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Ein fürchterlicher Senat: Zeit zum Eingreifen
„Patriarch: (...)
Auch mach ich ihm gar leicht begreiflich, wie
Gefährlich selber für den Staat es ist.
Nichts glauben! Alle bürgerlichen Bande
Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn
Der Mensch nichts glauben darf. - Hinweg! hinweg
Mit solchem Frevel! ...“
Gotthold Ephraim Lessing, „Nathan der Weise“, vierter Aufzug, zweiter Auftritt (1779).
Was soll das Ganze? Der Glaube an größtmögliche Gewinne („Wachstum“) sei wieder einmal ohne Alternative. So betet die schwarz-grüne Koalition es vor und will 406 Millionen Euro der öffentlichen Verwaltung sowie den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur wegmähen. Wohltuend realistisch wäre für Hamburg stattdessen beispielsweise, durch eine Besteuerung großer Vermögen zusätzlich eine Milliarde Euro pro Jahr für die öffentlichen Kassen einzunehmen.
Aber geht es nach dem Postenbündnis im Rathaus, bleiben Kitas teuer. Förderungen für Jugendverbände und Azubis sowie Mehrausgaben für Schulen seien verzichtbar. Für die Hochschulen sind - bei gleichbleibender Unterfinanzierung, fortgesetzt Gebühren und kommerziellen Erwartungen an die Wissenschaft - keine Kürzungen geplant. Doch das Studentenwerk soll auf Kosten von Wohnen, Beratung sowie vernünftiger Mensapreise zur Ader gelassen werden. Den Theatern wird der Spielraum nicht zuletzt für Neues und Zeitkritisches genommen. Die Kulturfeindlichkeit des Senats offenbart sich vollends darin, daß die öffentlichen Museen erstmals seit Kriegsende sämtlich keine besonderen Ausstellungen durchführen können. Und das Altonaer Museum sei für 3,5 Mio Euro „Einsparungen“ einzumotten.
Alles in allem ist dieses Programm engstirnige Beharrung auf der imperial-kommerziellen Ausrichtung der Stadt. HafenCity sei Kultur - auch wenn die von Boston bis St. Petersburg gleich aussieht (und kostet). Zur Legitimation der mißlichen Gegenwart werden Geschichte und Zukunft der Gesellschaft verzerrt.
Zwar hat diese Politik ihren Zenit überschritten, aber die Koalition verfolgt mit ihrer Krämer-Barbarei den simplen Zweck, die Bevölkerung einer der reichsten Städte der Welt in unproduktiven Zwist zu verstricken, damit begründete Ansprüche auf ein besseres Leben nicht kollektiv zur Geltung gebracht werden. Ein durchsichtiges Manöver, dem am besten solidarisch, mit kritischem Verstand und weitreichenden Forderungen begegnet wird.
Einer der lebendigsten Widersprüche dieser Zeit ist dagegen, daß fast alle satt haben, was fast niemanden satt macht. Soziale Politik, aufgeklärte Künste, demokratische Bildung, gesellschaftlich verantwortliche Wissenschaft und dafür engagierte Menschen stoßen bisweilen auf knickerige Gegenwehr des Establishments: „Jener Schatzgräber war ein sehr unbilliger Mann. Er wagte sich in die Ruinen eines alten Raubschlosses und ward da gewahr, daß die Eule eine magere Maus ergriff und verzehrte. »Schickt sich das«, sprach er, »für den philosophischen Liebling Minervens?«
»Warum nicht?« versetzte die Eule. »Weil ich stille Betrachtungen liebe, kann ich deswegen von der Luft leben? Ich weiß zwar, daß ihr Menschen es von euren Gelehrten verlanget —«“ (G. E. Lessing, Fabeln, 1759.)
In Hamburg mahnt dagegen auf dem Gänsemarkt das Denkmal Lessings, der hier im 18. Jahrhundert für Theater und Museen als Bildungsanstalten aktiv war. (Ihnen fehlte das Geld zum Leben.)
Dorthin - vis à vis der Finanzbehörde - rufen Gewerkschaften zur Kundgebung auf. Bleibt zu bedenken: Der Reichtum für ein vernünftiges Gemeinwesen ist vorhanden. Emanzipation verbindet systematisches Erkennen mit den Lebensbedürfnissen der Mehrheit: Die Wissenschaft greift ein in die Politik.