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Wider die Erschöpfung:

Solidarische Entfaltung!

Deformation
„Der arbeitsbezogene Erschöpfungszustand ist seit Januar eine von der Weltgesundheitsorganisation klar eingestufte Diagnose und offiziell als Syndrom definiert. Stress am Arbeitsplatz nicht gut zu verarbeiten und damit weniger leistungsfähig zu sein, das betrifft immer mehr Menschen. So meldeten die Krankenkassen für 2021 knapp 200.000 gesetzlich versicherte Burnout-Betroffene, die zu rund 4,8 Millionen Krankheitstagen führten. (…) Ein dunkles Dreieck befeuert die Gefahr, dass Mitarbeiter erschöpfen, sagt [die Psychologin Ivon] Ames, bestehend aus einem geringen Handlungsspielraum, hoher Arbeitsintensität und geringer sozialer Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen.“

Ursula Kals, „Ich kann nicht mehr“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 6.5.2023, S. 33.

Keine Lösung
„So gibt es heute Firmen, die sich allein dem Thema »Diversity« oder »Empowerment« widmen, mal in Form einer Eventfirma, mal als Beratungsunternehmen. Sie waschen Produkte und Unternehmen pop-feministisch rein. Was der Kunde bekommt? Eine Pause von den Gewissensbissen.
Auch wenn dieser Textilkonzern Frauen und Kinder ausbeutet. Aber der CEO ist immerhin eine Frau. (…) Wie treffend eine Regierung mich repräsentiert, ist nicht davon bestimmt, wie viele Frauen, sondern wie viele Linke darin sitzen. Wie sinnvoll ich eine politische Maßnahme finde, mache ich nicht daran fest, wer sie ausführt, sondern wem sie nützt.“

Andela Cagalj, „Bequem engagiert“, „der Freitag“, Nr. 18/4.5.2023, S. 11.

Perspektive
„Was aber ist die große Aufgabe unserer Zeit?
Es ist die Emanzipation. Nicht bloß die der Irländer, Griechen, Frankfurter Juden, westindischer Schwarzen und dergleichen gedrückten Volkes, sondern es ist die Emanzipation der ganzen Welt, absonderlich Europas, das mündig geworden ist und sich losreißt von dem eisernen Gängelbande der Aristokratie. Mögen immerhin einige Renegaten der Freiheit die feinsten Kettenschlüsse schmieden, um uns zu beweisen, daß Millionen Menschen geschaffen sind als Lasttiere einiger tausend privilegierter Ritter; sie werden uns dennoch nicht davon überzeugen können, solange sie uns, wie Voltaire sagt, nicht nachweisen, daß jene mit Sätteln und diese mit Sporen an den Füßen zur Welt gekommen sind.“

Heinrich Heine, „Reise von München nach Genua“, 1828.

Umfänglich schädliche Beschwichtigungen: Es sei alles nicht so schlimm, man habe selber Schuld und dürfe nicht auffallen; andere könnten es besser, anderen ginge es schlechter; ein bißchen
Yoga helfe schon, man müsse Erträglichkeit aufbauen; irgendwann werde es besser…
– der strukturell bedingte negative Stress schwindet und schwindet nicht.

Die quälend steigende Arbeitsintensität, zu wenig MitarbeiterInnen, keine ausreichende Bezahlung, eine mangelhafte Mitbestimmung sowie isolierte Arbeitsvorgänge sind unmenschlich und erschöpfend.

Hinzu kommen eine allseits gereizte und auch militarisierte Gesellschaft, eine drückende Inflation, die ungelöste Klimakrise sowie Regierungen, die mehr (Allgemeinwohl) versprechen als sie tatsächlich politisch realisieren. Im Gegenteil: Die Übel werden unter Kompetenz suggerierenden Inszenierungen weitgehend fortgesetzt.

Die Alternative: Nicht alles glauben. Sich keine Schuld einreden lassen. Nichts beschönigen.
Jegliche Isolierung meiden. Unmut äußern. Kritik entwickeln. Sich gemeinsam engagieren.

Adäquate Löhne, mehr Personal, kooperative Arbeitsvorgänge, substanzielle Mitbestimmung und nicht zuletzt die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich mindern den negativen Stress und Erschöpfungszustände, erhöhen die praktische Würde, die allgemeine Kaufkraft und die Einnahmen der Sozialkassen.

Die Beendigung von Kriegen, Militärpropaganda und Aufrüstung ermöglichen eine neue Dimension ziviler internationaler Entwicklung, menschengerechtem Unterricht, aufgeklärter Publizistik und eine dem gesellschaftlichen Bedarf angemessene öffentliche Entfaltung der Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Kultureinrichtungen. Es sollte beispielsweise auch niemand mehr über Wege holpern müssen.
Dies alles und noch viel mehr liegt, vernünftig gewollt, in unseren Händen.

Ein entsprechendes Engagement ist vielerorts und zu allen Zeiten möglich. Nur die Geduld mit den groben Unzulänglichkeiten bzw. ihren Verursachern mag erschöpft sein.

Den Wissenschaften, den Hochschulen, ihren Subjekten sei nachdrücklich in diesem Zusammenhang empfohlen, sich rational engagiert zunehmend um die wesentliche Minderung der Mühsal der menschlichen Existenz zu bekümmern. Darin besteht die tägliche Beantwortung der humanen Sinnfrage. Lernen bildet. Bildung gestaltet. Gestaltung befreit.