Home › Publikationen › Flugblatt von Liste LINKS und harte zeiten mit SDS* vom
Niemand ist ausgenommen
Alle sind verantwortlich
„Letztlich ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kolonialismus eine Kränkung des westlichen Narzissmus: Lange waren viele Europäer der Meinung, Bildung, Fleiß und die protestantische Ethik seien der Grund für die Dominanz Europas über den Rest der Welt. Dabei steht die gewaltsame Ausbeutung am Beginn der europäischen Moderne.“
AutorInnengruppe, „Muß Bismarck stürzen?“, „SPIEGEL“ Nr. 26/20.6.2020, S. 104-107, hier S. 107.
„Das braune Netzwerk aber war und ist nicht angeklagt. Es ist das Netzwerk, zu dem wohl auch der oder die Mörder des Regierungspräsidenten Lübcke gehören. Ein gewaltbereiter und gewalttätiger Rassismus hätte frühzeitig stigmatisiert werden müssen. Es wäre gut gewesen, wenn das Verfassungsgericht das schon 2003 getan hätte. Damals lief das erste von zwei erfolglosen Verbotsverfahren gegen die NPD. Der Staat hat dem neonazistischen Treiben so lange zugeschaut, bis sich der Neonazismus mit dem aggressiven Rechtspopulismus vermischt hat.
Volksverhetzende Pegida-Parolen konnten jahrelang folgenlos gebrüllt werden. Die wehrhafte Demokratie wehrte und wehrt sich zu wenig; sie schläft zu viel und hält das Schnarchen für Aktivität. Sie tut so, als wäre Meinungsfreiheit auch die Freiheit zur Gewaltvorbereitung. Aber: Den Gehässigkeiten darf man in einem demokratischen Rechtsstaat nicht nachgeben. Pöbler dürfen nicht den Eindruck haben, sie müssten nur lange genug pöbeln, bis ihnen die Politik um den Bart geht. Nein, Schmähungen gehören nicht zur Meinungsfreiheit.“
Heribert Prantl, „Schwarz, rot, braun: Alltäglicher Rassismus in Deutschland“, „Hamburger Abendblatt“ (Gastkommentar), 22.6.2020, S. 2.
„Abendblatt: Was wäre Ihr Wunsch für Hamburg und die Aufarbeitung hier?
Zimmerer: Hamburg war und ist die Kolonialmetropole Deutschlands. Wir haben so viele Erinnerungsorte, die wir nutzen sollten. Das muss umfassender geschehen – auch unter Einbeziehung des neuen Hafenmuseums. Das muss ein modernes Museum für die koloniale und die postkoloniale Globalisierung werden. Und wir müssen selbstkritisch sehen, wo wir stehen: 2014 haben wir uns innovativ an die Aufarbeitung des kolonialen Erbes gemacht. Damals lagen wir europaweit vorn, inzwischen sind andere ambitionierter. Unsere Forschungsstelle an der Universität, die europaweit einmalig ist, hat nur noch eine Laufzeit von drei Jahren. Damit können wir keine großen Forschungsprojekte organisieren, die grundlegenden Fragen nicht erforschen.“
Der Hamburger Historiker Prof. Jürgen Zimmerer im Gespräch mit dem „Hamburger Abendblatt“, 18.6.2020.
Die bösartig negativen Elemente Jahrhunderte währender Zivilisationsgeschichte sind nicht einfach vergangen, keineswegs überwunden. Die kritischen Lehren aus der Kolonialgeschichte, zwei Weltkriegen, brauner Diktatur sind nicht gelernt, gesellschaftlich ernst genommen oder gar verwirklicht. Das Verdrängte kehrt stets zurück.
Rassismus widerspricht auf brutale Weise praktisch wissenschaftlichen Erkenntnissen, den Menschenrechten und auch den Grundrechtsartikeln des Grundgesetzes.
Die ideologisierte Ungleichheit bzw. Unwertigkeit der Menschen legitimiert (strukturelle) Gewalt und soziales Elend. Die braune Soße ist ein giftiges Herrschaftsgebräu. Wer auch nur davon nascht, ist schon verloren. Der Untertan tut sich und Seinesgleichen nichts Gutes. Egoismus jeglicher Art entfernt sich vom kooperativen und wesentlichen Mensch-Sein.
Das aufgeklärte Engagement – überall und zu jeder Zeit – für Frieden, internationale Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Bildung, Gesundheit und Kultur für Alle sowie das aufmerksame Wahrnehmen der Persönlichkeiten bilden die Perspektive, den Sinn, die praktische Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse sowie die Entwicklung angenehmer Subjekte.
Daraus werden Politik, die nicht falsch klingt, Wissenschaften, die ihrer sozialen Verantwortung entsprechen, Kunst und Kultur, die tiefgreifend lehrreich sind, alltägliche Begegnungen, welche unter die Oberfläche gehen und erfreuliche Mitmenschen, die wiederzusehen sich lohnt. Dafür ist es erstrebenswert, das Haus zu verlassen. Der gemeinsame positive Bedeutungsgewinn ist unermeßlich.
Niemand sei ausgenommen.