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Schauen und Bauen:
Bessere Zeiten anbrechen lassen
„Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat sehr viel Großes hervorgebracht.“
Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher Heft G (234), 1770.
Der logische Verfall abgehoben kalkulierender Politik ist auch an verdrehter Vernunft ablesbar: „Wünschenswert wäre der Umzug schon. Aber er ist nicht bezahlbar“, so der blasse Bürgermeister, als er mit den Sparbeschlüssen auch den Verbleib der Uni in Eimsbüttel verkündete. Ein (unbestimmter) dreistelliger Millionenbetrag solle investiert werden. Ein „Sondervermögen Hochschulbau“, in dem alle Hochschulbauten Hamburgs zusammengefaßt werden sollen, wird hierfür als Lösung gepriesen. Allerdings sollen die Hochschulen darüber die Immobilien zur Finanzierung beleihen, also erklecklich Schulden anhäufen und Zinsen zahlen. Gleichwohl, daß dies die krisenursächlichen spekulativen Geschäfte der Banken noch befeuern dürfte, ist nicht ersichtlich, wie die Hochschulen, die ja kaum Einnahmen „machen“, die entstehenden Kosten decken sollten. Bekanntlich sind insgesamt rund 800 Mio. Euro für Sanierung und Erweiterung nach sozialem und wissenschaftlichem Bedarf nötig.
Weniger geschäftstüchtig, dafür aber zeitgemäß ist (historische)‚Rücksicht’ die eigentliche Quelle einer vorausschauenden Planung: Die Universität Hamburg ist entgegen aller großbürgerlich gewollten „Weltgeltung“ vor allem mit den demokratischen Aufbrüchen von 1918/19, 1945 und 1968 positiv verbunden. Ihre Widmung am Hauptgebäude - „Der Forschung. Der Lehre. Der Bildung.“ - gilt demgemäß sinngebend: Den Menschen. Mit dieser Haltung gelang in den 1960er Jahren durch soziale Bewegung der Durchbruch zur Demokratischen Massenuniversität. Das ist sie - entgegen allen Effizienz-, Exzellenz- und somit Konkurrenzforderungen der letzten Zeit - auch heute. Sie kann anders nicht sein: Die produktive Einheit von Bildung und Demokratie für eine friedliche und ebenso sozial wie ökologisch sorgsame Menschheitsentwicklung macht solche öffentlichen Einrichtungen unabdingbar. (Dafür ist die Befreiung vom Output-Diktat durch Ba/Ma, Studiengebühren, Drittmitteljagd und verwertungskonformer Wissenschaft relevant.)
Wichtig ist also die politisch-demokratische Verfügung und die intellektuelle Aneignung des humanistischen Erbes der Uni durch ihre Mitglieder. Ebenso baulich ist dies als Auftrag symbolisiert: durch die Verankerung im jüdischen Viertel, durch die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand der Weißen Rose und an verfolgte WissenschaftlerInnen, mit Allende-Platz und Martin-Luther-King-Platz - beide Signaturen internationaler Solidarität - sowie durch die Staats- und Universitätsbibliothek „Carl-von-Ossietzky“ (samt Wolfgang-Borchert-Archiv) mit ihrem Sammlungsschwerpunkt Friedensforschung. Die soziale Öffnung zur demokratisierten Wissenschaft findet in den signifikant nüchternen Großbauten (z.B. Audimax und Philturm) von egalitärer Funktionalität Ausdruck.
Die machtbeflissene Senatorin wollte die Entwurzelung einer lebendigen Universität zur glitzernden Aufwertung der seelenlosen Hafen-City. Sie hat damit die Entwicklung der Uni behindert und auch sonst nichts Sinnvolles zuwege gebracht.
Der Akademische Senat, die Initiative „Die Universität soll bleiben!“ (mit rund 22.000 Unterschriften), die Bezirksverwaltung, die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung, die Universitätsgesellschaft und andere Mitwirkende für die positive Entscheidung können nun an einer besseren Zukunft bauen: Nicht mit monströsen Einzelleistungen und profitabler Oberflächlichkeit, sondern mittels eines Forums für eine kritische Öffentlichkeit; in menschenfreundlichem Ensemble mit wissenschaftlichem Gebrauchswert sollte die Hochschule (architektonisch) weiterentwickelt werden.
Die Stadtrepublik Hamburg hat hier eine wesentliche Gestaltungsaufgabe, der sie sich auch finanziell nicht entziehen darf. Wer steht dem im Wege?