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Mythen und Menschen?
„Die neuen politischen Mythen wachsen nicht frei auf; sie sind keine wilden Früchte einer üppigen Einbildungskraft. Sie sind künstliche Dinge, von sehr geschickten und schlauen Handwerkern erzeugt.
Es blieb dem zwanzigsten Jahrhundert, unserem eigenen großen technischen Zeitalter vorbehalten, eine neue Technik des Mythus zu entwickeln. Künftig können Mythen im selben Sinne und nach denselben Methoden produziert werden wie jede andere moderne Waffe – wie Maschinengewehre oder Aeroplane.“
Ernst Cassirer (1874-1945): Vom Mythus des Staates, geschrieben im britischen Exil, dt. Erstausgabe 1948.
Mythen: Der Markt ist das gerechteste System aller Zeiten. Wir leben in der besten aller Welten. Schulden entstehen durch Sozialstaatlichkeit. Die Flüchtlinge sind schuld am Erstarken der Rechten. Es gibt keinen Klimawandel. Es gibt kein Feinstaubproblem. Aufrüstung bzw. nukleare Abschreckung schützt vor Kriegen. Freiheit ist ohne zwei eigene Autos unmöglich. Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single…
Oft sind sogenannte Wissenschaftler*innen an der Kreation und Verbreitung solch suggestiver Un- oder Halbwahrheiten beteiligt. Als Katalysator der Anti-Aufklärung fungieren zudem rechte Parteien, die sie als Gründer, Gutachter und Scharfmacher lukrativ begleiten. Ein ernst zu nehmendes Beispiel ist die Gründung der AfD, an der gleich mehrere Professoren mitwirkten.
Auf der anderen Seite wirken Schüler*innen, Studierende und Wissenschaftler*innen zum Beispiel für eine tatsächliche Wende in der Klimapolitik oder strengere Waffengesetze. Hier ist das erfreulich Neue, dass sich und allen Bedeutung für die Veränderung der Mehrheitsauffassungen, -praxis und der Politik beigemessen wird.
Eine Renaissance von Aufklärung und Repolitisierung ist in Bewegung. Wissenschaft und Bildung haben dabei enorme Bedeutung, die gesellschaftlichen Streitfragen offensiv anzugehen: Menschenrechte, weltweite Entspannungspolitik, eine gerechte Zusammenarbeit von Nord und Süd, sozial-ökologische Nachhaltigkeit bei Energie, Verkehr und in der Produktion, sinnvolle Arbeit für alle und echte Sozialstaatlichkeit, Kollegialität und Fairness im Alltag werden in die Tat umgesetzt: Durch begründete Meinungsbildung, öffentliche Initiativen, klare Parteinahme und kooperative Problemlösung.
Ernst Cassirer (s.o.) war in der Weimarer Republik ab 1919 Professor der jungen Hamburger Universität, in den Jahren 1929/30 ihr Rektor und wurde als Gelehrter jüdischer Herkunft bereits 1933 vertrieben. Sein antifaschistisches Werk „Vom Mythus des Staates“ war eine scharfe humanistische Kritik an der elitären, romantischen und idealistischen Philosophie und Wissenschaftstradition. Konsequente Erinnerung in diesem Jubiläumsjahr der Universitätsgründung sollte sein: Bildung und Wissenschaft sind am besten ganz und gar auf eine bessere Gesellschaft orientiert.
„Die Menschheit steht vor einer großen Entscheidung. Sie kann, durch den Triumph betrügerischer Gewalt, um Jahrhunderte, ja um Jahrtausende in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden und der moralischen Verzweiflung an sich selbst verfallen. Oder sie kann, durch schwere Heimsuchung belehrt, einen großen Schritt vorwärts tun in ihrer sozialen Bildung und Vervollkommnung.“