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Lohnen die Gewerkschaften?

Eine übergreifende Frage

Konservatives Staunen
„Viele Unternehmen zahlen ihren Beschäftigten Erfolgsbeteiligungen und Prämien, um deren Beitrag zu einer guten Geschäftsentwicklung oder besonders individuelle Leistung zu belohnen. Das ist plausibel, denn Geschäftserfolg und gute Leistung sind zentrale Unternehmensziele. Aber welcher Unternehmer käme darauf, Beschäftigten einen Bonus zu zahlen, wenn sie sich in der Gewerkschaft engagieren? Die Ziele von Gewerkschaften sind ja selten deckungsgleich mit jenen der Unternehmen und ihrer Eigentümer. Lange Zeit ihres Bestehens waren Gewerkschaften sogar auf Enteignung aus. Um so erstaunlicher ist, worauf sich die Arbeitgeber der Chemieindustrie im neuen Tarifabschluss mit der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) eingelassen haben: Sie gewähren deren Mitgliedern einen Bonus – nur diesen und genau dafür, dass sie sich dort engagieren. Erstmals wurde damit in einem großen Branchentarifvertrag ein solcher Mitglieder- oder Gewerkschaftsbonus festgelegt. Anders als übliche Boni wird er aber nicht in Geld gewährt, sondern als zusätzlicher freier Tag im Jahr. (…) Die Chemieindustrie hat eine solche Sozialpartnertradition [„betont konstruktiver Interessenausgleich“]. Aber auch deswegen könnte die IG BCE irgendwann in Not geraten, wegen sinkender Mitgliederzahlen zu aggressiven Konfliktstrategien zurückzukehren, weil damit zumindest kurzfristig mehr Mitglieder zu mobilisieren sind. Falls sich dies mit dem neuen Bonus vermeiden ließe, hätten in der Tat beide Seiten etwas davon. Zur festen Tradition der Metaller gehört hingegen, in jeder Tarifrunde, Unternehmen zu bestreiken. Die IG Metall kann daher nicht erwarten, dass die Hand, in die sie regelmäßig beißt. Sie auch noch füttern will.“
Dietrich Creutzburg, „Starke Gewerkschaften als Unternehmensziel?“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 29.7.´24, S. 15.

Zur Klugheit
„Es gibt keine menschliche Tätigkeit, aus der man jeglichen intellektuelle Beitrag ausschließen kann, der homo faber [der schaffende Mensch] läßt sich nicht vom homo sapiens [der vernünftige Mensch] trennen, Jeder Mensch, entfaltet schließlich außerhalb seines Berufs irgendeine intellektuelle Tätigkeit, ist also >Philosoph<, ein Künstler, ein Mensch mit Geschmack, hat Teil an einer Weltauffassung, hält sich an eine bewußte moralische Richtschnur, trägt folglich dazu bei, eine Weltauffassung zu stützen oder zu verändern, daß heißt, neue Denkweisen hervorzurufen.“
Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft 12, § 3, 1932.

Heitere Haltung
„Hände küssen, Hüte rücken,
Knie beugen, Häupter bücken,
Kind, das ist nur Gaukelei,
Denn das Herz denkt nichts dabei!“

Heinrich Heine, Gedichte 1844-1851.

Wer hätte das gedacht oder erwartet: Die Unternehmensseite in der Chemieindustrie ist taktisch geschmeidig: Sie begrüßt die gemäßigte Sozialpartnerschaft der IG BCE und belohnt sie recht bescheiden mit einem Engagement-Bonus, damit die Seite der organisierten Arbeit nicht auf allzu „dumme Gedanken“ (Steigerung der Ansprüche) kommt. In diesem Zusammenhang stellt der Kommentator der „Zeitung für Deutschland“ (s.o.) zutreffend fest, daß die ambitioniertere Gewerkschaft IG Metall in ihrem Bereich nicht mit solchen taktischen Zugeständnissen rechnen darf.
Dabei stehen für alle gesellschaftlichen Arbeitsbereiche beispielsweise nach wie vor größere Lohnforderungen auf der Tagesordnung, mit denen wenigstens ein Inflationsausgleich erreicht wird.

Zudem sollte das Eigentum in öffentlicher Hand (siehe /Hamburger Hafen und Logistik/HHLA ) wesentlich in öffentlicher Hand bleiben. Auch sollte die Mitbestimmung in den Betrieben neue Dynamik gewinnen (Inhalt und Art und Weise der Produktion und des Handels). Überdies ist auch das Engagement der Gewerkschaften für den Frieden sowie gegen Rechts(außen) nur zu begrüßen. Ebenso sind bestimmte Forderungen wie die Erbschafts- oder die Reichensteuer von positivem Belang für die gesamte Gesellschaft. Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohn- und Personalausgleich sind sinnvoll und vernünftig.

Diese Inhalte, Kriterien und Forderungen gelten somit übertragbar für alle gesellschaftlichen Bereiche.
Das gilt gleichwohl für die Hochschulen, und dabei nicht nur für ihre ausreichende Finanzierung sowie die tarifliche Bezahlung ihrer MitarbeiterInnen.

Beispielsweise ist gleichfalls relevant für die kritische Auswertung der restriktiven Politik zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hier wären mehr gefragt gewesen und bleiben es folglich immer noch die Kinder- und JugendpsychologInnen, die JuristInnen, die VolkswirtInnen, ja selbst auch die Philosophie (Menschenbild) und die Geschichte (z.B. Pandemie und Politik) sind hier in neuem Maße gefordert.

Mit diesem erweiterten Einsatz der Gedanken, die Einsicht und Aussicht selbstbewußt vermitteln, mag auch in Medien, Politik, Medizin und Jurisprudenz eine aufgeklärte Bewegung initiiert werden.

In diesem Zusammenhang steht auch das Engagement für den Frieden respektive für die stärkere Gewichtung für eine zivile und allseitig menschenwürdige Entwicklung mit internationalem Ausmaß. So läßt sich ebenso aus den gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen lernen und auf bedachte Weise zusammenwirken. Geist und Tat, Hand und Kopf bilden eine humane Einheit.