HomePublikationen › Flugblatt von Liste LINKS und harte zeiten mit SDS* vom

Gegen „Long-Lockdown“:

Vor die Tür, hinaus ins Leben!

„Erhebliche soziale Kollateralschäden der Pandemie
Der Gemütszustand der meisten Deutschen hat sich in den Jahren der Pandemie merklich verschlechtert. Die große Mehrheit hat das Gefühl, in einer besonders unsicheren Zeit zu leben, überdurchschnittlich verunsichert sind die schwächeren sozialen Schichten, die ohnehin stärker von der Krise betroffen sind. Als besonders belastend werden die Einschränkungen sozialer Kontakte empfunden, insbesondere in der jüngeren Generation. Während am Anfang der Pandemie die Medienberichterstattung positiv beurteilt wurde, hat sich diese Einschätzung nahezu ins Gegenteil verkehrt. Auch hat sich das gesellschaftliche Klima nach der Meinung der weitaus meisten ins Negative verändert. Pessimismus und Frustration lassen das Verständnis für Proteste gegen die Coronamaßnahmen wachsen.“

Renate Köcher, „Institut für Demoskopie Allensbach“, in Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 26.01.2022.

„Aber alle versicherten mir, dass es nach dem Physikum spannender wird. Doch als ich die großen Prüfungen hinter mir hatte, brach die Pandemie über uns alle ein. (…) Schon ohne Pandemiebedingungen lastet ein großer Teil des Lernens auf unseren Studentenschultern. Die Lehre aber mehr oder weniger komplett auf uns abzuschieben ist für keinen von uns tragbar. Das heißt, dieser Teil der Lehre ist für mich verloren, es gibt keinen Nachholtermin. Ich werde diese medizinischen Fächer im Rahmen des Studiums nie in der Klinik erleben, nie Patienten mit jenen Erkrankungen sehen, nie so gut betreut unter dem Schutz als Studentin Anamnesegespräche [erfragte Vorgeschichte der Erkrankung] mit Patienten führen, nie erleben, wie der Klinikalltag aussieht, keinen gehabt haben, der mich an die Hand nimmt und sagt: Das zeige ich dir jetzt mal. (…) Die viele Zeit vor dem Computer und die fehlende Zeit im Hörsaal und in der Klinik zeigen nun nach zwei Jahren ihre Wirkung. (…) Wir sind die Ärzte von morgen und konnten aufgrund der Pandemie keine vollwertige Ausbildung genießen.“

Alice Pho Duc, „Ich fühle mich unausgebildet“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 15.5.2022, S. 9.

„Wieviele Erfahrungen vereinheitlichen wir in eine einzige, wenn wir den Begriff FREIHEIT machen. Das Zimmer ist voll Gestank und Rauch, der Tyrann befiehlt, die Mutter fleht, der Schuh drückt. Da sind immer Maßnahmen geboten. (…).“

Bertolt Brecht, „Die große Methode/Über die Begriffe“, „Me-ti/Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.

Der Campus einer Hochschule ist die Gesamtanlage der wissenschaftlichen Einrichtung, ein Begegnungsort für Viele und Vieles. Im guten Fall ein offener Ort in der Gesellschaft. Er war zwei Jahre lang verschlossen. Nicht wenige Erstsemester haben ihn in der Zeit nie gesehen.

Nun geht es wieder in Präsenz. Freiheit drängt zur gemeinsamen Bestimmung.

Die Eindämmung aber hat ihre Folgen hinterlassen, die nach und nach überwunden werden müssen.

Die Eindämmung mit ihrer Einschränkung der Grundrechte hat deutlich gemacht, wie wichtig, komplex und unverzichtbar das allseitige gesellschaftliche Leben für die Menschen ist.

Die Eindämmung hat gezeigt, daß die Menschen soziale Wesen (politisch, kulturell, arbeitend) sind, die auf Dauer nicht eingesperrt sein wollen.

Die Eindämmung hat hilflose PolitikerInnen bloßgestellt, die ihre Unzureichendheit mit dunklen Visionen und protestantischen Anordnungen zu überspielen versucht haben.

Die Eindämmung warf ein Licht auf das zermürbte Gesundheitssystem, die ungleichen sozialen Lagen in der Gesellschaft, die Mängel der sozialen Sicherungen, die Verwirrtheit in manchen Köpfen, den Mangel an Demokratie, die Langeweile des Sofas und die Isolation des Home-Office.

Zur Bilanz gehören aber auch: Der neu erkannte Wert der Grundrechte; die Bedeutung von Begegnungen im Alltag und am Arbeitsplatz; die (internationale) Solidarität; das gewerkschaftliche Engagement für Verbesserungen im Gesundheitssystem; eine aufblühende Friedensbewegung; das Wirken für den 8. Mai als Feiertag; die wachsende Vitalität auf dem Campus sowie die neue Nachdenklichkeit für die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaften zur Lösung globaler Probleme. So wird sich wieder aufgerichtet und – ohne Vergeßlichkeit – nach vorne geschaut, einschließlich einer wieder erwachten relevanten Wahrnehmung der Mitmenschen.

Alles in allem ebenso und sowieso: Der Schritt vor die Tür – die Unternehmungen mit Freude, Sinn und Verstand. Neue Möglichkeiten scheinen auf.