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Abschieben?
Soziale Probleme lassen sich nicht abschieben!
Verdrängte Menschlichkeit
„Wenn man eine Zeitlang auf einer Marsmission gewesen wäre und gerade wieder zurück auf der Erde pünktlich zum Kanzlerduell am Sonntag den Fernseher angeschaltet hätte, hätte man meinen können, Deutschland habe keine anderen Probleme. Oder alle anderen Probleme ließen sich durch eines lösen: Abschieben. Klimawandel: Abschieben, teure Mieten: abschieben, marode Schulen: abschieben, Deutsche Bahn zu spät: abschieben, keine Termine im Bürgeramt: abschieben. Putin bombardiert die Ukraine: abschieben. (…)
Dabei gäbe es durchaus was zu tun. Kommunen entlasten, Sprachbarrieren abbauen, Integration ins Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt fördern zum Beispiel. (…)
Und von Flucht ist auffällig oft nicht mehr die Rede, nur noch von Migration. Dabei ist es ein maßgeblicher Unterschied, ob man das Land mit einem Job-Vertrag und der Aussicht auf Besuch und Urlaub oder mit Bomben im Nacken verlässt, drohendem Folterknast oder drohender Hinrichtung. Aber solche feinen sprachlichen Grenzen scheinen nicht mehr zu existieren. Hauptsache, Grenze zu. Die Menschlichkeit wurde schon lange aus den Debatten abgeschoben. ›Wir sprechen über Menschen nur noch wie über Klappstühle‹, hat die WDR-Journalistin Isabel Schayani kürzlich bei ›Hart aber fair‹ treffend gesagt.“
Ronya Othmann, „Einfach mal Deutschland abschieben“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung („FAS“), 16.2.2025, S. 34.
Warum?
„Trux an den Sabin
Ich hasse dich, Sabin; doch weiß ich nicht weswegen:
Genug, ich hasse dich. Am Grund ist nichts gelegen.
Haß mich, soviel du willst! Doch wüßt ich gern weswegen;
Denn nicht an deinem Haß, am Grund ist mir gelegen.“
Gotthold Ephraim Lessing, „Sinngedichte“, 1753–1771.
Gemachtes ist veränderbar
„Kriege werden viel mehr gemacht, als sie entstehen – wer da mit magischen Geschichten kommt, hat viel zu gewinnen und wenig zu verlieren. Es ist nur an dem, daß kleine, simple Irrtümer – wie dieser da – böse ausgebeutet werden können, so jemand ein Interesse daran hat, sie auszubeuten. Sie wissen ja, wie man gute Propaganda machen kann, wenn man die Vulgärvorstellungen über fremde Nationen in Rücksicht zieht.“
Kurt Tucholsky, „Die ‚dummen‘ Schweden“, 1929.
Absichtsvoll verheimlicht und verschleiert wird meist, daß die Hauptursache für Flucht Kriege sind, daß die meisten Menschen in andere Teile des Landes oder benachbarte Länder fliehen, daß die Kriege von hier aus, vorsichtig formuliert, begünstigt oder mitgeführt werden, daß ungehemmte Waffenlieferungen zu Fortsetzung und Eskalation der militärischen Auseinandersetzungen maßgeblich beitragen und politische, diplomatische und zivile Konfliktlösungen massiv behindern.
Ausgeblendet wird weiterhin, welche verheerende Wirkung die fortgesetzte neoliberale Politik auf die soziale Lage, die Arbeitsbedingungen, die Wohnverhältnisse, die kulturelle Teilhabe und das kommerziell deformierte Gesundheitswesen hat.
Die ungebremste – steuerliche und deregulierte – Begünstigung von Reichtum, Vermögen und Gewinnen, auch der Finanzspekulation, das lässige Nachsehen gegenüber der Steuerflucht sowie die soziale Rigidität der „Schuldenbremse“ (bei der Aufrüstung ist das gänzlich anders) lassen das Allgemeinwohl – damit auch die praktische Menschenwürde –, den grundgesetzlichen Sozialstaat, Gesundheit, Bildung, Kultur und öffentliche Infrastruktur verkommen bzw. weit hinter die gesellschaftlichen Bedürfnisse zurückfallen. Diese Probleme, Aufgaben und berechtigten Anliegen der Mehrheit der hiesigen Bevölkerung lassen sich rein gar nicht durch verschärfte Abschiebungen lösen oder konstruktiv bewältigen.
Aufklärung (siehe Lessing) läßt sich historisch bewußt und aktualisiert verstehen als die kritischrationale Infragestellung des überwindenswerten Elends, der scheinbar ewigen Ungleichheit sowie der autoritären Rechtfertigung unhaltbarer Zustände bzw. der so hergestellten Unmündigkeit der Menschen.
Auch die Leugnung oder Verharmlosung der Klimakrise ist krachender Unsinn. Sie ist menschen- oder gesellschaftlich gemacht und kann – mit ernsthaften Anstrengungen – überwunden werden.
Kriege, Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte sowie die damit einhergehende Unterstützung von Despoten widersprechen dem Friedensgebot und dem grundsätzlichen Ideal der sozialen Demokratie, beides fundamentale Maßstäbe nach der alliierten Befreiung von Diktatur und Weltkrieg 1933–1945.
Im besten Fall sind die Wissenschaften und ihre Akteure diesen positiven Normen kooperativ verpflichtet. Die Bildung habe ihre Position und gesellschaftlich eingreifende Orientierung im Frieden und der tatsächlichen Humanität. So gelingt jede Anstrengung. Auch der Sinn im Leben.