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Rechts ist nicht links
Richtigstellung
„FAS: Herr Weiß, als neulich in einem öffentlichen Gespräch mit Elon Musk die AfD-Politikerin Alice Weidel Hitler als politisch ›links‹ bezeichnete, hielten das viele für völlig durchgedreht. Hat es Sie erstaunt?
Weiß: Nein, das war ja keineswegs der erste geschichtspolitische Ausfall von Frau Weidel. Sie hat vor einigen Jahren die NSDAP als Prekariatspartei bezeichnet, was ja in die gleiche Richtung geht: Der Nationalsozialismus wird zum Unterschichtenproblem erklärt, was historisch und soziologisch falsch ist. Die NSDAP war weder links noch eine Unterschichtspartei. Letztendlich stellen diese Behauptungen nur eine Verlängerung von NS-Propaganda dar.
FAS: Inwiefern?
Weiß: Es gibt Aussagen von Hitler und Goebbels, dass man ganz bewusst Symbole und Ästhetik der Arbeiterbewegung übernommen habe, um diese zu zerstören. Bei dieser Selbstdarstellung als Partei des einfachen Volkes gilt es zu vergegenwärtigen, dass die politische Rechte historisch erst mit dem I. Weltkrieg die Notwendigkeit verstanden hatte, die Massen zu integrieren. Das war im Gegensatz zum alten Konservatismus das eigentlich Neue. Durch die Kriegsniederlage hatte man gelernt, dass eine Gesellschaft vor allem im Krieg nur dann funktioniert, wenn allen ein Angebot gemacht wird.
Dieses Element der Massenintegration und die damit einhergehende Dynamik war zunächst ein Monopol der Linken, die Rechte lernte das jetzt. Das bessere Beispiel ist eigentlich Mussolini in Italien, der den Wechsel in Person vollzog. (…)
Man schafft sich damit ein historisches Argument des Gegners vom Leib, und man erklärt den Gegner selbst zum Nazi. Wenn ich sage, die Nazis waren links, dann werden im Umkehrschluss die Linken zu Nazis, und der gesamte Antifaschismus wird damit ad absurdum geführt und langfristig auch entwertet. Dabei ist es ein doppeltes Spiel, weil man selbst mit bestimmten Elementen des Nationalsozialismus kokettiert: Schauen wir den Wahlkampfslogan an: ›Alice für Deutschland‹.
Er ist eine Verballhornung und spielt mit dem Motto, das auf die Dienstdolche der SA eingraviert war: ›Alles für Deutschland‹. Ein Spiel, das man bewusst aufnimmt, bis hin zu diesem freakigen Gruß von Elon Musk.“
„Kampf um die Begriffe“, Interview mit dem Historiker und Publizisten Volker Weiß, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 9.2.2025.
Frühe Gewichtung
„Aber der Augenblick ist längst gekommen, zu erkennen, daß die gesellschaftliche Klassenidee weit freundlichere Beziehungen zum Geist unterhält als die bürgerlich-kulturelle Gegenseite, die nur zu oft zu erkennen gibt, daß sie die Berührung mit dem lebendigen Geist, die Sympathie mit seinen Lebensforderungen verloren und verlernt hat.“
Thomas Mann, „Deutsche Ansprache/Ein Appell an die Vernunft“, 1930 (!).
Zu Zeiten tiefgreifender Krisen ist seitens interessierter Kreise in der Gesellschaft (Reichtum, Konservatismus und liberale Marktgläubigkeit) angesagt, mit allseitigen Verwirrungen dafür zu sorgen, daß die Krise nicht progressiv (Allgemeinwohl auf nächster Stufe der allgemeinen Entwicklung) gelöst wird. Ein Beispiel: Lohnverzicht, Verzicht überhaupt, schaffe Arbeitsplätze. Die Gewerkschaften haben schon früh geantwortet: Und die Erde ist eine Scheibe.
(Vorsicht: Man kann davon hinunterfallen!)
Die AfD gilt erwiesenermaßen als rechtsextrem, weil sie mit ihrem völkischen Rassismus die Menschenwürde mißachtet, und die Gleichheit vor dem Gesetz fundamental verneint. Sie vertritt die scharfe neoliberale Wirtschafts- und Sozialdoktrin, ist eine Konkurrenz- und Kriegspartei und verharmlost die dunkelsten Seiten der Geschichte (Diktatur, Weltkrieg und Massenvernichtung).
Von daher ist nur Übles aus Üblem zu erwarten bzw. all das mit einer aufgeklärten, sozialen und zivilen Alternative zur Verbesserung der Lebensbedingungen zu bekämpfen.
Friedrich Merz hat kürzlich taktierend rechts konservativ an diese unmenschliche Politik angedockt.
Die Migration sei das Hauptproblem. Wieder einmal müssen Sündenböcke dafür herhalten, von einer offenkundigen Problemlage und ihren vernünftigen Lösungsmöglichkeiten und -erfordernissen massiv abzulenken.
Dabei ist eindeutig aus der Geschichte – ohne Verdrehungen – zu lernen: Dem Krieg ist eine unmißverständliche Absage zu erteilen. Aufrüstung und Militarisierung schaden existenziell einer notwendigen sozialen und zivilen internationalen Entwicklung. Sie vergiften die gesamte gesellschaftliche Atmosphäre.
Die Menschenwürde ist ein dauerhaftes Gebot zur praktischen Verwirklichung. Dazu gehören sehr praktisch sinnvolle Arbeit, Mitbestimmung auf allen Ebenen, tarifliche Sicherheiten und eine ausreichende Bezahlung.
Die Bewältigung der Klimakrise bedarf tatsächlicher und wirkungsvoller Bemühungen in den Bereichen Energieerzeugung, Produktion und Mobilität.
Die adäquate Entwicklung von Sozialem, Gesundheit, Bildung und Kultur als demokratische öffentliche Aufgaben erfordert angemessene Mittel, die aus der nachdrücklichen und steigenden Steuererhebung von Reichen und Vermögen zu gewährleisten ist.
Das Elend der Welt (lang tradiertes Nord-SüdGefälle) ist durch eine echte Entwicklungshilfe nachhaltig zu mindern.
Es wird zunehmend erforderlich, die Einsicht relevant zu verbreiten, daß die Steigerung von Vereinzelung und Konkurrenz schädlich für die positive Entfaltung der Menschen bzw. der Gesellschaft ist. Rationale Einsichten, Kooperation und Solidarität als Maßstäbe gemeinsamen Handelns verdienen weitaus mehr Anerkennung und Bedeutung im sozialen Miteinander.
Die Wissenschaften, ihre Einrichtungen, ihre Mitglieder, können und sollten in diesem widersprüchlichen Kontext eine anregende und produktive Rolle spielen. Links ist besser.