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Kultur ist links
Verspiegelt
„Wenn die Reaktionen aus dem Kulturbetrieb der Maßstab sind, dann hat Friedrich Merz mit der Nominierung des Journalisten und Verlegers Wolfram Weimer als Beauftragter für Kultur und Medien alles falsch gemacht: So gut wie niemand will ihn. Eine Anti-Weimer-Petition hat in wenigen Tagen schon mehrere Zehntausend Unterschriften bekommen. Ein Blick auf ihren Text lohnt: ›Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Polarisierung‹, heißt es da, ›braucht die deutsche Kulturpolitik eine Persönlichkeit, die Vielfalt, Demokratie und künstlerische Freiheit schützt und fördert – und keine konservative Verengung betreibt.‹ Kultur und Kulturpolitik, könnte man übersetzen, darf es nur von links geben. Es muß nicht schlecht sein, diese Überzeugung infrage zu stellen. Und: Von Merz linke Politik zu erwarten, dürfte einigermaßen weltfremd sein.“
Tobias Rapp, „Chance für die Kultur“, „SPIEGEL“ Nr.: 19/3.5.2025, S. 6 (Leitartikel).
Tiefe Verachtung
„War denn nicht der Grundtrieb alles Nazitums immer Neid, Habgier, die Lust zum Plündern, der geile Drang, sich in Macht und Geld zu sielen? Begriffe und Ideen zu stehlen ist nicht das letzte Gelüst dieses Abhubs. Das Wort ›Sozialismus‹ ist eine durch Raubmord erlangte Beute wie eine andere. Deutsche Hörer, Europa wird sozialistisch sein, sobald es frei ist. Der soziale Humanismus war an der Tagesordnung, als der Faschismus seine schielende Fratze über die Welt erhob. Er, der das wahrhaft Neue, Junge und Revolutionäre ist, wird Europa seine äußere und innere Gestalt geben, ist nur erst der Lügenschlange das Haupt zertreten.“
Thomas Mann, „Deutsche Hörer!“, 28.03.1944, Radioansprachen (1940–1945) aus dem US-amerikanischen Exil (über BBC an deutsche Radiosender – zum heimlichen Abhören – gesandt).
Komprimierte Klarheit
„Der Mensch verweilt nicht bei dem Schmerz eines andern, wenn er ihm nicht helfen kann. (…) Die Rohheit kommt nicht von der Rohheit, sondern von den Geschäften, die ohne sie nicht gemacht werden können.“
Bertolt Brecht, Rede auf dem I. Internationalen Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur /„Eine notwendige Feststellung im Kampf gegen die Barbarei“, Prag im Juni 1935.
Daneben
„Lieber Thomas Mann als Bertolt Brecht“
Wolfram Weimer.
Mal ehrlich, wer ist „einigermaßen weltfremd“: Wer Thomas Mann gegen Bertolt Brecht auszuspielen versucht, hat beide nicht verstanden. Beide Autoren, wenn auch bisweilen nicht gut aufeinander zu sprechen, haben vehement mit geistigen, literarischen und politischen Mitteln gegen Faschismus und Krieg gekämpft, und beide haben – mit unterschiedlicher Reichweite – positiv für eine progressive und friedliche Tendenz in der Nachkriegszeit gewirkt. Brecht in der DDR und Mann in der Schweiz. Beide haben Restauration und Aufrüstung abgelehnt. Also: Bei allen deutlichen – auch künstlerischen – Akzentunterschieden eine ästhetisch-politische Verwandtschaft hohen Grades.
Die neue Bundesregierung (CDUCSU/SPD) steht. Der Koalitionsvertrag ist geschlossen. Die Posten sind verteilt. Die sich beteiligenden Mitglieder der SPD haben mehrheitlich zugestimmt. (Die CDUCSU braucht so etwas nicht.)
Aufrüstung, Rüstungsexporte, Kriegsbeteiligung, mentale Militarisierung, die Verengung des Sozialen sind vereinbart. Da ist es folgerichtig, die Kulturpolitik stramm konservativ auszurichten. Noch einmal aus der oben genannten Petition: „Wolfram Weimer ist nicht geeignet für dieses zentrale Amt der Kulturpolitik. Er ist ein konservativer Publizist und Verleger, der bislang kaum als Kulturmensch in Erscheinung getreten ist. Weimer war Gründer und Chefredakteur des politisch konservativen Magazins Cicero, später Chefredakteur der Welt und des Focus – Medien, die eine klare wirtschaftsliberale und rechtskonservative Linie vertreten. Seine Verlagsprojekte (u.a. Wirtschaftskurier, The European) stehen für wirtschaftsnahe, konservative Perspektiven, nicht für eine offene, diverse und kritische Kulturlandschaft.“
(Die Petition hat bislang über 70.000 Unterschriften.)
Diese „wirtschaftsliberale und rechtskonservative Linie“ entspricht den rohen Vorhaben der nun amtierenden Bundesregierung. Das ist keine Nebensache, sondern der Versuch einer kulturellen Formierung. Gewissermaßen ein „Still gestanden!“ für den Alltag und die (un-)geistige Orientierung.
Damit wird dem Sinn, Zweck und Gehalt von Kunst und Kultur, auch der Wissenschaften, auf primitive Art und Weise Hohn gesprochen. Vernunft, Aufklärung, ästhetische Bildung und allseitige Kultivierung – alles in fundamentaler Gegnerschaft zu jeglicher Gewalt – werden somit zu negieren versucht. Wer damit nicht einverstanden sein will, mag weiterhin Kunst und Wissenschaft genießen, diese Ambition mit anderen teilen sowie in Gegnerschaft zu falscher Politik handeln. Schönheit braucht Quellen und gesellschaftliches Engagement. Niemand sollte darauf verzichten.