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Der strenge Staat
„Tradition, Heimat, Sprache und Geschichte verbinden und lassen uns Wurzeln schlagen. Sie wirken Entwurzelung, Vereinzelung und der Auflösung der Bindung zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft entgegen. Der Staat lebt vom sozialen Kapital der Gemeinschaft seiner Bürgerinnen und Bürger. Und von ihrer Loyalität zu den Grundwerten der Rechtsordnung.
Im Gegenzug gewährleistet er Schutz, Stabilität und Sicherheit. Hierfür bedarf es aber des öffentlichen Dienstes. Das Vertrauen der Bürger und ihre Loyalität bleiben nur so lange bestehen, wie der Staat leistungsfähig ist. Und das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und Rechtsstaatlichkeit staatlichen Handelns ist die Grundlage unseres Zusammenlebens. So sind Verfassung und Heimat einerseits und öffentlicher Dienst andererseits zwei sich ergänzende Stabilitätsanker für unser Land.“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), „Wir gemeinsam sind der Staat“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 28.6.2021, S. 8.
„FAZ: Wie bemessen Sie den Schaden, den die Pandemie angerichtet hat?
RUSHDIE: Ich glaube, viele haben das Vertrauen in ihre politische Führung verloren. Unter der früheren Regierung [der USA] war die Handhabung der Pandemie in den Vereinigten Staaten katastrophal. Jetzt haben wir eine effiziente Regierung, die sehr hart arbeitet, und die Leute reagieren gut darauf. Aber in einigen europäischen Ländern gibt es Führungskrisen. Natürlich in Großbritannien, aber auch Freunde aus Deutschland haben mich darauf hingewiesen, dass die Impfstoffknappheit ein schlechtes Licht auf die Regierung geworfen habe. Welche Langzeitschäden es geben wird, etwa für die Europäische Union, ist schwer vorherzusehen.“
Prof. Dr. Jochen Hellbeck, „Unermessliches Elend“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 21.6.2021, S. 7. Der Autor lehrt russische und europäische Geschichte an der Rutgers University (New Jersey, USA).
„Die Pandemie hat ihren Höhepunkt überschritten. Die Infektionswelle ebbt ab und immer mehr Menschen sind geimpft. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden aber noch lange spürbar sein.
Der notwendige staatliche Rettungseinsatz – Soforthilfen, Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen – war teuer. Die Zeche der Krise beläuft sich auf rund 1,5 Billionen Euro. Die Schuldenbremse zwingt die Kassenwarte schon bald, jedes Jahr über 10 Milliarden Euro in die Tilgung der Corona-Schulden zu stecken. Doch wer soll das bezahlen? Zu Recht diskutiert die Republik darüber, die Profiteure der Krise zur Kasse zu bitten.“
Dierk Hirschel (Leiter des Bereiches Wirtschaft bei ver.di), „Das war längst überfällig / Globale Mindeststeuer für Amazon & Co. geplant“, „ver.di publik“ 4·2021, S. 15.
„Die an den Untertanen meistern wollen, wollen die Fixsterne um die Erde drehen, bloß damit die Erde ruhe.“ (166)
Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft K (1793-1796).
Der neoliberale Staat ist aktiv, er privatisiert: beispielsweise die Krankenhäuser, die Seniorenheime, auch Wasser- und Elektrizitätswerke ebenso Grund und Boden. Er kommerzialisiert das gesellschaftliche Leben von A bis Z, und mensch wundert sich (eigentlich nicht), warum nichts mehr richtig funktioniert und die MitarbeiterInnen in den teils privaten, teils öffentlichen Einrichtungen der allgemeinen Daseinsvorsorge überarbeitet bzw. unzufrieden sind.
Die Lockdown-Politik infolge der Corona-Pandemie schränkt das gesellschaftliche Leben respektive die Grundrechte empfindlich ein: Notwendige Arbeiten in Produktion, Handel und Dienstleistung sollen und dürfen verrichtet wer- den. Die Politik der Eindämmung verbannt ansonsten aufs Sofa. Die Mund-und-Nasen-Maske wird zum Symbol der Anonymität und der Folgsamkeit. Die Folgen sind erhöhte Staatsaufwendungen und dennoch gesteigerte Erwerbslosigkeit, Insolvenzen, Entwicklungs- und Lerneinbrüche bei Kindern und Jugendlichen sowie vermehrt häusliche Gewalt und depressive Erkrankungen. Der „Preis“ der Restriktionen ist hoch.
Da ist nicht verwunderlich, wenn von konservativer Seite „Loyalität“ gegenüber dem Staat gefordert wird, da an dem neoliberalen Dogma von Privatisierung, Kommerzialisierung und „Eigenverantwortung“, d.h. auch an seinen deformieren- den Folgen, nichts geändert werden soll.
Loyal ist regierungstreu, ursprünglich gegenüber dem König, der Krone – also eine untertänige Haltung. Dafür ist sicher förderlich, an die Heimat und an die Ordnung und an das Glück neuer Backrezepte zu glauben.
Dagegen spricht unzweideutig, daß die Menschenwürde in einer demokratisch gemeinten Gesellschaft, in einem grundrechtlich proklamierten Sozialstaat, nicht durch verordnete Passivität und Anspruchslosigkeit – im Vertrauen auf einen gütigen Staat – zu realisieren ist.
Vielmehr sind durch eine angemessene und bedarfsgemäße Steuer- und Steuerungspraxis die demokratischen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung zu realisieren. – Besser und menschengerechter als vor der Lockdownkrise.
Das betrifft den ganzen Menschen und sollte vermehrt – persönlich und gemeinschaftlich – zum Ausdruck kommen.
Zu diesen positiven Zwecken sollten auch die Wissenschaften ihre Home-Office-Bude verlas- sen. Die Welt ist groß und veränderbar. Jedes Aufrichten ist von bemerkenswertem Vorteil.
Der Mensch war, ist und bleibt ein gesellschaftliches Wesen.