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Ba/Ma: Soll die „Reform der Reform“ versanden?

„Und das Lernen des Schauspielers muß zusammen mit dem Lernen der anderen Schauspieler, sein Aufbau der Figur mit dem Aufbau der anderen Figuren vorgenommen werden. Denn die kleinste gesellschaftliche Einheit ist nicht der Mensch, sondern zwei Menschen. Auch im Leben bauen wir uns gegenseitig auf.“

Bertolt Brecht, „Kleines Organon für das Theater“, 1954.

Erfahrungsgemäß bewirkt der gespreizte Ellenbogen keine gute Haltung. Wer sich so bewegt, hat wenig Freude und Freunde. Das gilt auch in der Universität.

Nimmt man sich vor, daß ein sozial gesichertes Leben, menschenwürdige medizinische Versorgung, alle fördernde Kitas und Schulen, gute Arbeitsbedingungen, einladende erkenntnisfördernde Museen, echte demokratische Mitbestimmung, sichere und bezahlbare Mobilität, vernünftiger Ressourcenumgang und zivile Internationalität zu erreichen sind, haben Bildung und Wissenschaft beziehungsweise ihre Subjekte Vernünftiges zu tun.

So ist auch verantwortlich zu erkennen, daß Fortschritt für die Gesellschaft der eingreifenden Sozialkritik bedarf. Kooperation ist produktiver, als sich alleine „durchzuschlagen“.

Somit ist Lernen unter Zeitdruck, das Abarbeiten von Fertigmodulen, Studieren in strengen Curricula (mit kleinem „Wahlbereich“), der Zwang zur Anwesenheit, das Training zur Selbstvermarktung (ABK) und die Selektivität der Zulassung zur Uni, beim Übergang zum Master bzw. später zur Promotion, von erheblichem Schaden für sinnvolles Lernen.

Nun gibt es seit über einem Jahr - infolge massiver studentischer Proteste - die politischen Bemühungen zur „Reform der Reform“. In Hamburg sollen etwas weniger Kontrolle, weniger Prüfungen und etwas längere Regelstudienzeiten gnädig erlaubt werden. Mit einer entsprechenden gesetzlichen Änderung will Wissenschaftsverwalterin Gundelach das Bachelor-Master-Studium inklusive seiner sturen Verwertungsorientierung vor schärferen Protesten retten. Die substantiellen Probleme sollen aber bleiben.

Sie sind hingegen nur zu beheben, wenn

— Studienreform keine Maßnahme zur Einsparung von Stellen mehr ist, sondern die Hochschulen bedarfsgerecht öffentlich finanziert werden;
— die Regelstudienzeiten keine Legitimation für Exmatrikulationen mehr sind, mit der Studierende möglichst schnell auf den Arbeitsmarkt gezwungen werden sollen, sondern mündige Studierende über ihre Studiengestaltung selbst entscheiden;
— niemand vermittels selektiver Zulassung zum Master zu einem „qualifizierten Studienabbruch“ (Bachelor) gezwungen wird;
— dafür die sozialen Hürden durch Gebührenfreiheit und höheres BAföG abgebaut werden;
— lernendes Forschen und forschendes Lernen als gemeinsamer Entwicklungsprozeß von Lehrenden und Studierenden begriffen wird; (damit ist Noten-Gebung Unsinn.)
— Lehrende engagierte Didaktiker werden, die keine Anwesenheitspflicht brauchen;
— die Studienreform in demokratisch legitimierten Gremien unter gleichberechtigter Beteiligung aller Gruppen erfolgt.

Vor allem aber sollte das universitäre Leitbild für die Studienreform praktisch relevant sein: Völkerverständigung, Demokratie und sozialer Fortschritt sowie kritische Urteilsfähigkeit, wissenschaftliche Selbstständigkeit und Solidarität sollten an die Stelle der immergleichen standortideologischen Doktrin von der „Berufsfähigkeit“ treten. Sollte dies innerhalb des Bachelor-Master-Systems nicht zu realisieren sein, besteht die Option, die vorherigen Studiengänge wieder einzuführen und diese vernünftig zu reformieren. (Der Bachelor kann darin ein freiwilliges qualifiziertes Zwischenzeugnis sein.)

Realistisch ist jede Möglichkeit, die ergriffen wird. Es kann sofort damit begonnen werden.