
4. Der Akademische Senat bemüht sich, Diskussionen über die positive Entwicklung der Universität anzuregen respektive zu begleiten.
5. In diesem Zusammenhang wird das Präsidium gebeten, in naher Zukunft eine gemeinsame Erörterung mit dem Hochschulrat über die Hochschulentwicklung verbindlich anzuregen.“
In der Sitzung des AS am 22. September 2005 stellen wir auf dieser Beschlußgrundlage nachstehenden Antrag zur Realisierung des vorstehenden AS-Beschlusses. Für weitergehende praktische Konsequenzen fehlt dem AS allerdings noch der Mut. Mit 5:5:3 Stimmen wird der Antrag mit der Begründung, man wolle abwarten bis konkrete Gebührenpläne vorlägen, denkbar knapp abgelehnt:
„1. Der Akademische Senat begrüßt, dass das Präsidium zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einführung allgemeiner Studiengebühren ablehnt. In Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Lehre und Studium und dem Zentrum für Studierende strebt er an, die Möglichkeiten der Befreiung von Studiengebühren zu erweitern. Beide werden gebeten, dem Akademischen Senat hierfür in Auswertung der bisherigen Erfahrungen eine Vorlage zu unterbreiten.
2. Kollegialität, soziale Offenheit, möglichst demokratische, argumentative Beteiligung der Hochschulmitglieder sowie die Transparenz der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung werden als gemeinsame Merkmale für die Entwicklung der Fakultäten in ihren Grundsätzen der Selbstverwaltung verankert.
3. Ein Universitätskonvent soll zur Ermöglichung einer gesamtuniversitären Diskussion der Entwicklungsperspektiven der Universität noch binnen dieses Jahres einberufen werden. Seine Erörterungen und Beschlüsse sollen die Weiterentwicklung des STEP prägen.
4. Der Akademische Senat lädt den Hochschulrat ein, nach Beginn des Semesters in einer gemeinsamen Sitzung die bisherige und weitere Entwicklung der Universität auf Grundlage des Leitbildes und des STEP zu diskutieren.“
An der Grundorientierung sozialer Offenheit, demokratischer Partizipation und einer gesellschaftlich verantwortlichen Wissenschaftsentwicklung sowie gegen die harte Kommerzialisierung von Wissen und Leben arbeiten wir weiter und engagieren uns für die tätige Umsetzung der positiven Beschlüsse des AS.
Die Auseinandersetzung geht weiter ...
Redaktionelle Bemerkung
Zwischenergebnisse der Erarbeitung einer Universitäts-Grundordnung haben wir in einer eigenen Broschüre dokumentiert. Grundsatzpapiere aus unserer AS-Tätigkeit des Jahres 2005 haben wir in einer weiteren Broschüre unter dem Titel „Zum Geleit - Humanistische Aufklärung in bewegten Zeiten veröffentlicht.“