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Obszöne Ungleichheit oder
Dummdreist
„Unpopuläres muss nicht falsch sein. Einige Ökonomen fordern, die Mehrwertsteuer auf die geplante Gasumlage keinesfalls auszusetzen. Es gibt sogar den Vorschlag, die Umlage an sich zu erhöhen. Natürlich würde das die Bürger schwer treffen. Aber wenn das Sparen der richtige Weg ist, dann muss die Knappheit über den Preis drastisch spürbar werden.“
Christian Geinitz, „Verteuert das Gas!“, Wirtschaftskommentar in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (“FAZ“), 8.8.2022, S. 15.
Die tatsächliche Lage
„Rund 13 Millionen Menschen in Deutschland sind im vergangenen Jahr von Armut bedroht gewesen. Damit ist jeder sechste Bürger betroffen. Besonders hart trifft es nach neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes Alleinerziehende und Alleinlebende; von ihnen ist mehr als jeder Vierte armutsgefährdet, ebenso fast jeder zweite Arbeitslose und jeder fünfte Ruheständler. Der Anteil der betroffenen Kinder und Jugendlichen liegt leicht über dem Gesamtdurchschnitt.“
Jan Dörner, „13 Millionen Menschen in Deutschland droht Armut“, „Hamburger Abendblatt“, 5.8.2022, S. 4.
Diskrepanz
„In den letzten drei Jahren wuchs das Vermögen der Superreichen ins noch Öbszönere, die Hersteller von Yachten stehen vor dem Kollaps, die Kreuzfahrtindustrie boomt, der Verkauf von privaten Jets dito. Sie fragen, ob Deutschland verzichten kann? Und meinen damit die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Deutschland durch Niedriglohnarbeit zur beherrschenden Wirtschaftsmacht in Europa gemacht haben? Die Menschen, die kaum mehr Mieten zahlen können und bei Strom, Heizung und Wasser sparen müssen? Und gleichzeitig die Energiekonzerne retten müssen? Die Billiglohnarbeiterinnen und -arbeiter in den Fleischfabriken. Was macht eigentlich Tönnies? Lebt er noch? Oder meinen Sie wirklich nur mich – stellvertretend für die Menschen in der Kulturbranche, die in der Pandemie oft arbeitslos geworden sind oder fast ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld? Der Aufruf zur Sparsamkeit, um die jahrelangen Fehlentscheidungen einer durch Lobbyismus gestützten Politik abzufedern, ist unmoralisch. Er ist obszön.“
Die Schriftstellerin Sibylle Berg („Ich friere immer“) auf die Frage der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“) an die Autorin und elf KollegInnen „Können die Deutschen verzichten“, 7.8.2022, S. 33.
Mit kritischer Ratio
„Es kann also nicht alles ganz richtig sein in einer Welt, weil die Menschen noch mit Betrügereien regiert werden müssen.“ (387)
Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft B, 1768-1771.
Das soll also Wissenschaft sein: Der akademische Ökonom (erstes Zitat) mit deutlich überdurchschnittlichem Einkommen, mit Arbeitsplatz- und Rentensicherheit, hält mit der amtlichen Autorität seiner Profession für angemessen, die Brutalität von Armut, Demütigung und Ausschluß von gesellschaftlicher Teilhabe von Millionen Menschen (zweites Zitat) noch weiter verschlimmern zu sollen. Wissenschaft, auch und gerade in ihren politischen Vorschlägen und Interventionen, sollte eigentlich an der Aufklärung, dem Problemlösungsbeitrag sowie an einigen wesentlichen Grundzügen des Grundgesetzes (Menschenwürde, Allgemeinwohlverpflichtung des Eigentums, Sozialstaat, Persönlichkeitsentwicklung, Friedensgebot) verbindlich orientiert sein.
Zumal es ökologisch wenig rational ist, von Gas als Übergangsressource zu den regenerier- baren Energien auf (Braun-)Kohle und möglicherweise die Verlängerung der Kernenergie aus machtpolitischen Gründen wieder zurück- zusteigen. (Aus Furcht vor den drohenden Gaspreiserhöhungen werden jetzt in großer Zahl elektrische Heizlüfter gekauft.)
Die Energiekonzerne haben derweil höchste Gewinne zu verzeichnen. Eine „Übergewinnsteuer“ wird hingegen von der FDP strikt abgelehnt.
The winner takes it all.
Dabei sind die zu geringen Steuern auf Gewinne und Vermögen, die für allgemeine und öffentliche Aufgaben (Infrastruktur, ökologischer Umbau, Gesundheit, Bildung, Soziales, Kultur/siehe drittes Zitat) dringend benötigt werden, das eigentliche politische, soziale und ökonomische Problem.
Gleichfalls die prekären Beschäftigungsverhältnisse – auch in den Hochschulen – sind persönlich entwürdigend, fachlich schädlich und ökonomisch dysfunktional.
Wer ein geringes Einkommen hat bzw. unsicher beschäftigt ist, hat geringe Kaufkraft und zahlt wenig Steuern und Sozialabgaben (was die Kapitaleigner ohnehin nur geringfügig tun und mit politischer Unterstützung stets zu vermeiden versuchen). Darüber hinaus ist ein schlechtes Arbeitsverhältnis nur geringfügig motivierend für die jeweilige Tätigkeit.
Somit liegt also Vieles im Argen und widerspricht menschenwürdigen Grundsätzen, gesellschaftlicher Vernunft und wachsenden respektive begründeten Ansprüchen an eine humane, demokratische und soziale Entwicklung. Übrigens: Auf der ganzen Welt und über die Börse und den Tag hinaus. Dies ist der Stoff, aus dem Engagement entsteht. Auch in der Bildung und in den Wissenschaften (siehe viertes Zitat).