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1968 und Weiteres

Positive Anhaltspunkte in der jüngeren Geschichte

Zur wertenden Erinnerung
„Hamburg. Es ist der 9. November 1967, als im Audimax der Universität Hamburg Geschichte geschrieben wird. Beim jährlichen Festakt zum Rektoratswechsel entrollen zwei Studenten in dem Saal ein Transparent, das später deutschlandweit zum Symbol für den Aufstand der Studenten gegen verkrustete Strukturen an den Hochschulen des Landes werden soll, für die Zeitenwende – und für die 68er-Bewegung schlechthin. Die Jura-Studenten Detlev Albers und Gert Hinnerk Behlmer, 23 und 24 Jahre alt, haben ihren Coup gut vorbereitet. So können die anwesenden Zivilpolizisten in dem mit 1700 Menschen bis auf den letzten Platz gefüllten großen Hörsaal nicht verhindern, was dann geschieht.
Universität Hamburg: Slogan wird zum bekanntesten der Studentenbewegung
Als der bisherige Rektor Karl-Heinz Schäfer und sein Nachfolger Werner Ehrlicher in ihren Talaren mit einem Tross von Professoren einziehen, schieben sich Albers und Behlmer vor den Zug und entrollen das Transparent, auf dem der Slogan steht, der zum bekanntesten der westdeutschen Studentenbewegung werden sollte: „Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“.
„Die Professoren konnten das Tuch von hinten natürlich nicht lesen und gingen daher nach kurzem Zögern feierlich hinter uns her“, erinnert sich Behlmer später im Abendblatt.“

Insa Gall, „68er: Als die Lage in Hamburg eskalierte und Steine flogen“, „Hamburger Abendblatt“, 30.7.´23.

Bildung und soziale Teilhabe
„Menschen mit geringer Bildung haben häufig ein geringeres Haushaltseinkommen als Menschen mit höherer Bildung – und das prägt auch die Verhältnisse für ihre Kinder. Wie stark sich etwa ein fehlender Berufsabschluss auswirkt, zeigt nun eine Auswertung, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlicht hat: 37,8 Prozent der Kinder mit niedrig qualifizierten Eltern galten hierzulande im vergangenen Jahr als statistisch armutsgefährdet. Der Anteil der Betroffenen in dieser Gruppe ist damit mehr als zweieinhalb mal so hoch wie im Durchschnitt der Bevölkerung. Insgesamt zählen 14,8 Prozent der Kinder in Deutschland, etwa 2,2 Millionen an der Zahl, als armutsgefährdet.“

Dietrich Creutzburg, „Bildung der Eltern prägt das Armutsrisiko der Kinder“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 27.7.´23, S. 15.

Schüttelreim, der rüttelt
„Es war einmal ein Aal
Der meinte, er sei aus Stahl
Er ging in vollem Frieden
Stracks in ein Waffenarsenal
Und bat, man solle fürs Vaterland
Einen Ehrendolch aus ihm schmieden.
Es heißt, daß er´s nicht überstand.“

Bertolt Brecht, „Tierverse“, Gedichte 1934-1939.

Es war einmal eine Taube
die fürchtete, man raube
ihr täglich den Verstand
weil sie den Frieden richtig fand.
So startete sie geschwind
im frischen Aufwärtswind
und machte mit ziviler Kunde
über dem Globus ihre Runde.

Noch eine Mitteilung zur deutenden Kenntnis: Der Zuwachs an Sozialleistungen in der Bundesrepublik Deutschland blieb im letzten Jahr hinter dem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zurück. Der Anteil ist demnach von 32 Prozent im Jahr 2021 auf 30,5 Prozent gesunken. Die Militärausgaben wachsen dagegen.

1968 war mehr als nur ein antiautoritärer Aufstand von Studenten. Er war politisch ein Widerstand gegen den Vietnamkrieg der USA, ein Kontra wider die Restauration der alten Eliten nach Faschismus und Krieg, eine Opposition gegen die Notstandsgesetze, ein Wirken gegen die Unterfinanzierung der Ordinarienuniversitäten, für die soziale Öffnung und demokratische

Strukturierung der Hochschulen sowie für gesellschaftlich verantwortliche Wissenschaften und Bildung.

Dieser Aufbruch erfaßte – in vielen Ländern – die gesamte Gesellschaft und führte – im Einklang mit gewerkschaftlichen Aktivitäten – zur sozialliberalen Koalition mit auch ihrer Entspannungspolitik, von der sich Sozialdemokratie, Grüne und Gewerkschaften heutzutage ruhig eine Scheibe abschneiden könnten. Der aktuelle Sozialstaat und die Arbeits- und Lohnverhältnisse sind, gestützt auf diese gesellschaftlichen Erinnerungen, dringend verbesserungsbedürftig.

Die Schulen und Hochschulen leiden nicht zuletzt an einer chronischen Unterfinanzierung. Damit teilen sie das (noch nicht überwundene) neoliberale Los mit anderen öffentlichen Einrichtungen (Verkehr, Theater, Museen, Bibliotheken und Gesundheitswesen).

Schon allein der Verzicht auf die neurotisch hohen Militärausgaben sowie eine konsequente Steuerfahndung würden – sozial und kulturell sinnvoll eingesetzt - erhebliche Abhilfe schaffen und die dadurch realisierte (Um-)Gestaltung die tatsächlichen Lebensbedingungen erheblich verbessern.

Dafür ist ein neuer Drive gesellschaftlichen Engagements ganz gewiß förderlich.

Die Hochschulen sind ein kultureller Organismus, der wieder mehr und mehr zu positiver gesellschaftlicher Bedeutung gestaltet werden kann.

Die (fortgesetzte) Reformierung des dressurähnlichen Bachleor-/Master-/Systems zu einem aufgeklärten und persönlichkeitsbildenden Studium als die Bildung solidarischer Subjekte, die Behebung der Unterfinanzierung, die Neubelebung der demokratischen Teilhabe sowie die rationale Einmischung in die gesellschaftliche Entwicklung mögen relevante Orientierungspunkte für erforderliche Veränderungen respektive das eigene und gemeinsame Engagement sein.

„´68“ fiel nicht vom Himmel, sondern entstand dynamisch aus dem kritischen Bewußtsein für die Realisierung menschenwürdiger Lebensbedingungen. Möglichkeit wird so Wirklichkeit.