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Nationaler Dünkel führt ins dornige Gestrüpp

Eine Klarstellung

Ein destruktiver Wüterich
„Bei seinem jüngsten Versuch, die Regierung auf seinen Migrationskurs zu zwingen, war er schon fast am Ziel. Die Ampel war bereit, ihm zu geben, was er wollte: Zurückweisungen von Migranten direkt an der Grenze. Doch Merz ließ die Gespräche platzen. Und nicht nur in der eigenen Partei fragen sich einige: Was hat ihn eigentlich geritten? (…) In einer aktuellen Umfrage sagen 69 Prozent der Deutschen, sie hielten Merz´ Vorgehen für Parteitaktik. Nur rund ein Viertel denkt, dass es ihm um die Sache geht. Selbst unter Unionsanhängern glaubt das nur gut die Hälfte. Merz stand in den Augen der Mehrheit schon als Zocker da, noch bevor er die Gespräche abgebrochen hat.“
Jonas Schaible, „Mit maximaler Härte“, „SPIEGEL“ Nr. 38/14.9.´24, S. 26-27, hier S. 26.

Zur Realität
„Herr Dustmann, die Bundesregierung verschärft den Umgang mit Flüchtlingen gerade deutlich. Wird das viel bringen?
Wahrscheinlich nicht. Wir sind in einer sehr unglücklichen Situation.Nach dem schrecklichen Anschlag in Solingen kamen zwei Landtagswahlen, nächstes Wochenende folgt die dritte in Brandenburg, und das hat natürlich enormen Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, Maßnahmen zu ergreifen. Und die Schritte gegen Migration, die jetzt unternommen werden, sind nicht sehr effizient. Die irreguläre Migration nach Europa liegt ein Drittel unter der im vergangenen Jahr. Wir werden gerade nicht von unerwarteten Migrationsströmen überrannt. Wir sehen eher eine stetige Entwicklung.(…) Jetzt sind übereilte Maßnahmen unglücklich. (…)
Gleichzeitig werden Leistungen für Flüchtlinge gekürzt. Ändert das nichts?
Das ändert nur wenig. Natürlich weiß ich als Ökonom, dass Anreize wichtig sind, zum Beispiel für die Integration im Arbeitsmarkt.Viele Menschen, die zu uns kommen, haben dafür extreme Kosten jeglicher Art auf sich genommen. (…) Ich bin davon überzeugt, dass der Rückgang der Migration zu jener Zeit wirklich mit den Sozialleistungen zu tun hatte. (…) Wichtig ist, dass wir unseren Teil dazu beitragen, die Konflikte im Mittleren Osten und in Afrika zu befrieden. Afghanen und Syrer sind immer noch Nummer eins und Nummer zwei unter den Asylbewerbern in Deutschland. (…) Migration muss immer von intensiver Integration begleitet werden. Und da ist die Politik gefordert, das leistet Deutschland im Moment nicht genug.“

Prof. Christian Dunstmann (VWL, University College London; Direktor des Forschungsinstituts Rockwoll Foundation Berlin) im Interview mit „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 15.9.´24, S. 19.

Aus der Aufklärung
„Die Frage ist, was man in jener Welt dazu sagen wird, wo man vermutlich anders denkt, als hier zu Lande.“ (177)
Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“ Heft J, 1789.

Solidarität
„Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber!
Endet ihre Schlächterein!
Reden erst die Völker selber
Werden sie schnell einig sein.“

Bertolt Brecht, „Solidaritätslied“, Gedichte 1930-1934.

Der grobschlächtige und schädliche Unsinn fordert den aufgeklärten Widerstand heraus: Die Ampel läßt sich, vermittelt über die Merz-CDU, in der sozio-ökonomischen Krise die menschenfeindliche Agenda der rechtsextremen AfD diktieren.

Rassismus ist, in seinen häßlichen Verdunkelungsarten, eine lang tradierte Herrschaftsideologie, die dagegen gerichtet ist, kulturelle Besonderheiten und gesellschaftliche Entwicklungen auf politische und soziale Ursachen zurückzuführen, sondern darauf gerichtet, vermeintlich biologische oder anthropolgische Gründe für soziale und politische Unterschiede zu suggerieren.

Damit wird eine wertende prinzipielle Über- oder Unterlegenheit zwischen den sogenannten Rassen hegemonial in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über die weitere Entwicklung massiv behauptet, um das Gelingen von sozialer Progression und Emanzipation zu verhindern oder empfindlich einzuschränken bzw. die gegebenen Herrschaftsverhältnisse zu rechtfertigen sowie die Beherrschten untereinander zu dividieren.

Außenpolitisch gilt der Rassismus oder der Nationalismus als Rechtfertigung von Imperialismus und Kolonialismus. (Hier sind kritische Lehren aus zwei Weltkriegen zu ziehen.)

Die gesteigerte Rigidität der Ungleichheits- und Gefährdungsbehauptung beendet keine Kriege, schafft keine Armut ab, bewältigt nicht die Klimakrise, schafft keine neuen Steuereinnahmen für die öffentlichen Aufgaben (Bildung, Gesundheit, Kultur, Soziales, Infrastruktur), leistet keinen Beitrag zur Verbesserung der betrieblichen und öffentlichen Arbeitsverhältnisse (Lohn, Arbeitszeit und Mitbestimmung) und macht auch nicht die Wohnkosten preisgünstiger oder den Alltag kulturell angenehmer. Dieses dunkle Gestern ist heute kein helles Morgen.

Hier ist steigender Widerstand gefragt. Für die Menschenwürde, den Frieden, die sozial-ökologische Anstrengung, die zivile Entwicklung, die praktische Gleichheit vor dem Gesetz, den Sozial-, Bildungs- und Kulturstaat, internationale Solidarität, sinnvolle Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt für ein aufgeklärt-freundliches Verständnis von humaner Kooperation. Vorurteile und aufgeladene Häßlichkeiten sind dringend rational abzubauen. Lärm und grober Unsinn sollen der engagierten Vernunft weichen.

In diesem kontroversen Kontext sind die Hochschulen mit ihrem eigentlichen Aufklärungsauftrag nicht alleine, aber in besonderer Weise in der Verantwortung für die Rationalisierung von Konflikten, die Ursachenbestimmung von Problemen, die Bildung von Perspektive, die Konkretion von Problemlösungen, die Argumentation für ihre Triftigkeit respektive die Qualifikation mündiger Persönlichkeiten für eine positive gemeinschaftliche Wirksamkeit.

Diese Entscheidungssituation verlangt ein Wachstum an gesellschaftlichem Engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Mehrheit der davon Betroffenen sollte sich in neuer Weise positiv davon angesprochen sehen. Ein jedes Gespräch über diese Bedeutung ist lohnend. Ein Wort gibt das andere. Versuch macht klug.