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Die Uni im Grindel! – Ein Statement der Vernunft
„Es ist eine Last, Atlas und Sisyphus in einer Person zu sein, das Himmelsgebäude tragen und immer neu vor dem Einsturz bewahren zu müssen, während Zeus in seinem Gleichmut dem Planeten längst einen anderen Ort zuwies, jenseits des großen Flusses, wo den Göttern ein neues Walhalla erstehen soll, das ihren Ruhm mehrt, aber verwaist bleiben wird.“
Peter Fischer-Appelt (Präsident der Universität Hamburg a.D.), Statement vor dem Wissenschaftsausschuß der Bürgerschaft, 16. Februar 2010.
Nach zwanzigmonatiger Kontroverse soll bald die Bürgerschaft entscheiden: Wird die Universität in Eimsbüttel bleiben? Die Experten-Anhörung vor dem Wissenschaftsausschuß wird den Abgeordneten aller Fraktionen die Entscheidung hierfür orientiert haben. Die Perspektive der „Universität in der Stadt“ wurde von ihrem ersten demokratisch gewählten Präsidenten, Peter Fischer-Appelt, mit Verve und Präzision entfaltet. Er wies nach, daß die riskante Vision, die Uni auf einer isolierten, „schlickgefüllten Marschinsel“ mitten im immissions- und lärmträchtigen Überseehafen anzusiedeln, dem Interesse geschuldet ist, den großspurigen „Sprung über die Elbe“ nicht scheitern zu lassen. Der maß- aber nicht alternativlose Plan werde die Stadt mindestens 4,1 Mrd. Euro kosten, während die Universität, wissenschaftsfeindlich traktiert, einen „Absturz ins Bodenlose“ erwarte. (Eine zeitgemäße Erweiterung im Grindel hingegen müßte den Kostenpunkt von 630 Mio. Euro nicht überschreiten.) Auch die avisierte Teilverlagerung der MIN-Fakultät halte keiner Prüfung stand: Sie sei „dysfunktional“, weil die Fächer die erschütterungsreiche Hafenlage nicht vertrügen bzw. auf andere Standorte (Kl. Flottbeck, Bahrenfeld, Jungiusstraße) festgelegt seien; die verlängerten Wege seien unzumutbar.
Wesentlich sei dagegen, daß im Grindel „die singuläre Konstellation von bürgerlichem Engagement und demokratisch-republikanischen Geist [...] spannungsvoll vorantreibend in der Mentalität von Stadt und Universität“ lebe. Hier finde sich eine urban lebendig integrierte Universität („Wissensgesellschaft“): die historische „Symbiose zwischen jüdischem Bürgertum und akademischer Gelehrtenwelt“ und die überregionale Anbindung durch den nahen Fernbahnhof. Die Universität spanne ein Dreieck zwischen Geomatikum und Philosophenturm – den Erweiterungsbauten des demokratischen Aufbruchs und der sozialen Öffnung der Universität – hin zum Hauptgebäude, daß seinerseits eingereiht ist zwischen dem Denkmal des Begründers des öffentlichen Vorlesungswesens J.G. Büsch und dem Platz der jüdischen Deportierten, mithin zwischen Aufklärung und Barbarei: „Die Universität wird im Gedenken an beide Ereignisse diesen Platz (....), wenn Vernunft und Herz walten, niemals verlassen.“
Somit ist eine ständig bedeutsame Herausforderung an Bildung und Wissenschaft formuliert, die bewußt aufgenommen werden muß – für Aufklärung und Emanzipation.
Stadtplanerisch unterstützt wurde dies von Oberbaudirektor a.D. Egbert Kossak. Er betonte, daß im Grindel auf acht großen Freiflächen mit nur sechsgeschossigen Bauten enorme Möglichkeiten der Erweiterung bestehen, die modellhaft bewiesen und ohne Einschränkung für die Wissenschaft, ebenso ohne Nachteil für die Anwohner zu realisieren sind. Auch die große „Post“ in der Schlüterstraße könne erneut einbezogen werden. Er formulierte den möglichen Kompromiß, mit der seit 2001 politisch unterbundenen Modernisierung und Erweiterung im Grindel sofort zu beginnen und dann die Notwendigkeit einer zusätzlichen Fläche, z.B. am nordelbischen Klostertor, sachgerecht zu prüfen. Im Grindel, prognostizierte er, würde der Wegzug der Uni eine „Wüstenei schaffen, wie es der Zweite Weltkrieg nicht vermochte“.
Die fundamentalen Statements zerstreuten die Blütenträume der Umzugsbefürworter. Deren eintönig konkurrenzhaften Visionen einer „amphibischen Wissenschaftslandschaft“, der Uni als „Rennwagen“ und drittmittelsüchtiger „Exzellenz“ krönte das militante Gleichnis von der „Mobilmachung aller Kräfte“. „Modern – es kommt auf die Betonung an“, kommentierten Studierende.
Die kritische Feststellung, daß es in dieser Stadt derzeit keine Wissenschaftspolitik gibt, trieb die verantwortliche Senatorin aus dem Saal. Es sollte ihr also hinkünftig nicht mehr gelingen, die Uni von Verbesserungen für vernünftiges Bauen, soziale Offenheit, kooperatives Lernen und Forschen, demokratische Partizipation und zivilisierend engagierte Wissenschaften abzuhalten. Ihr Rücktritt ist naheliegend. Eine klare Positionierung des Akademischen Senats für eine wahrhaft zeitgemäße Erweiterung der Universität in Eimsbüttel sollte nun zügig erfolgen.
Das gemeinsame Eingreifen zum Besseren ist der beste Abschluß der deutlichen Kontroverse.