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Es geht auch anders
Friedenspolitische Erinnerung
„Vielleicht ist die Frage von Krieg und Frieden eine Generationsfrage. Je stärker die Erinnerungen an Gräuel, Tod und Verderben verblassen, desto argloser blicken die Menschen in die Welt. Je länger der letzte Waffengang zurückliegt, umso unbedarfter wird die Diplomatie. Alte Generäle sprechen über Frieden, junge Politiker gerne über Waffen. Unsere Imprägnierung gegen Krieg und Gewalt verblasst jeden Tag mehr. Und unsere Lernerfolge aus den dunklen Tagen des Kalten Krieges schwinden dahin. Die Diplomatie versteht sich nicht mehr als Brückenbauer oder Brandmelder, sondern vor allem als Oberlehrer oder Anheizer. Der Krieg in der Ukraine wäre vielleicht vermeidbar gewesen, hätte man die roten Linien der Russen früher verstanden, sie diskutiert und respektiert. Stattdessen sind wir in eine mögliche Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts geschlafwandelt.
Noch vor einem Jahrzehnt waren wir Vermittler, nicht Waffenlieferant. Vielleicht steuern wir in einen größeren Krieg, von dem wir noch nicht einmal ahnen, dass er längst begonnen hat. Die jüngste Eskalation im Nahen Osten beispielsweise wäre in der alten Welt leichter einzuhegen gewesen: Vor dem Überfall auf die Ukraine und dem neuen Kalten Krieg hätte Russlands Präsident Wladimir Putin niemals offen mit dem Iran gegen israelische Interessen gehandelt – bis dahin galten die Russen in Jerusalem als Vermittler. Vermittler waren wir übrigens auch einmal: Deutsche und Franzosen handelten 2014 das freilich unzureichende Minsker Abkommen zwischen der Ukraine und Russland aus.“
Matthias Iken, „Weltpolitik: Was würde Hans-Dietrich Genscher dazu sagen“, „Hamburger Abendblatt“, 17.8.´24.
Sozial und demokratisch
„Die Krise unserer Demokratie besteht im Kern im Ausschluss immer weiterer Teile der arbeitenden Klassen aus der politischen Debatte. (…) Bessere Arbeitsbedingungen und eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung sind gerade in besonders schweren Berufen wie der Pflege eine Notwendigkeit, um die Arbeitskräfteknappheit zu lösen. (…) Eines ist klar: Sektoren, die direkt für die Lebensgrundlagen zuständig sind, tragen umso mehr zum gesellschaftlichen Wohlstand bei, je weniger sie nach der Profitlogik funktionieren. (…) Keine Miete wird niedriger und das Gesundheitssystem nicht besser, wenn man schutzsuchende Menschen zum Feindbild erklärt.“
Andreas Babler (Bundesparteivorsitzender der SPÖ), „Alternativen zur Dauerkrise: Für eine furchtlose Sozialdemokratie“; „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Nr. 8/´24, S. 117-123.
Nachgedacht
„Das Tier ist unmittelbar eins mit seiner Lebenstätigkeit. Es unterscheidet sich nicht von ihr. Es ist s i e. Der Mensch macht seine Lebenstätigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins. Er hat bewußte Lebenstätigkeit. Es ist nicht eine Bestimmtheit, mit der er unmittelbar zusammenfließt.“
Karl Marx, „Ökonomisch-philosophische Manuskripte“, 1844.
Folglich. Es gibt drei Elemente des Fortschritts bzw. der Verwirklichung des Allgemeinwohls: Die Schaffung von Frieden, Abrüstung, Entmilitarisierung und prioritär ziviler Entwicklung; die Rekonstruktion des Sozial-, Bildungs- und Kulturstaates; das Erwirken sinnvoller und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen. Die drei Elemente stehen in einem engen Zusammenhang.
Historische Bestimmungen oder Bestimmtheit kritisch zu reflektieren ist dabei stets hilfreich.
So erinnert sich der nicht als progressiv verschrieene Meinungsautor des „Hamburger Abendblattes“ an die Entspannungspolitik der 1970er Jahre (Regierung Brandt/Scheel, SPD/FDP), die Friedensbewegung der 1980er Jahre sowie an die relative Kontinuität der bundesrepublikanischen Außenpolitik, die von Hans-Dietrich Genscher (FDP!) auch in den Regierungen unter Helmut Schmidt (1974-1982) und Helmut Kohl (1982-1992) fortgesetzt wurde.
So kann´s kommen – Alternativen sind immer gegeben.
In dieser Weise erinnert sich folgenreich auch der neue Bundesvorsitzende der österreichischen Sozialdemokratie. Hier steht erneut das Soziale im Zentrum der politischen Konzeption – wieder entschieden gegen den Neoliberalismus und die extreme Rechte (hier die FPÖ).
Eine bestimmte Steuerpolitik (Kapital und hohe Einkommen), die Stärkung des Sozialstaates (nicht zuletzt des sozialen Wohnungsbaus) sowie der öffentlichen Infrastruktur, tarifliche Arbeitsbeziehungen und darüber hinaus die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich bilden eine Einheit der auch konfliktbereit angestrebten Reformpolitik.
Die grundsätzlichen Bemerkungen von Karl Marx sind im grundlegenden Widerspruch bzw. eine tatsächliche Alternative zum TINA-Dogma („There is no Alternative“) von Margaret Thatcher (1925-2013) und all derjenigen, die ihr ideologisch zu folgen sich bemühen.
All diese gedanklichen und praktischen Gegensätze, die praktisch aufgenommen und positiv gestaltet werden können, sollten auch mehr und mehr Eingang finden in die Entwicklung der Wissenschaften, ihre Einrichtungen und aufmerksamen Mitglieder.
Das betrifft beispielsweise die Verteidigung und die erweiterte Anwendung von Zivilklauseln, den insgesamt verantwortungsvollen Gesellschaftsbezug von Forschung, Bildung und Lehre, die internationalen Wissenschaftskooperationen, die zu erwirkende bedarfsgerechte Finanzierung (nicht nur) der Hochschulen, die Reformierung des Bachelor-/MasterSystems (Master als Hauptabschluß, Abbaus der Restriktionen, sorgfältiges Lernen-Forschen) sowie ein gestärktes Selbstbewußtsein der auch sozial eingreifenden Wahrheitsfindung. Dabei hat die erfreulich solidarische Entwicklung der Persönlichkeiten eine integrale Bedeutung. Niemand sollte niedergedrückt sein. Die gemeinsame soziale Bestimmung und Bestimmtheit als gesellschaftliche Wesen öffnet den Horizont.