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„Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.“

Zur Klarheit

Zur aktiven Erinnerung
„Das bekanntlich als bloßes Provisorium gedachte Grundgesetzes erwuchs ganz aus der Haltung des >Nie wieder Krieg<. Darin stimmte es mit der Charta der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1945 überein, die – inspiriert von Immanuel Kants Schrift >Zum ewigen Frieden< - das neue Völkerrecht der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg begründete: >Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechte vor der Geißel des Krieges zu bewahren<, beginnt denn auch die Präambel der Charta. Dem folgt mit dem allgemeinen Gewaltverbot in Artikel 2 die wohl wichtigste Norm: >Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit gerichtete […] Androhung oder Anwendung von Gewalt.< Genau in diesem antimilitaristische, der Tendenz nach pazifistischen Geist entstand das Grundgesetz. Wie Heribert Prantl in seinem neuen Buch [„Den Frieden gewinnen: die Gewalt verlernen.“] deutlich macht, fand bei den Verfassungsberatungen auf Herrenchiemsee sogar die schlichte Formel >Der Krieg ist verboten< erhebliche Zustimmung.“
Albrecht von Lucke, „Demokratie im Ernstfall/75 Jahre Bundesrepublik, 25 Jahre Berlin“, „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Nr. 5/´24, S. 5-8, hier S. 5f.

Kraut und Rüben
"Die >Zeitenwende< nimmt Kurs auf eine düstere Vergangenheit. Auf Soldatendenkmäler und >Pflichtjahre<. Das Militärische drängt zurück in die Schulen und Unis, in Lehre und Forschung. Abermals unterscheidet man westliche >Zivilisation< von östlicher >Barbarei<. >White Man´s Burden< [„Die Bürde des weißen Mannes“, 1899, Gedicht von Rudyard Kipling] lässt wieder grüßen, >Erbfeinde< lauern überall. Ostentativ die Weigerung, Feindesperspektive einzunehmen, Ächtung und bald Strafe drohen schon dem Versuch. >Vaterlandslose Gesellen< und >fünfte Kolonnen<: Wer im Verdacht steht, sich der >Staatsräson< zu entziehen, wird per Gesinnungsprüfung vom öffentlichen Dienst ferngehalten – in Brandenburg ist das schon so. Sozialdemokraten warnen zwar vor der >Remigration<, wollen aber Menschen mit zwei Pässen den deutschen wegnehmen, wenn sie zur Kriegsführung der israelischen Regierung die falsche Meinung haben. Ja: Sozialdemokraten.“
Ingar Solty, „Der Jargon der Zeitenwende“, „der Freitag“ („Debatte“), Nr. 20/16.5.´24, S. 13.

Begriffenes Wort
„Wenn ich aber eine Überzeugung, eine religio mein eigen nenne, so ist es die, d a ß e s n i e e i n e S t u f e g e g e b e n h a t, a u f d e r d e r M e n s c h n o c h n i c h t G e i s t, s o n d e r n n u r N a t u r w a r. Die modische Tendenz, ihn auf eine solche Stufe >zurückzuführen<, die Ideenverhöhnung der Zeit ist mir in tiefster Seele zuwider.“
Thomas Mann, Fragment über das Religiöse, 1931 (!).

Alte Zeiten in verschlissenem Gewande: Die stark emotionalisierte und absichtsvolle Verwirrung der Tatsachen und Begriffe kommt von ganz rechts. Wir haben dafür schlechte Beispiele.

So gelingt letztlich dem Teufel schon im „Faust“ („Mephistopheles in Fausts langem Kleide“) - erster Teil, 1808 – von Johann Wolfgang v. Goethe die Verwirrung des Schülers, auch wenn er widerspricht und nachfragt:

„Mephistopheles:
Ich wünsche nicht, Euch irre zu führen.
Was diese Wissenschaft [Theologie] betrifft,
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzenei it´s kaum zu unterscheiden.
Am besten ist´s auch hier, wenn ihr nur E i n e n hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
Im ganzen – haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.

Schüler:
Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.“

Vernunft und Aufklärung werden hier in einem Schlaglicht wider das Diabolische formuliert. Dennoch überläßt der Gelehrte Dr. Faustus den Schüler der Manipulation des Teufels, mit dem er einen fatalen Pakt geschlossen hat. Eine Parabel auch für die Gegenwart.

Dieser „Pakt mit dem Teufel“ besteht heutzutage in der sogenannten Zeitenwende und in der vermeintlichen Staatsräson. Das Kriegerische soll wieder dominieren, ganz entgegen den kritisch reflektierten Erfahrungen aus zwei Weltkriegen, im Gegensatz zu Grundgesetz und Uno-Charta, wider alle Abrüstungs- und Friedensbemühungen, soziale Erfordernisse und die humanitären Ansprüche seit der Antike vor 2500 Jahren.
Dieses geistig-politische Erbe ist erneut zu aktivieren und anzuwenden. Als persönliches Lernen und gemeinsames Handeln. In Wissenschaft, Bildung, Kunst und Kultur, in der Friedensbewegung, in manchen Parteien, in den Gewerkschaften sowie in der Interessenvertretung.

Zweifel brauchen eine vernünftige Begründung, eine soziale Richtung, einen demokratischen Modus sowie solidarisches Handeln. Ansätze und Möglichkeiten sind dafür vorhanden.

In den Wissenschaften kommt somit der gesellschaftlichen Verantwortung, der Einheit von Forschung, Lehre und Bildung sowie der Entwicklung mündiger Persönlichkeiten neue Bedeutung zu. Wenn ein Begriff bei dem Worte ist, bilden Sinn, Bedeutung und Wirksamkeit eine Einheit. Beginn stets jetzt.