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„Exzellenz“? Ein Irrweg.

„In meiner Lesefibel jedenfalls, damals im Münsterland, existierte das Substantiv ›Exzellenz›‹ definitiv nicht. Allenfalls als Ehrentitel für römische Kaiser, fränkische Kleinkönige, arabische Prinzen und Bischöfe. […]
Ihre Exzellenz, die Spritzbrühe. Seine Exzellenz, der Trockenputz. Ihre Exzellenz, die Nagelschere. Geht’s noch? […]
Schuld ist die grandiose, um nicht zu sagen exzellente Bildungsministerin, die den exzellenten Einfall zu einer Exzellenz-Initiative für die Hochschulen hatte.“

Bettina Weiguny, „Exzellente Exzellenz“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 3. April 2011.

Bei dem Rennen um die „Exzellenz“-Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Uni Hamburg nicht gut abgeschnitten.

Das ist ein Grund, intensiver die Auslobung von Elite-Universitäten zu bezweifeln. Schließlich ist erwiesen, daß für diesen Wettbewerb den Hochschulen zunächst Bundesmittel (für Bauen) abgezogen wurden, er die Spaltung der Forschung von der Lehre verschärft, die Mittel-Konzentration in eher opportunen – meist in naturwissenschaftlichen – Fachgebieten fördert sowie die Ungleichheit der Arbeitsbedingungen an den bundesdeutschen Hochschulen forciert.

Die Ambition, mit der sich die Universität beworben hatte, „Nachhaltigkeit“ durch wissenschaftliche Verantwortung für Klima und „Natur“, für Frieden und Völkerverständigung, für die demokratische Einheit von Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung oder durch Wissenschaftskritik zu realisieren, ist nach wie vor richtig.

Sie sollte aber kohärent von der Gesamtuniversität verfolgt werden.

Immerhin wurden diese höchst aktuellen Ansprüche humanistischer Wissenschaft gegen eine nahezu zehn Jahre währende Torpedierung durch die handelskammerhörige Wissenschaftsbehörde tradiert und weiterentwickelt.

Jetzt können dafür und dadurch finanzielle Verbesserungen (des Grundetats), Demokratisierung, Gebührenfreiheit, echte Studienreform und nützliches Bauen – mit kollegialer Initiative aller Mitgliedergruppen – durchgesetzt werden.

Dazu sollte gehören, die Exzellenz-Etikettenkleberei weniger hoch einzuschätzen. Die sozial- und kulturkritische wissenschaftliche Substanz der Universität ist deutlich zu erweitern. Dazu gehört auch, die Wirksamkeit demokratisch souveränen Eingreifens der universitären Mitgliedschaft gemeinsam zu entwickeln.

Nur so konnte beispielsweise noch unter CDU-Regime erreicht werden, daß anstelle der Abrißbirne im Grindelviertel bald Bauleute mit der Erweiterung der Universität beginnen – nach folgender Maßgabe: „Die künftige Entwicklung der Universität an diesem Standort folgt dem Leitbild einer in den Stadtteil integrierten Hochschule. Von besonderer Bedeutung sind – für den Städtebau wie auch für das »tägliche Erleben« – eine Öffnung der Universität in den Stadtteil und eine Vernetzung der einzelnen Campus- Standorte.“ Und: „Eine reflexive, kritische Wissenschaft ist Anliegen der Universität Hamburg, um die akademische Arbeit auch in der Nachhaltigkeit ihrer Ergebnisse zu befragen.“ (Beide Zitate aus dem Ausschreibungstext für den Architektur-Wettbewerb zur Erweiterung des MIN-Campus.)

Wahr ist: Für die Verwirklichung dieser Ambition ist gekämpft worden – gegen den politisch-ökonomischen Druck zu Anpassung und Kürzungen und für allgemein nützliche Rationalität.