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Studienhonorar – eine sinnvolle Erweiterung
„Wie konnte es sein, daß diesen Eliten [...] die Kontrolle über die wissenschaftlichen und kulturellen Produktionsmittel und die Nachwuchsförderung überlassen blieb? Und das in einem Zeitalter räumlicher und zeitlicher Entgrenzung und Beschleunigung technologisch-militärischer Bedrohungen. Würde demgegenüber nicht die materielle Selbstständigkeit und kollektive Selbstbestimmung eher die gesellschafts- und gattungspolitisch relevanteren neuen Erkenntnisse und Befähigungen ermöglichen – im Gegensatz zur Vergeudung der Kräfte im Kleinkrieg mit Eltern, GeldgeberInnen und FuktionärInnen und im aufgezwungenen ausbildungsfremden Jobben aus Angst vor Verschuldung?“
Wolfgang Nitsch: Studienhonorar. Ein Kernpunkt des SDS-Programms „Hochschule in der Demokratie [1961]“, in: Forum Wissenschaft 3/2011.
Das widersprüchliche Voranschreiten der Menschheit in der Aneignung der Natur und dem Gestalten der Gesellschaft für ihre menschenwürdige Entwikklung bildet seit je die eigentliche gesellschaftliche Bedeutung von Bildung und Wissenschaft. Befördert durch die rasante technologische Entwicklung, ist wissenschaftliche Arbeit für mehr und mehr Menschen relevant. Jegliches Studium sollte daher als handlungsleitende Erkenntnis (durch Kritik des Bestehenden) zur menschenwürdigen Entwicklung von Produktion, Politik und Kultur befähigen. Dies ist auch bedeutsam für die Überwindung der tiefgreifenden Zivilisationskrise. Deshalb ist ein notwendiger gesellschaftlicher Aufbruch in Richtung humanistischer Rationalität in vollem Gange:
Nicht nur in der BRD werden die Hochschulen von immer mehr Menschen – entgegen allen neoliberalen Bedrängungen – erobert. Die hohe Zahl der Bewerber und Zulassungen sowie besonders die Kämpfe für die Demokratisierung, soziale Öffnung und aufgeklärte Verallgemeinerung von Bildung und Wissenschaft sind bewußter Ausdruck dieses geschichtlichen Erfordernisses.
Mit dieser Zielsetzung ist in Hamburg die Abschaffung der Studiengebühren zum Wintersemester 2012/13 (und die weitgehende Kompensation der Gebühreneinnahmen durch staatliche Mittel) solidarisch erkämpft worden. In dieser Lage ist das anspruchsvolle Erinnern an das „Studienhonorar“ als Kernforderung studentischer Bewegungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts und nachdrücklich in den 1960er Jahren hoch aktuell. Das auf dieser Basis 1971 durchgesetzte BAföG bedarf dringend einer sozialen Rekonstruktion. Darüber hinaus muß es zugunsten einer allgemeinen, elternunabhängigen und restriktionsfreien Bildungsförderung ausgebaut werden, um massenhafte und lebenslange Beteiligung an Bildung und Wissenschaft zu ermöglichen.
Im Kern ist das Modell des Studienhonorars mit zwei Ideen verbunden: Daß Studierende sich und andere als selbständige Mitglieder der Gesellschaft unabhängig von Eliten und frei von Beschränkungen (weiter-)bilden können. Und daß Studierende als aktiv an der Wissensproduktion beteiligte Bildungsarbeiter auch die materiellen Voraussetzungen ihrer Arbeit haben, anstatt sie zusätzlich auftreiben zu müssen.
Dieser Anspruch ist daher neu auf die hochschulpolitische Agenda zu bringen.
(Die schnellere Abschaffung der Gebühren bleibt nicht außer acht gelassen!)
Die Emanzipationsbeschleunigung ist und bleibt die Alternative zur Schuldenbremse.
Auf jedem Abschnitt der Strecke.